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Heidelberger Tageblatt: unabhängige Zeitung für Nordbaden — 1884

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No. 204 - No. 228 (2. September - 30. September)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44124#0920

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. Oberinſpektor mit der
ankommen könne, und es wurde ihm schwer, seine
Hichere Haltung zu bewahren, als dieser mit seiner

gialage gewähren. Es hercſcht große Aufregung.
Die Kaufleute der neutralen Mächte verhandeln

mit den Befehlshabern, um den Handel möglichst

unbehelligt zu erhalten. Die Franzosen sind überall,

wo die französſiſchen Konsuln das Land verlassen,

unter den Schuß der ruſſiſchen Konsuln gestellt
worden.
_ London, 22. Sept. Wie Reuter's Bureau er-
fährt, empfahl Wolſeley telegraphiſch, die nach
Egypten beorderten beiden Bataillone Infanterie
nicht abzuſenden und vorläufig jede Truppenſendung
von England nach Egypten aufzuſchieben. Auch
dürfe in Folge günstiger Nachrichten aus Khartum
der Umfang der Nil-Expedition reducirt und dieſelbe
in eine Art fliegenden Corps verwandelt werden.

Aus Nah und Fern.

. 1 -r Rohrbach b. H., 21. Sept. Am lettten Samstag
hatten wir hohen Beſuch, es beglückten uns nämlich



der Vorstand, Herr Buchdruckereibeſiter G. Gebhard

und einige Mitglieder des Handwerkervereins aus
Heidelberg um hier die Wahlbewegung in ein be-

stimmtes Fahrwaſſer zu leiten. Nachdem die Herren
ſich im Gaſthaus zur Rose etablirt hatten, um ihre
volksbeglückenden Jdeen zum Beſten zu geben, erklärten
aber etliche aus der Mitte der Verſammelten den
Agitatoren, daß es für jene vielleicht vernünftiger
wäre, sie würden bei sich ſelbſt zuerſt Hand anlegen
und in ihrem eigenen Handwerk arbeiten. Als die

_ Herren einſahen, daß in Rohrbach kein günſtiges

Feld für ihre Thätigkeit vorhanden sei, entfernten
fich dieſelben, ohne ein Reſultat zu erzielen. Wie
man hört, wirken die Reiſeapoſtel sehr eifrig im
Stillen und haben auch bereits in vielen anderen

Orten so in Schönau und Neckargemünd Verſamm-

tet 19. Sept. Herr Pfarrer Julius
Chriſtopher von Hettingen wurde vom Fürsten von
Leiningen auf die Pfarrei Osterburken präſentirt.

* Altheim, 22. Sept. Ein hier bediensſtetes
Mädchen aus Hettingen tödtete, um der Schande zu
entgehen ihr neugeborenes Kind. Die Rabenmutter
wußte ihren Zuſtand so geschickt zu verbergen, daß
sie ihre Niederkunft verleugnen konnte, bis man das

erwürgte Kind in ihrem Schlafgemach vorfand.

Früher wurden die Kindsmörderinnen mit dem Tode
heſtt fÜarbah, 21. Sept. Es iſt ein vorzüglicher
Wein zu erwarten. Unsere Trauben sind heute ſchon so
gut reif, daß man herbſten könnte. Der 1884er
wird dem 1868er wenig nachſtehen. Weinhändler
zeigen sich ſchon und dürften Käufe vor dem Herb-

fes u vd Die „Freie Stimme“
bringt eine Correspondenz über die dortige Kirchen-
reſtauration, der wir folgendes entnehmen : Nachdem
die Reparatur des Aeußeren ſchon seit mehreren
Wochen fertig gestellt iſt, ſind nun auch die Arbeiten
im Innern so weit vorgerückt, daß bereits das Ge-
rüſt im Langhaus abgeſchlagen werden konnte. Was
die Malereien betrifft, ſo ſind dieselben zur allge-

î verhalten und nicht durch eine Unklugheit noch im

letzten Augenblick alles auf's Spiel zu segen. Dann

_ war der Doktor an das Bett des Kranken getreten,

hatte eine Miene des Ersſchreckens erheuchelt und
auf Elsbeth's leiſe, ängstliche Frage, ob der Anfall
wirklich beſorgnißerregend sei, nur mit einem viel-

Nagenden Achsſelzucken geantwortet.

