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Heidelberger Tageblatt: unabhängige Zeitung für Nordbaden — 1884

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No. 127 - No. 149 (1. Juni - 29. Juni)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44124#0568

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y Desterreich-Uugarn.
_ wWeien, 10. Juni. In der heutigen Sitzung des
Hgeſtern begonnenen Prozesſes Stellmacher's, zu welcher
_ 29 Zeugen geladen waren, erschienen auch die Ar-
beiter, welche Stellmacher nach der Ermordung
Bloech's feſtnahmen und die Frau des ermordeten
î und beraubten Eiſert. Der Angeklagte erklärt, er
werde während der Verhandlung nicht sprechen, da
î er durch seine Antworten Freunde in's Unglück
türzen würde, ſprach aber doch recht viel. Sämmt-
liche Thatzeugen ſchildern gleichmäßig den Mord,
î die Verfolgung des Mörders und deſſen Haftnahme.
î owie die Art, wie er die Dynamitbombe wegwarf.
Vie lange vorher Stellmacher nach Wien und wo-
_ her er gekommen, welchen Inhalt ſein Koffer gehabt
î Habe, verweigert er anzugeben, dagegen gesteht er,
daß er auf Beſchluß ſeiner Partei Bloech ermordet
_ und eigens dazu hierherkam. Die Zeugin Berger,
î eine französiſche Lehrerin, welche bei dem Raub-
î mord bei Eisert ſelbſt ſchwer verwundet wurde, er-
klärt, Stellmacher sei derjenige, der ihr mehrere
Hackenſtreiche versett. Die Sachverständigen ſtellten
eſt, daß der bei Eiſert nach der Mordthat vorge-
_ fundene Zündstift zu den bei Stellmacher gefundenen
î 11 Zündstiften gehöre. Aufſehen erregte die Ver-
leſung von Briefen Stellmachers an den öſterreichi-
ſchen Gesandten in Bern, und an deutſche Polizei-
beamte, worin er gegen gutes Honorar seine ver-
î traulichen Dienste anbot. Der Angeklagte erklärte,
er habe ſich bei der Polizei einschleichen wollen,
um ſeiner Partei zu nüten. Stellmacher bekennt
_ ich der Ermordung Bloech's ſchuldig, bezüglich der
/ §zeten Handlungen nicht. Zwei Wachmänner,
î bvelche Stellmacher nach der Verhaftung überwach-
ten, theilen mit, Stellmacher habe geſagt: „„Wir
î machen's besser als die Nihilisſten. Diese haben von
î Ovben angefangen, wir fangen von unten an und rufen
î damit eine Panik hervor. Die Wachleute sind die
Stützen des Systems. Wir fangen damit an, den
Baumzuentwunrzeln, dann fällt der Stammvon selbst.“
_ Der Staatsanwalt behandelte faſt ausschließlich die
f t; ob Stellmacher des Eiſertſchen Raubmordes
chuldig sei, faßte geschickt alle Beweise zuſammen
und beantragte die Todesstrafe. Hierauf folgte die
Rede des Rertheidigers. Dann zog sich der Gerichts-
hof nach kurzen Repliken des Staatsanwaltes und
î des Vertheidigers zurück. Als er wieder erſchien,
î verkündete er: Schuldig betreffs aller von der An-
klage behaupteten Verbrechen, nur mit der Ein-
chränkung, daß er den Tödtungsverſuch an Meloun
î Hals Gemwaltthätigkeit bezeichnete. Der Gerichtshof
î ce>rkannte auf Tod durch den Strang. Der Ver-
î theidiger meldete sofort die Berufung an.
. Montenegro.
_ Cettinje, 6. Juni. Wie die Narodni vLiſty
î melden, wird Fürſt Nikita, welcher demnächst eine
größere Reiſe antritt, sich nicht nur in Wien, Paris
î und London aufhalten, sondern auch in Sofia den
î vorjährigen Beſuch des Fürſten Alexander erwidern.
~ Am 24. Mai überfielen 300 Mann albanesiſcher
Bergſtämme die maontenegriniſchen Hirten bei
DPeoodgorizza und Z abljak und tödteten 23; ihr
: f Lz. 1.591
Fürst Nikita eine Abtheilung Truppen unter Füh-
î rung des Wojwoden Simo Popovic an die Grenze.
. . Die türkiſch-montenegriniſchen Grenzregelungs-
arbeiten wurden wieder eingeſtellt, weil die Kom-
missſäre ohne ſschütende Mitwirkung regelmäßiger
î türkiſcher Truppen nichts unternehmen wollen. Die
_ maontenegriniſchen Kommissäre sind bereits nach Cet-
tinje zurückgekehrt. Der montenegriniſche Geſchäfs-
î träger Vukovic in Konstantinopel wurde beauftragt,
auf die Löſung der Grenzfrage zu dringen.
z.. Spanien. ;
Madrid, 6. Juni. In einem 300 Meter langen
unnel der asturiſchen Eisenbahnlinie erfolgte ein
uſammenbruch. Zwölf Arbeiter sind getödet.
Aus Madrid meldet der Standard : Nach langen

