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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 2.1911-1912

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Nr. 75 (August 1911)
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Lublinski, Samuel: Romantik und Stimmung, [1]
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Hiller, Kurt: Der antinomische Leu
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Sabbere, Anselm: Das Mensch als Kunstwerk: eine ergänzende Betrachtung
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https://doi.org/10.11588/diglit.31771#0156

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und gelangten zu den wunderlichsten Erklärun-
gen, während die höhere Einheit der Romantik
im wortwörtlichsten Sinn nur eine Stimmungs-
sache ist. Stimmung! — dieses Wort erschliesst
das innerste Geheimnis der Romantik. Schluss folgt

Der antinomische Leu

Von Kurt Hiller

Grau ist alle Theorie; der Problem-Mensch
weltfremd; das Philosophieren abseitig, windeiig,
total bedeutungsios für die praktischen Fragen
des faktischen Lebens.

So? Na

Gibt es was Wirklicheres als Tiere? Da
möcht’ ich nun wissen, wie ohne Philoßophie
folgende Wirklichkeitsfrage beantwortet werden
kann: Sollen die wilden Tiere (rück-
sichtslos sterben sie in Nordafrika aus) d u r c h
Schongesetze geschützt werden?
Ein gelehrter Franzose — entnehme ich meinem
Käseblattl — verlangt das. Schwarzgemähnter
Löwe von Marrakesch, algerischer Schakal, Hy-
äne in Tripolis, Fenek der grelien Sahara: was
schwindet ihr dahin? O dass doch Europens
Bedachtsamkeit da einschritte!

Als ob, ihr Freunde, dies etwas so Selbst-
verüändliches wäre. Wozu denn brauchen wir
wiide Tiere? Ist es nicht, bei Lichte besehn,
puerilster Aesthetizismus, deren Erhaltung zu ei-
nem Gebote' zu machen? Schädlinge, weil sie
interessant aussehn, der Vernichtung zu entzie-
hen; Feinde (nichtmal ausnutzbare) aus senti-
mentalen Scheingründen extrem altruistisch zu
behandeln; unter ignorierung der Kontra-Instink-
te dieser Wesen sich an ihnen als an einem
Phänomen, einer Geste, einer Fläche zu berau-
schen —: ja grenzt das nicht an Snobtum und
Wien und Bibliophilie? Dienen die enormen
Summen, welche, um die Jagderlaubnis zu er
halten, der Amerfkanerich dem Turban zahlt,
nicht zur Niederhaltung von Räuberbanden, zur
Zivilisierung roherer Länderstriche? ? ? Schutz
der Bestien dient zu nischt.

Aber, beiieibe jehindennowieder, nun kommt
eben die grosse Antinomie. Nämlich: wasnützt
uns schon die Zivilisation? Gesetzt sie ist durch-
geführt, dann wird man sich zu Tode öden.
Folglich dürfen die Staaten keine edlere Sorge
kennen als die, den einmal vorhandenen Fun-

dus der irdischen Sensationen ernst zu hüten
und zu mehren. Allerhand Kuriosi-, Abnor-
mi- und Varietäten, zumal lebendige, müssen, wo
nicht gezüchtet, so doch penibelst betreut wer-
den Stelle anheim, zu erwägen, was so ein
gelber Leu, so eine karge mächtige Kraftkiste
mit verhaltenen Tatzen und kolossalischen Hau-
ern (von der schollenhaften Mähne zu schwei-
gen) doch für eine dolie Sache ist; ausserge-
wöhnlich, monströs, direkt kurzweilig. Zivilisa-
tion ist eine Vordergrundangelegenheit; die Mon-
stra uncl Schaustücke des Erdballs den Völkern
zu erhalten, ioci causa, v i t a e causa — d a s
isi wichtig; das ist mystisch-tiefe Pflicht weiser
Regierungen. Man muss das Chaos nicht bloss
kosmisch, man muss es auch komisch machen.
Sintemalen die Erbfeindin, die entsetzliche, Lan-
geweiie heisst.

Muss al^o der modörne Mönsch f ü r
Bestienschutz sein oder g e g e n ? Nun, wie den-
ken Sie diese dreidimensionale, faktische und
praktische Frage o h n e Theorie, o h n e Cere-
bralia, o h n e Zurückgehn auf philosophische
Urprobteme eigentlich zu lösen? Wolldin Sie mir
das gefälligst verraten? Nun? — — — Tja,
das Geistige ist kein Sport, meine Herren Idio-
ten; ich ersuche Sie daher, auf uns Grauenicht
so kess herabzublicken.