„Legen Sie dem Baron noch ein Kiſſen unter

den Rücken,“ wandte er sich dann an den Diener,

„und Sie, mein Fräulein, halten Sie ihm den
Kopf. Es wäre auch gut, wenn sich etwas Eis

_ Hherbeiſchaffen ließe.“

Seine Anordnungen wurden befolgt, und der
ächzende Patient, den in immer geringeren Zwi-
ſchenräumen kurze aber fürchterliche Krampfanfälle
packten, ließ widerstandslos alles mit fich geschehen.
| Die Kunde, daß der alte Baron im Sterben
î liege, hatte auch den Weg zu den wenigen anderen
Dienstboten und Beamten, welche im Schloſſe wohn-

ten, gefunden, und einer nach dem anderen kamen
ie jett herbeigeſchlichen, um von der Thür des Vor-

zimmers aus einen ſcheuen, theilnehmenden Blick auf

_ das Marterbett des armen alten Mannes zu werfen.
_ Gs wurde kaum ein leiſes, geflüſtertes Wort zwi-
_ chen ihnen gesprochen; denn die Nähe des Todes,
_ welche jeder fühlte, legte sich ihnen gleich einer eisernen

Klammer auf die Bruſt. ;
_ Da tönte von unten herauf das Rollen eines
rasch heranfahrenden Wagens.

_ Ramfeld wandte sich ſichtlich betroffen an den
rage, ob er wisse, wer da

_ ernſten Ruhe erwiderte :





meinen Zufriedenheit ausgefallen. Namentlich haben

die drei Deckengemälde, von denen eines den hl.
Martinus und die 2 anderen die Flucht nach Egyp-
ten zum Gegenstande haben, den ungetheilten Bei-
fall erlangt. Auch die lebensgroßen Bilder der 12
Apoſtel sind gut ausgefallen. Einen großartigen
Eindruck macht ferner auch die reiche und geſchmack-
volle Vergoldung an den Wänden. So viel darf
jetzt ſchon behauptet werden, daß das hiesige Gottes-
haus, wenn es einmal fertig gestellt sein wird, weit
und breit Seinesgleichen nicht haben wird. Der
Voranschlag lautet auf 75,000 Mk., welche Summe
aber um ein Bedeutendes überschritten werden wird.
Die Reparatur der Orgel soll auf ca. 10,000 Mk.
zu stehen kommen. Da der Kirchenfond nicht aus-

- | reicht, muß das Fehlende durch milde Gaben gedeckt

werden.

* Dittigheim, 21. Sept. Gestern heimſte der
hieſige Landwirth Johann Spörer die Trauben eines
Weinſtockes, den er an seinem Hauſe pflanzte. Als
er dieſelben kelterte, erhielt er 25!/, Liter Moſt, der
als man ihn wog, das erfreuliche Reſultat von 72
Grad ergab. Da die Trauben in den Weinbergen
dieſem bereits gleich stehen, ſo läßt sie ein Herbst-
erträgniß erwarten, das in Beziehung auf Qualität
und Quantität vorzüglich genannt werden darf.

* Gichtersheim, 19. Sept. Ein entſetliches
Unglück ereignete sich hier, welches für Viele eine
Mahnung sein kann, kein Petroleum in das Feuer
zu gießen. Die in der Scheuer mit Tabak be-
ſchäftigte Wittwe G. befahl ihrem ſechsjährigen
Töchterchen am Herd Feuer anzuzünden. Das Kind
schickte ſich auch alsbald an, dem Befehle nachzu-
kommen; allein das Holz wollte nicht recht zum
Brennen kommen. Deshalb nahm das Mädchen
die Petroleumflaſche und schüttete Del auf das

glimmende Holz. Alsbald schlug nun eine Flamme

in die Höhe, durch welche das Kind so erschreckt
wurde, daß es das noch in der Flaſche befindliche
über ihre Kleider ergoß, welche nun auch Feuer
fingen. Jn seiner Angst ſprang es mit den brenenn-
den Kleidern in die Scheuer zu seiner Mutter. Diese
suchte das Feuer durch Daraufgießen von Wasser
zu löſchen, allein bis d ieses ihr gelang, war das
Kind so ſchrecklich verbrannt, daß der alsbald herbei-
gerufene Arzt alle Hoffnung auf Wiedergeneſung
vi”. ashes, 22. Sept. Die geſtern hier wegen
des Projektes einer Bahn durch den Odenwald
tagende Verſammlung war von ca. 150 Theil-
Gietätn “§üututerg Urner cher Dt
wählte ein Comitee von 30 Mitgliedern und einen
geſchäftsleitenden Ausschuß von 6 Mitgliedern und
zwar die Herren Küchler-Worms, Hallwachs-Bens-
heim, Fallenberg-Amorbach, Benario-Wertheim und
Holzwarth-Würzburg. |