TTR
r freundliche Jones. „Wie von der Erde ?
c<hwunden ! Doch ich denke, Sie werden schon ihr
eld wieder bekommen!“
Mein Geld ?“ fragte Winslow verplüfft, „ach
~ so! Richtig mein Geld! Was hat denn mein
etrogener Vorgänger gemacht ?“
( Jones lächelte. „Der war wohl nicht recht bei
_ Sinnen. Er hat fich rein aus dem Gelde gar
. nichts gemacht, das ihm gestohlen worden. Der hat
nur an das Mädchen gedacht, wie er ſie wieder be-
ommt. Er meinte, sie wäre troß alledem ein Engel!
. Winslow drückte dem Poliziſten die Hand ging
Iangfam hinaus uu, bruminte vor fich hin.: „„Grad
o el wie ich! . .GGG







Unterhandlungen sind die spanische und französische
Regierung übereingekommen, die Genehmigung zum
Bau zweier verschiedener Eiſenbahnen über die Py-
renäen zu ertheilen. Die erste Linie wird die Eiſen-
bahn von Madrid nach Saragossa über Huesca und
Canfranc nach einem 4 Kilom. langen Tunnel in
Somport verlängern und von dort nach Oloron in
Frankreich laufen. Diese Linie wird von großer
Wichtigkeit für das Ebrothal und künftig der kürzeste
Weg zwiſchen Paris und Madrid sein. Die zweite
Linie wird die Pyrenäen von Lerida über die Thäler
Noguera und Pallareſa durchscheiden bis zu einem
3 Kilom. langen Tunnel in Solanut, ehe die Linie
das franzöſ. Depart. Arisge betritt, Der letzteren
Verbindung legt die französſiſche Regierung die
größte Bedeutung bei, weil dieſelbe späterhin ihr
einen Weg über das öſtliche Spanien und längs
der Mittelmeerküste nach Kathagena, mit der kürzeſten
Eiſenbahnverbindung für den franzöſ. Handel, sowie
auch eines Tages für ihre Truppenſendungen nach
Algier über Häfen, die nur 15 Stunden mit Dampfer
von Oran gelegen sind, beschaffen wird.

Deutſcher Reichsten.

Berlin, 10. Juni. Ackermann begründet seinen
Antrag, betr. Abänderung der Gewerbeordnung: Der
Antrag wolle das Handwerk consolidiren, um den
Kampf gegen das Großkapital aufnehmen zu können.
An einen mittelalterlichen Zunftzwang im Sinne
eines Monopols denke Niemand. Es handle ſich
nur darum, Raum zu ſchaffen für die freien Or-
ganiſationen und Reorganisationen der Verbände.
-. Meyer (Jena) ist gegen den Antrag, der nicht
die allgemeinen Standesinteresſſen fördere, sondern
den Innungsmitgliedern lediglich gewisse Bevorzu-
gungen sichern wolle, überdies in der Luft ſchwebe,
weil das Verbot des Haltens von Lehrlingen leicht
umgehbar sei. Majunke und Lohren sind für den
Antrag, Baumbach dagegen. Bundeskommiſssär Loh-
mann erklärt, . die Bundesregierung nahm zu dem
Antrag Ackermann noch keine Stellung, es liege
aber für sie kein Anlaß vor, von dem in der Vor-
lage von 1881 eingenommenen Standpunkte abzu-
gehen. Retter spricht gegen den Antrag, Kleiſt-
Retzow und Windthorst sind dafür. + Der Antrag
Ackermann wird ſchließlich in erſter und zweiter
Leſung bei Namensabstimmung mit 157 gegen 144
Stimmen angenommen. Morgen 1 Uhr Antrag
Windthorst.

