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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 2.1911-1912

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Nr. 58 (April 1911)
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Schönlank, Alex: Die neue Malerei: Neue Sezession
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https://doi.org/10.11588/diglit.31771#0020

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wandlung den Künstler alles in Schönheit zu trans-
ponieren Kurzum: die ausdrucksvolle Synthese, das
Symbol einer Sensation musste durch eine eindring-
Kche Umschreibung wieder gegeben werden und zu-
gleich ein den Augen wohlgefälliges Kunstwerk sein“.

Aus diesen letzten Worten erhellt das Ziel der
neuen Bewegung: die geschlossene Komposition.

Währen'd bei den Impressionisten Bildformat und
Darstellung in keinem zwmgenden, notwendigen Ver-
hältnis standen, während die Orösse der Fläche eben-
so unbestimmt war, wie der Inhalt ein beliebiger Aus-
schnitt aus dem ewigen Fluss der Erscheinungen, taucht
jetzt ein ehernes Gesetz der Fläche auf. Diese Künstler,
die durch und für die Wand denken, komponieren auch
unter dem Zwange der Bildfläche, so dass ein Ver-
grössern und Verkleinern unmöglich wird. Man niuss
für jede Flächengrösse von neuem konzipieren. Neben
dem Format zwingt die Fläche als solche. Alles Qe-
genständliche soll in der Fläche bleiben. Die Raum-
gestaltung wird ausgeschieden. Die Farben werden auf
der Fläche flach, eben ausgebreitet und soweit sie Gegen-
ständliches umschreiben, durch eine Konturlinie an die
Fläche genagelt. Diese Linie — zuweilen schwarz,
oft als Kontrast im Ton oder in der Farbe — ist ein
malerisches Mittel geworden und in der Elastizilät und
dem Gehaltreichtum ein kräftiges Ausdruckszeichen. Sie
ist nicht formbildend, formbezeichnend, sondern form-
umschreibend, Empfindung ausdrückend.

Die Farbenanschauungen, mit denen diese jungen
Künstler rechnen, beruhen ganz auf den Errungen-
schaften ihrer Vorgänger. Da die Naturwiedergabe der
Impressionisten niemals ein photographischer Ab-
klatsch der Natur war, sondern künstlerische Psycho-
logie der malerischen Werte der Erscheinungen, so
kamen sie zu einer bis dahin ungeahnten Verfeinerung
der malerischen Mittel nach der Nuance hin, die für
immer ihr Verdienst bleiben wird. Eine Sensibilität
ohnegleichen „la sensibilite de chacum c’ est son
genie“ sagt Baudelaire sehr bezeichnend — macht für die
feinsten Nuanzierungen aller sinnlichen Erscheinungen em-
pfänglich und zwang die Hand, jede Differenz der Sinnes-
wahrnehmung wiederzugeben und entpresste dem harten
töten Mittel der Farbe auch den Ausdruck für die
Wahrnehmungen anderer Sinnesgebiete. „Malen habe
der junge Herr wohl nicht gekonnt; aber irgendwie
rieche man vor ihnen die See; und das verschaffe
keins von den richtigen Bildern,“ äusserte ein Kapitän
über Whistler. Und dieser Sieg über die Materie
führte in einen Rausch, man formulierte die Kunst
indem man die Gesetze der Materie formulierte. Van
de Velde prägte die Sätze: 1. Jeder Stoff entwickelt
sich von Stufe zu Stufe dem Leben zu. . . Die

erste Spur von Schönheit fällt mit der ersten Spur
von Leben im Material zusammen . . Der Gedanke

hat nie den Stoff befruchtet, in denen sich Bild,
Statue oder Dichtung verkörperte. 2. Jeder Stoff ent-
wickelt sich von Stufe zu Stufe nach seiner unstoff-
Iichsten Erscheinungsform hin.

Die Richtigkeit dieses zweiten Satzes hob gleich-
zeitig die Absicht der Künstler auf. Man wollte

- theoretisch wenigstens — möglichst starke Farben,
kam aber nur zu einer hellen, blonden Gesamthaltung
des Bildes, die den Farben die Schärfe des Lokal-
tones nahm. Die Farbigkeit hob sich gegenseitig auf.

Den Gegensatz der Farbenanschauungen der
Jungen zu den Impressionisten könnte man in die
Formel Fechners fassen: Die Reizunterschiede nehmen
ab umgekehrt proportional den lntensitäten. Indem die
Farbe dem Ausdruck dienen soll, verwirft man ihre
Kleinteiligkeit und die optische Mischung. Man bevor-
zugt — die Materialität der Farbe absichtlich steigernd
— die dunklen und satten Farben des Spektrums und
breitetet sie in grossen Massen aus. Die Impressi-
onisten betonten die Farbqualitäten und suchten die
Gesetze ihrer Beziehungen wissenschaftlich zu for-
mulieren. Die Ausbalancierung der Farbmassen konnte
man einem nicht immer glücklichen Instinkt überlassen,
weil diese auf ein Minimum im Verhältnis zur Bild-
fläche zerteilt waren. Die Zusammenziehung der Farb-
teilchen zu Farbflächen wärf zwei neue Probleme auf:
Das Verhältnis von Form und Farbe und die Aus-
balancierung der Farbmassen. Der künstlerische ln-
stinkt, der durch den Neo-Impressionismus in eine
vielleicht nicht einmal ganze sichere wissenschaftliche
These eingeklemmt zu werden drohte, fand in diesen
Quantitätsrechnungen eine Ausdrucksmöglichkeit der
individuelisten und variationsfähigsten Art.

Man hat Glauben machen wollen, — auch der
sonst so nüchterne, posenfreie Liebermann in seinem
phrasenreichen Epilog — die ganze neue Bewegung
sei nur eine genialische Gebärde von jungen Leuten,
die nichts können. Und die Tageskritik hat in einer
Unverschämtheit, die nur höchster Impotenz eigen ist,
eine erschreckende Verständnislosigkeit offenbart. Man
ist wieder einmal mit allen Formeln der Aesthetik
bankerott gegangen und erklärt in verblüffend unver-
schämter Trägheit die jungen Künstler für Idioten.
Völlig unfähig, Kunstwerke als Ausdruck eines vollen,
starken Energiestromes künstlerischer Gestaltungsfähig-
keit zu betrachten, verkennt man den Ernst und das
mühsame und arbeitsreiche Streben der Künstler. Man
übersieht die ungeheure Breite der Bewegung, die in
der Literatur seit langem heimisch ist und sich an-
schickt, das Theater zu erobern. Es handelt sich nicht
um Willkür sondern um Ueberzeugungen: Und in
ihrem Namen wird der Kampf geführt.

A R. Schönlank

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