* Aus Baden, 22. Sept. Stadtpfarrer Diez
in Stockach feiert demnächſt sein 5sOjähriges Prieſter-
jubiläum. – S. M. der Kaiser hat den Bahnhof-
reſtaurateur H. Mayer in O ff enb urg zum Hof-

„Es iſt der Sanitätsrath Lindenberg, zu dem
ich gleich nach Herrn von Brandenſteins Erkrankung
gsſqrtt hatte. Der Himmel gebe, daß er nicht zu
spät kommt!“

„Glaubten Sie etwa, der Sanitätsrath ver-
möchte hier mehr auszurichten als ich? fragte der
Doktor ſcharf; aber man hätte es ihm ansehen können,
daß es mehr die Angſt als {der Zorn war, welche
seine Worte so gereizt klingen ließ. „Hier würden
alle Aerzte der Welt ihre Kunst umsonst versuchen.“
z Ereignisse schienen sein letztes Wort zu be-
tätigen. ;

Das Aecchzen des Kranken ging in ein dumpfes
Röcheln über, seine Hände irrten ſuchend auf der
Bettdecke umher, und seine Augen nahmen einen
starren, glaſigen Ausdruck an.

„Barmherziger Gott, er stirbt!“ sagte Elsbeth
leiſe und angſstvoll, indem sie neben dem Bette in
die Kniee sank und ihren Arm um die Schultern
des alten Mannes legte.

Heinrich von Brandenstein sah sie mit seinen
brechenden Augen starr an. Der furchtbare Schmerz

schien ihn zu verlaſſen; denn die Verzerrung ſchwand

allmählich aus seinem Gesicht, ja, es war sogar, als
glitte ein leiſes, friedliches Lächeln um seine Lippen
wie er seinen Kopf an die Schulter des jungen
Mädchens lehnte. :

„Josephine,“ flüsterte er kaum hörbar. „Biſt
Du wieder bei mir? –~ Nun hast Du mir doch
vetgche:t . Jett ~ bleiben – wir beiſammen
~ für immer!“ .

Ein Zucken lief über den ganzen Körper; ein
tiefer Athemzug hob seine Bruſt, und das Haupt,

| welches an Elsbeths Busen ruhte, wurde bleiſchwer.





j “(
lieferanten ernannt. - Die Liedertafel „Aurelia.
in Baden hat in der Perſon des Muſikdirektor
Leu in München einen jneuen?Dirigenten erhalten
dem ein sehr günstiger Ruf vorausgehte. .
Stelle eines zweiten Bürgermeisters der Stadt Fr t
bur g mit einem Jahresgehalt von 4500 Mk. —
ohne Pensionsberechtigung + iſt zur Beſett's
für einen Juristen ausgeschrieben. Bewerber habe
ſich innerhalb 14 Tagen beim Stadtrath zu métren:
~ Die Stadt Me er sburg rüſtet sich zur Feier
der 26 jährigen Amtsdauer ihres beliebten Barg"
meiſters Kaiſer. +. Der am 5. d, in Werth ett
verſtorbene Rentner Georg Heinrich Friſchmuth tt
der Stadt Wertheim 3500 Mk. zum Zweck der T*
bauung einer Gebethalle auf dem Friedhof verma§7