Aus Nah und Lern.

* Karlsruhe, 9. Juni. Der Verein für die
Gründung einer Arbeitercolonie in Baden hat ſsich
geſtern definitiv constituirt. Vorſitender ist der
Präsident des Oberkirchenraths v. Stößer. Die
bisherigen Zeichnungen belaufen sich auf etwa
33,000 Mark. Dem Vereine iſt bereits aus mehreren
Landestheilen Gelände zur Anlage offerirt worden
(auch die Karthaus bei Freiburg) und wird eine
ſpätere Generalverſammlung über die Erwerbung
eines Grundſtückes zu beſchließen habe.

# Karlsruhe, 10. Juni. Letzten Mittwoch begann
der Obstbaukurſus für die badiſchen Volksſchullehrer
in der Großh. Gartenbauſchule. Angemeldet hatten
ſich 78 doch konnten nur 28 Hauptlehrer und 2
Unterlehrer berücksichtigt werden. Die Herren ge-
hören der Landesgegend von Bühl bis Heidelberg
an und kann ich verehrl. Redaktion des ,„Heidelb.
Tageblatt“ aber die beſtimmte Versicherung geben,
daß ein weiterer Kursſus und zwar vom 16-30.
Juni in Tauberbischofsheim ſtattfindet. Zu dem-
ſelben sind auch schon, wie man mir mittheilte die
Herren Waldert von Hundheim, Mechler von Auer-
bach, Ganser von Angelthürn, Bartholomä von Un-
terſchüpf, Gärtner von Königheim, Maag von Dörles-
berg, Spitzer von Schwabhauſen, Will von Freu-
denberg, Löffler von Schillingſtadt, Zimmermann
von Freudenberg und Bindert von Walldürn ein-
berufen. Hoffen wir, daß diese gute Saat recht
schöne Früchte tragen möge zum Segen unseres
engeren Vaterlandes. !

F Hockenheim, 10. Juni. Durch die hiesige
Gendarmerie wurde geſtern Jakob Röth von Altluß-
heim und Jakob Seemuth von da verhaftet, erſterer
wegen Meineids, lettterer wegen Anstiftung hiezu
und in's Schwetzinger Amtsgefängniß abgeführt.
Röth trat nämlich in einem Strafverfahren gegen
Seemuth als Entiaſtungszeuge auf und wurde dieser
infolge deſſen auch richtig freigesprochen. Zum Un-





glück des lettteren meldete sich aber nachträglich ein

von Gewisſſensbiſſen geplagter Mensch und legte vor
Gericht ein Geſtändniß ab, daß er gemeinschaftlich
mit Seemuth, den in Frage stehenden Straffall
(Diebstahl) ausgeführt habe.

© Mannheim, 10. Juni. Vor einiger Zeit |
_ | fand man am Neubau des J. P. Lanz ſchen Hauses





A 3 Nr. 2 eine Menge gut erhaltener menschlicher '

Scelette vor und stieß man gestern wiederum auf

13 ſolcher. Ob sich früher an dieser Stele en
Friedhof befunden oder dieselbe als Maſſengſaeb_

diente weiß mann nicht, doch wird man nicht falſh |
heben. zer t eine zlerMs gte *uzuuet . J

aunheim, 10. Juni. Ein in wohnen-. |
der Spezereihändler ſchüttelte den Staub Mannheims |
von den Schuhen, denn ſein Sinn steht jedenfals. |
nach dem Lande der goldenen Freiheit, in welchem |
man = wie die Leute ſagen vom Herrn Gerichts- |
vollzieher weniger belästigt werden soll. Zurück ließ |
der europamüde Spezereikrämer nichts als eine |

Familie und eine Menge geuzter Gläubiger!

* Buchen, 8. Juni. Bei der Rückfahrt des Wal- |
dürner Kriegervereins vom Amorbacher Kriegerver. |
eins-Feſt kam es zwischen Rippberger Einwohnem |
und Mitgliedern des genannten Vereins im Gaſte. |
haus zum Meerfräulein in Rippberg zu ciner grog. |
artigen Schlägerei, bei welcher das Messer eine Role. |
spielte. 4 Perſonen sind jettt noch in ärztlicher Be. |
handlung, die Wirthſschaft soll total demolirt sein. |
Gerichtliche Untersuchung ist eingeleitet. – In geſte |
' riger Direktionsſitung des landwirthſchaftlichen Be. |
zirksvereins wurde beſchloſſen, in Buchen künftig |

Farren- und Schweinemärkte abzuhalten.

* Freiburg, 9. Juni. Bei der heutigen Stadt- Ö
verordneten-Wahl der Mittelbesteuerten stimmten |

502 Wahlberechtigte ab, hievon stimmten 294 libe-
ral, 208 ultramontan. ;

D) Altlußheim, 10. Juri: Leßten Sonntag |

Nacht wurde auf der Landſtraße zwiſchen hier und

Speier ein Akt ächten Vendalismus verübt, indem Y

von bübiſcher Hand eine große Anzahl junger Obſt-
bäume gänzlich zerstört wurden. Leider konnte man
den oder die Thäter noch nicht ermitteln.

* Kaiſerslautern, 8. Juni. Den Herren König
u. Co., deren Nähmaſchinenfabrik unlängst durch einen
größeren Feuerſchaden heimgeſucht wurde, ist es
gelungen, in einem andern gemietheten Fabrik-
Etablissement weiterzuarbeiten.

Bermiſchtes.
~ Es wird wohl noch in allgemeiner Erinne-



rung sein, welch’ tiesgehende Aufregung vor meh-

reren Jahren in Westfalen die sogenannten ,„Luſt-
morde“ erregten. Das Gefühl der Unsicherheit,
welches damals in der ganzen Bevölkerung herrſchte,

erhielt besonders noch dadurch Nahrung, daß es.

trotß unsſäglicher Anstrengung nicht gelang, die Mör-
der zu ermitteln. Innerhalb des letzten Jahres
kamen weitere Verbrechen nicht vor und es trat
in Folge deſſen wieder eine gewiſſe Ruhe ein. Diese
wird jettt auf's traurigſte durch die Kunde von
einem neuen Verbrechen unterbrochen. Die Staats-

anwaltſchaft von Bielefeld macht darüber folgendes

bekannt: „Heute Morgen 7?/, Uhr iſt die 16 Jahre

alte Dienſtmagd Auguste Borrey hinter dem Cole i

nate ihres Dienstherrn Ellermann im Gebüſch, in -
deſſen Nähe sie seit 6 Uhr Gras zu ſchneiden hatte,
todt aufgefunden worden. Dieselbe iſt offenbar ge-
mißbraucht und erdroſſelt. Als Thäter iſt dringend
verdächtig ein Mann, der Tags zuvor in Friedrichs-
dorf gebettelt, auch um Arbeit angehalten und er-
klärt hat, er käme von Wilhelmsdorf (Arbeiter-
kolonie) und sei aus Höxter; sein Versprechen, Le-
gitimationspapiere zu bringen, hat er nicht erfüllt.
Derſelbe Mann ist heute Morgen gegen 9 Uhr von
einem Schäfer unweit des Thatortes von der Fried-
richsdorfer Chauſſee her durch deſſen Heerde und
dann durch das Osthusſche Holz laufend gesehen
worden und hat auf Befragen keine Antwort
ertheile.. An dem Eisenbahndamme bei Ummeln,
Gökenhof Nr. 36, ist leider die Spur trotz
energiſcher Verfolgung der Umwohner verloren ge-
gangen. Der Vedächtige war von mittlerer Größe,
kräftig gebaut, hatte dunkelblondes Haar, kleinen
Schnurrbart; der übrige Bart ſchien seit 1-2
Wochen nicht raſirt.“ Dank dieser Nachrichten wird
es hoffentlich gelingen, das Scheuſal zu ermitteln
und zur Bestrafung zu ziehen.

Auf der Rudels burg an der Saale, welche
alljährlich, besonders zum Pfingſtfeſte, anläßlich des
in Kösen gehaltenen Seniorenkonvents der d. Korps
von Studenten aller d. Hochschulen zahlreichen Be-
ſuch empfängt, hätte ſich, wie die Dresd. Z. meldet,

am zweiten Pfingstfeiertage ein schweres Ungläk ;

ereignen können. Ein Blitſstrahl fuhr am Thurme
U Bt H Bt

Besucher versammelt waren. Der außerhalb ein-



schlagende Blitz betäubte zwei daſelbſt stehende Per-
sonen, die beide ohne nachhaltigeren Schaden da-
vongekommen zu sein scheinen.

englischen Hofe ersuchte unlängst die Londoner .



~ London. Der holländische Botschafter am _


 
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