Das Mensch als
Kunstwerk

Eine ergänzende Betrachtung
Von Doktor Anselm Sabberer

Unabhängig von vorübergehenclen Stimmun-
gen vermag der Mensch wohi in seiner Seele
zu lesen. Immer ist mir in dieser Hinsicht das

Wort Platos vor Augen geblieben. Immer ist
es wirkiich, als ob der Mensch bei allem nicht
bloss einfach „sehe“, sondern als ob seine Na-
:ur a priori stets auf dem Sprunge stände. Und
wir sagen auf diese Weise, ja denken so über-
haupt nichts. Sollte in diesen charakteristischen
Menschäusserungen nicht etwas schlummern ?
Zunächst hat unser ursprünglichstes Bestreben
die natürlichste Begleitempfindung was uns seibst
betrifft, da wir uns im Gegenteil noch immer
brüchig, hinter uns zurückgeblieben wähnen.
Aber die Gerechtigkeit fordert eben, uns selbst
hauptsächiich und in erster Linie für den Quell
aller Vervoilkommnungssucht zu erkennen. Der
Künstler ergreift in diesem Gefühl Ton, und was

er formt und kne et ist e i n e r s e i t s ein Ideal
seiner selbst, etwas was er also seiner oder an-
drer Meinung nach an sich selbst noch nicht
haben soli; . andrerseits muss er doch aber
zur gleichen Zeit schon völlig damit verbunden
gedacht werden können, denn er, seine Seele,
seine bildende Hand hat die gesamte fertige Form
im Innersten doch nur vorangetragen. Dieser
schaffende, schöpferische Mensch leuchtet bei man-
chem angeblich schwächerem Gebilde sehr vielsa-
gend ein. Denn der Künstler selbst sieht und ver-
steht wiridich in jeder seiner Schöpfungen nur seine
eigene brünstige Seele wieder, das scheint denn
doch einen beherzigenswerten Wink zu enthal-
ten, worauf es der Hauptsache nach immer wie-
der bloss ankommt: in der Tat! N u n wohl :
da das Offenbleiben einer Lücke für alles ins
Sinnliche Uebersetzte, der äusseren Wahraehmung
Hingestellte stets vorauszusehen, — warum soll-
te das mit uns ja zweifellos so oft tendierte
Schöne, Gute und Wahre, unser von voraherein
zu innerst gefühlies Kunstwerk nicht mindestens
für uns selbst, für das eigen-innere Auge auch
erreicht und geschaffen werden können? Dies
hätte dann mit unserem äusseren Aspekt, unse-
rer Ausstrahlung in die Sinnessphäre noch we-
nig zu tun; — ich spreche hier natürlich nicht
vom athenischen Spiessbürger. Indessen muss
doch ohne weiteres zugegeben werden, dass er
wirklich auch schon noch ganz ohne die sicht-
liche Hinbewegung auf jene Gloriole seines
Schierlingsbechers soviel schöne Harmonie und
treffliche Wahrhaftigkeit nach innen gesammelt
hatte, als nur je davon nach seinem Tode sichtbar
geworden ist. Und so andrerseits auch wir
selbst: da wohl iiberhaupt niemand sein möch-
te, der nicht zu irgencl einer Sekunde seines
Daseins die schönste, vollkommenste Harmonie
eines göttlichen Wollens in sich mit einer dar-
aus entsprungenen göttlichsten Ichhandlung schon
einmal erlebt hätte. Hier aber würden wir denn
an Goethe erinnert. Es wäre jedoch ein grosser
Irrtum, anzunehmen, dass hier gewisserma-
s s e n gar nichts aus dem Innem selbst stam-
men sollte. Denn was den Sinneneindruck be-
trifft, so wird es freilich nur zu bald immer ge-
schehen, dass gerade demjenigen z. B., cler sich

seinem Ideal schon sehr genähert zu haben
glaubt, plötzlich von irgend einem Fremden das
Wort „Filz“ in die Ohren tönt. Es handelt sich
um jene Künstler, die nicht allein mehr im
vergänglich-ä u s s e r e n Sinnenmaterial, in Ton,
Wort, Schrift, Stein, Marmor bilden und prä-
gen, sondern in empfindlicher lebendiger
Menschenhaut.

Originalsätze eines Aesthetikers in ziemlich freier Zusammenstellung

Verantwortlich für die Schriftleitung
HERWARTH WALDEN / BERLIN-HALENSEE

Verantwortlich für die Schriftleitung in Oesterreich-
Ungarn / I. V.: Oskar Kokoschka

L’Effort

Halbmonatsschrift

für moderne Kultur u. fran-
aösi8che Sezession in den
Künsten und in der Literatur

Herausgeber und
:: Schriftleiter ::

JEAN RICHARD

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Zweiter Jahrgang

Verlag und Redaktion:
POITIERS (Vienne)
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Les Mm

5 rue Chaptal / Paris

Diese literarische Zeitschrift
veröffentlichte das franzö-
sische Original der Tage-
bücher Flauberts, deren
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Die Hefte, die die Tage-
bücher Flauberts enthalten,
sowie die übrigen seitdem
erschienenen Nummern sind
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Les Marges gegen Einsen-
dung von sechs Francs direkt
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