Vermiſchtes. ;
~– Sennhei m, 19. Sept. Heute zzz
wurde, so erzählt die Metzger Zeitung, eine frau
in Ammersweier, welche den Wald bei Berî.
weiler paſſirte, von zwei Strolchen angefalen u?
ihrer in 12 Mk. bestehenden Baarsſchaft beraubt. ~ |
Gestern Abend durchfuhr eine Heufuhre aus Nieder.
ſulzbach unsere Stadt, um nach Colmar zu gelange"
In der Stadt angekommen, vermißte der Set!
seinen Vater; um ihn zu ſuchen, fuhr er glsta!?
zurück und fragte in den an der Landstraße gelegene"
Wirthschaften nach ihm. In dem Glauben, daß "t
Vater in dem letzten Dorfe sitzen geblieben, ſet
der Sohn mit dem Fuhrwerk seine Reiſe fort, fan
den Vater jedoch auch dort nicht. Heute früh nu
fand man den Vater tod auf der Landstraße liege!
einen Kilometer außerhalb der Stadt. Es wird vet i
muthet, daß er, vom Schlage getroffen unbemer
vom Wagen gefallen und liegen geblieben in.
"+- Kritik des Sturmpropheten Wi |
gins.) Vor etwa 14 Tagen ging bekanntlich dut!
viele Blätter eine Sturmprophezeiung des cant
diſchen Profeſſor Wiggins. In Folge der é
öffentlichung derselben schrieb nun Gerichtsſekrettt
Schmidt aus Wismar an die „Kieler zeitung t
Durch die Sturmprophezeiung für den 20. Set"
beunruhigt, weil meine Tochter am 20. d. vs!
Hamburg nach Hull reiſen wollte, wendete ich my.
an die Direktion der Seewarte in Hamburg rt .
der Anfrage, ob eine Wahrſcheinlichkeit da ſei, daß
ein Sturm in den Tagen eintrete, und habe a1
dieselbe folgende Antwort erhalten : Hamburg, ' U |
Sept. 1884. Euer Wohlgeboren erwidert dô
Direction auf die gefällige Zuſchrift vom T. d. .
gebenst, daß die Voraussage des canadiſchen Finanz .
beamten Wiggins purer Unsinn iſt, der in Rückſi
auf die Beunruhigung, welche er damit wieder
in weite Kreiſe wirft, nicht scharf genug verurthetn.
werden kann. Nach dem völligen Fiasco, welches
derselbe Herr mit seiner Sturmprophezeiung tie
Frühling 1883 gemacht hat, ist es in der Thaſ
erſtaunlich, daß er die Stirne hat, daſſelbe Sp “ |
nochmals zu wiederholen. Im Interesse Vielet,
welche in ähnlicher Besorgniß sein werden, w!
Euer Wohlgeboren, hat die Direction gegen i!







Heinrich von Brandenstein war zu seinen Vätern
versammelt. ~ .
„Schlaf in Frieden, mein braver alter Freund!
sagte der Sanitätsrath Lindenberg bewegt. int
er näher trat, die leiſe weinende Elsbeth aus de i‘
Armen des Todten befreite und dem Entſchlafent.,
die Augen zudrückte. Er hatte schon eine klein
Weile auf der Schwelle geſtanden; aber der f <
Blick hatte ihm gezeigt, daß es sich hier nur '
um die letzten Sekunden eines verlorenen Menſché V
lebens handle, und er hatte sie nicht durch ſein . i
zwiſchentreten stören wollen. Jetzt ſchaute er : “
Leiche eine Weile prüfend an; dann wandte er ft
zu den wehklagend herandrängenden Dienſstboten: n, : .
„Nehmt den letten Abschied von Eurem Herts
und ‘dann geht auf Eure Stuben! + Ich will z
was zunächſt zu thun ist, schon mit dem H?
Oberinspektor besprechen!“ her
Die Leute traten einzeln an das Bett; & |
plöglich wichen sie alle ehrerbietig zur Seite; re!
am Arme seines Freundes Ramfeld kam Kurt aue §
dem Nebenzimmer herein. Es war ein gewag w .
Spiel, das der Doktor in diesem Augenblick ye.
suchte; aber er vertraute auf den mächtigen Einflu ß
den er über seinen Schützling ausübte, und er ht 1
nicht die leiſeſte Bewegung desselben aus den Händet .
.









„Es iſt der Neffe des Herrn Barons,“ ftaſtert:
der alte Diener dem verwundert aufschauenden “itt
nitätsrath zu, ?und auch dieser that einen Sch : A
zurück, um dem jungen Mann seinen Plat an df
Bette des todten Oheims frei zu machen.

(Fortsetzung folgt.)


 
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