Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 2.1911-1912

DOI Heft:
Nr. 64 (Juni 1911)
DOI Artikel:
Friedlaender, Salomo: Fabelhaftes
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.31771#0063

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Umfang acht Seiten

Einzelbezug 10 Pfennig

WOCHENSCHRIFT FÜR KULTUR UND DIE KÜNSTE

Redaktion und Verlag-: Berlin-Halensee, Katharinenstrasse 5
Fernsprecher Amt Pfalzburg 3524 / Anzeigen - Annahme
Berlin W 35 Potsdamerstr. 111

Herausgeber und Schriftlciter:

HERWARTH WALDEN

Vierteljahresbezug 1,25 Mark 7 Halbjahresbezug 2,50 Mark /
Jahresbezug 5,00 Mark / bei freier Zustellung / Insertions-
preis für die fünfgespaitene Nonpareillezeiie 60 Pfennig

Jahrgang 1911 BERLIN / DONNERSTAG DEN l.JUNI 1911 NUMMER 64

Inhalt: MYNONA: Fabelhaftes / ELSE LASKER-SCHÜLER: Dem ßarbaren / TRUST: Wieder eine Woche / Dr. KARL HAMAN: Literarhistorik
und Journalismus / JOHN WOLFS: Kunst-Historismus / JAKOB van HODDIS: Der Oberlehrer / JOSEPH ADLER: Deutsche Phraseure / MINIMAX:
Vermischtes / LUDWIG SEGEBARTH: Versinnlichte Presse / Zeichnung / M. MELZER: Zeichnung

Fabelhaftes

Von Mynona

Ein König von sehr gebildetem Aussehen
verliebte sich in ein recht hübsches, aber dumm
dreinschauendes Gänsemädchen. Er verkleidete
sich in einen Sauhirten, gestand ihm seine Liebe,
und es gab sidi ihm zu eigen. Der Sauhirt über-
häufte sie mit Geschenken als: Pomade, Honig-
kuchen, drei Paar Loden-etcetra, Visitenkarten,
Talglichte, Halstücher. Sie freute sich des und
haiste ihn um. Da gestand er ihr, er sei der König.
Sie erschrak, nahm nichts von AUem und ging,
ihre Gänse hüten. Sie war nicht mehr zu be-
wegen, sich dem Könige zu nähern. Hochbetagt
starb sie, und ihre letzten Worte lauteten: „Wehe
dem Sauhirten, den die Liebe nicht zwingt, König-
tümer zu verschweigen.“

* »

*

Johann Wolfgang von G. beichtete einem sehr
milden Priester:

„Id> habe ein Dorf in Brand gesteckt und
einen lebenden Mops noch extra in die Flammen
geschleudert.“ „So hast du (näselte der Priester)
wohl Verbrechen begangen — doch (und hier
lächelte er kränklich) doch der Mops rettet dich;
denn der Seelenkenner gewahrt die bittre Reue,
die nach Möpsen greift wie nach einer Art sitt-
licher Feuerspritze. Oh! mein Sohn, wie oft
macht man das Entsetzlidie mit dem Entsetzlicheren
rückgängig! Zeuch hin in Unschuld.“

❖ * •
*

Dem Magazinverwalter Walter Waldherr fiei
ein Kronleuchter so geschickt auf die Scheitelbeine,
daß er mit der Spitze tief in den Schädel drang
und dort aufrecht stecken blieb. Waldherr, von
vier Untergebenen gehalten während fünf sich
abquälten, das Ding wieder herauszuziehen, stam-
melte sterbend: „ Achachachachachachrrrrrrrrrrr“*

Doktor Berghuhn sagte: „Das Sprechzentrum
funktioniert noch rudimendär; mir ist ein großes
Licht aufgesteckt.“ „Nein, ihm“, schrieen die
Unterbeamten; sie meinten den Kronleuchter. —
So gehört denn zu Erkenntnis und Witz eine
große Mitleidlosigkeit. