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Heidelberger Tageblatt: unabhängige Zeitung für Nordbaden — 1884

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No. 1 - No. 25 (3. Januar - 31. Januar)
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Heidelberger Tagetlat

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Expedition Brunnengaſſe 24.
X B.
England, Egypten und der Sudan.

Englands auswärtige Politik dient von jeher
einem einzigen Intereſſe: der Vermehrung Ausdeh-
nung und Befestigung des engliſchen Handels. Hin
und wieder, ja recht oft sogar, werden von den
Leitern der britischen Politik andere Gesichtspunkte
in den Vordergrund geschoben, z. B. wisſenschaſtliche,
humanitäre, religiöſe u. s. w. Das iſt aber alles
nur Augenverblendniß zur Täuſchung des großen
Publikums; maßgebend bleibt bei allen kriegeriſchen
oder friedlichen Unternehmungen Englands lediglich
das britiſche Handelsinteresse. ; /
Allmählich iſt der Welt über dieſen Endzweck
der engliſchen Politik ein Licht aufgegangen; je
heller dasselbe ihr aber erſchien, um ſo mehr mußte
ſie ſich wundern, wenn sie das seltſame Gebahren
der Engländer am Nil betrachtete. „Wie?“
fragte man sich — q,erſt setzt ſich England in Egyp-
ten mit erheblichem Kostenaufwand fest und jett,
wo es in Kairo ſo ziemlich freie Herrin iſt, will
es den Sudan von Egypten losreißen laſſen, wäh-
rend doch die Handelsbeziehungen zwiſchen Egypten
und dem Sudan bis tief in das innere Afrika's
hinein, sehr umfangreiche sind, an der Aus- und
Einfuhr des Sudan ſich recht viel verdienen läßt ?“
„Der alte Gladstone“, so meinten manche, „muß ſich
in die Idee verannt haben, sonst könnte er unmög-

lich darauf beſtehen, den Sudan der Anarchie zu |

überlaſſen, und außerdem ſeine Verſprechungen wie-
derholen, wonach die Engländer das Nildelta bald-
möglichſt räumen, Egypten den Egyptern wieder-
geben wtirden. Wo bleibt da die Weitſichtigket und
der Egsis:zus. die Englands Politik bisher aus-
eichneten ?“
j Yet gemach! Die Löſung des Räthſsels naht,
und sie iſt, wie man sich aus dem Nachſtehenden
überzeugen kann, durchaus geeignet, die Eingangs
dargelegte Ansicht von der Politik Englands zu be-
kräftigen. Londoner Blätter verrathen uns nämlich
olgendes :
§ Ym Nildelta betrachtet man Kairo und Alexan-
dria als die ſelbverſtändlichen. Ausgangs- und End-
punkte des oſtafrikaniſchen Welthandels, den Nil
als die natürliche Straße dieſes belebten Verkehrs,
Chartum als das Thor, durch welches der Reich-
thum JInner-Afrika’'s seinen Weg nach Egypten fin-
den müſſe. Dieser sehr natürlichen Anschauung ent-
sprechend, thut dann auch die egyptiſche Regierung,
soviel man von einer orientaliſchen Beamtung ver-
langen kann, um die Verkehrsſtraße vom Nil-
delta nach dem Sudan zu unterhalten und zu
ſichern. Die Häfen am Rothen Meer dagegen,
welche dem Sudan viel näher liegen, vernachlässigt
fie absichtlich, denn kommen jene Häfen in die Höhe,
so muß der jetzige Handelsweg durch Egypten ver-
öden. Dies iſt aber gerade der Punkt, bei welchem
England ansetzen will. Die britische Regierung kal-
kulirt folgermaßen : Wenn wir uns in Egypten als
die offiziellen Herrſcher niederlaſſen wollten, gäbe es
Lärm; wir würden den Widerſpruch Frankreichs,
ja ganz Europa's von Reuem herausfordern. Wir
haben auch verſprochen, das Nildelta zu räumen
und man würde nicht verfehlen, uns in unliebſamer
Weise hieran zu erinnern. Andererseits hat Egypten
an sich für uns augenblicklich weniger Interesse.
Auf dem Suezkanal haben wir als Hauptaktionäre
ſchon jetzt einen bedeutenden Einfluß, derselbe wird
fich ſteigern, denn die Suezaktien fallen, zum Aus-
bau des Kanals muß Leſſeps bei uns den größten
Theil des Geldes holen und dann iſt uns die
Waſſerſtraße völlig sicher. Egypten wird uns für
unser afrikaniſches Geſchäft noch mehr entbehrlich,
wenn es uns gelingt, dem ſudanesſiſchen Handel den
Weg nach den Häfen des Rothen Meeres anzuwei-



. ſen, wo unsere Handelsmarine dann für das Wei-
tere zu ſorgen hat. Zu diesem Zwecke iſt aber

iweierlei nöthig ; erſtens muß Egypten den Sudan



Heidelberger General-Anzeiger.

Verantwortlicher Redakteur Philipp Klausner.
Dienſtag, den 29. Januar

aufgeben, denn ſo lange es ihn besitzt, wird es da-
für sorgen, daß der alte Handelsweg nicht gestört
werde, und zweitens müſſen die Häfen des Rothen
Meeres, sowie die Zufahrtſtraßen von dort nach
dem Sudan in zuverlässige Hände kommen.

Was nun den erſten Punkt anbetrifft, ſo hören
wir ja ſchon seit Wochen, daß England in Kairo
auf Preisgebung des Sudan dringt und seinen
Willen auch beinahe ſchon durchgeseßt hat. Was
den zweiten anbelangt, so giebt es da einen Haken:
die Häfen am Rothen Meer, soweit sie in erſter
Linie in Betracht kommen, gehören auch zu Egypten.
Recht zur Zeit erinnert sich England also, daß ein
alter Streit zwiſchen Abyssinien und Egypten be-
ſtehe, daß Abyſsinien eigentlich einen ganz gerechten
Anspruch auf einen Hafen am Meere habe. Man
versöhne, ſo ſchlagen die Engländer vor, den von
Egypten oft und schwer gekränkten König Johann
und gebe ihm die Hafenſtadt Masſsana, sie ſselbſt
wollten als gutherzige Leute dann schon die Laſt
auf sich nehmen und für eine Hafenverwaltung nach
europäischem Muſter sorgen. Wege und Eisſenbah-
nen in das Innere Afrika’s. würden sie auch her-
stellen laſſen, kurz es würde eine Freude sein, zu
sehen, wie sie fich im Dienste der Zivilisation ab-
mühen. Strecker Pascha, der ein Freund des
Königs Johann ist, soll die Unterhandlungen zwischen
Ahyssinien und Egypten führen.

Die Regelung der inneren Verhältniſſe im Su-
dan wird General Gordon besorgen, deſſen Namen
in jener Gegend Niemand ohne Ehrfurcht nennt.
Vor wenig. Tagen noch war General Gordon gegen
die Preisgebung des Sudans durch Egypten. Er
ſprach dies öffentlich und in Zuſchriften an die
Londoner Blätter aus. Kaum hat er aber eine
Unterredung mit den englischen Ministern gehabt,
als er auch ſchon zu der Ansicht gelangt ist, die
Räumung des Sudan wäre für die Zivilisation (!)
nicht schädlich. Man könnte die alten Häuptlinge,
die in Kairo gefangen gehalten werden, dorthin zu-
rücksenden, die Bevölkerung würde sie aufnehmen,
den Mahdi dagegen fallen laſſen; man könnte Han-
delsvertrösge und Verträge zur Unterdrückung der
Sklaverei (!) mit ihnen abſchließen u. ſ. w. Der
General hat eben erfahren, wohinaus seine Re-
srerurg "zt" 05u. . q1zars ~ man muß es
geſtehen + iſt verteuffelt ſchlau. Ob er aber ge-
lingen wird, bleibt vorläuſig eine offene Frage.
Egypten, der Mahdi und nicht in letter Reihe
Frankreich, werden Alles verſuchen, um ihn zu zer-
ſtören. Frankreich muß schon vor längerer Zeit
gemerkt haben, wohin die Engländer zielen, denn
die offiziösen französischen Blätter rühmten ſchon
im vorigen Monat den Mahdi als den besten Bun-
desgenoſſen Frankreichs, und andererseits zeigte es
ſich in Kairo, daß Niemand anders die Fäden der
gegen die Abtrennung des Sudan gerichteten egyp-
tiſchen Bewegung in der Hand hielt, als der Fran-
zoſe Barridre. :

Deutſches Reich.
Hamburg, 23. Jan. In der Bürgschaft ent-

spann sich über den Antrag des Ausſchuſſes, dem
Senat wegen ſeines Verhaltens bei der Behandlung



der Spritklauſel im Reichstage und Bundesrathe

ein Tadelsvotum auszuſprechen, eine ſehr erregte
Debatte, da Dr. Wex in der Eröffnungsrede es für
beſſer erklärte, gleich ganz von Preußen annektirt zu
werden, als Stück für Stück. Alle folgenden fünf
Redner, die für und gegen ein Tadelsvotum ſprachen,

widerlegten ſehr energiſch die Ausführungen von Wer.

Nach ſtündiger Debatte wurde ein Schlußantrag
hz zit. P! Uf!!wms ergab yie Wlehmug
tes xusſéuertzses wi den pe der Ham-

burger Bahnſtrecken der Berliner Bahn an Preußen





spaltige Petit- .
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Anz die 1- i. Ä
ze Raum 5 Pfg.
ts 10 PfR.
raligem Erſche inne.
ttbewilligung.



Expedition Brunnengaſſe 24. .
TSSI.
J s
wurde an einen Ausschuß von 11 Personen verwiesen,
welcher ſofort gewählt wurde. .
Frankreich.

Paris, 26. Jan. Geſtern Abend fand in einem
Cafs unweit der Polizeipräfektur eine Verſammlungn
von 200 zur Zeit nicht dienſtlich beſchäftigten Schuzs
leuten statt, die über eine gemeinſame Stellungnahme
gegenüber dem ihre Penſionsrechte ſchädigenden Ge.

seßentwurf berathen wollten. In ihrer Mitte erschien.
der Divisionschef Gaillot, der im Namen des Polizein



präfekten versicherte, daß ihre Rechte gewahrt werdſen
würden, und sie aufforderte, wie bisher ihre Schul-

digkeit zu thun. Die Schutleute trennten sich ſofort
in friedlichſter Ordnung. Auf dem Revierpoſten der
Rue Bonne-Nouvelle machten ferner geſtern Abend
28 jüngere Schutlleute eine Art von Streikverſuch,
indem sie sich weigerten, auf Patroillenwachhe zu
ziehen. Der telegraphiſch herbeigerufene Chef der
ſtädtiſchen Polizei, Hr. Caubet, gab die gleiche
Erklärungen, wie Gaillot ab, und da einige Mamm
auf ihrem Vorhaben bestanden, drohte er, sie ſofot.
entwaffnen zu laſſen, worauf Jeder seinen Dienst

antrat. ~ Aus Tontin liegt folgendes Telegramm

vor: „Die Operationen gegen Bacnin sollen bis zum
Eintreffen der Verſtärkungen aufgegeben sein; wahre.
scheinlich werden sie nicht vor den erſten Taggen des
März stattfinden. Aus Kanton liegen keine besonders
beunruhigenden Nachrichten vor und nach den ein
laufenden Gerüchten sollen die Chineſen nicht mhr
so begeiſtert für den Krieg sein." . Aus Maden
gaskar find Nachrichten eingelaufen, die bis zum
27. Dez. reichen. Nach denselben iſt der Gesundheits-
zustand der französ. Truppen auf der Insel befrie.
digend; es herrscht zwar Sumpffieber, aber deme
selben iſt kein Mann mehr erlegen, seit der letzte
Dampfer abgegangen. Die Hovasgeſandten hatten
mehrere Unterredungen mit den franzöſ. Bevoll-
mächtigten, haben aber seitdem nichts mehr von sich
hören laſſen. Die Garniſon von Tamatave hat
mehrere Ausfälle gemacht und der Hauptmamm
Penequin von der Marineinfanterie hat bei
einem kühnen Vorstoß, den er nördlich vom Lager
der Hovas mit einer Abtheilung von 40 Mann
machte, einen Posten der Hovas überraſcht unn
2 Gefangene gemacht. s
Am Äbend des 13. Nov. griffen 500 Hovas die.
Stadt Majunga an, um die Königin der Sakalaren
zu entführen. Glücklicherweiſe ſchlug ein Einge.
borener Lärm. Die „Pique“ der „Forfait“ uud dee
Poſten des Forts eröffneten ein ſo lebhaftes Feue,
daß der Feind ſich ſchleunigſt zurückziehen mußte..
Die Hovas hatten 60 Todte und ließen 9 auf dem
Plate. Von den Sakalaren wurden mehrere ver-
wundet, 1 Mann und 1 Frau getödtet.. i
London, 24. g rg" .: M
Vaughan u. Co. beſchloſſen, ihre Stahlfabrik wieder
zu eröffnen, um dem Elend unter den 3000 Arbeitern, §
die jw!gſt infolge einer Herabſeßung des Arbeits.
lohnes ſikten, ein Ende zu machen. Die Mehrzahht
der Arbeiter nahm die Lohnherabſeszung an. + j
Dagegen dürfte der Weberstrike in Nordoſt-Lancaſhire J
SEE SEE
ehen nicht weniger als 69 Spinnereien mit 35,400
Webſtühlen still und die Zahl der ſtrikenden Webern
beträgt jetzt 20,000. Auch in Darwen und Padihanm
wird der Strike energiſch aufrechtgehallen.

Aus Nah und Fern. .

§ Eppelheim, 27. Jan. In dem sich in unſereere
Gemeinde so raſch eingebürgerten „Heidelberger
Tageblatt“ habe ich einen ausführlichen Bericht
über die am 28. d. M. stattgehabte hiesige Bürger-
meiſterwahl gelesen und war ich sowohl, wie meine
Freunde angenehm überraſcht, weil man unserer
Gemeinde so viel Aufmerkſamkeit ſchenkt
dieſer Bericht bedarf noch eines Beiberichts,









 
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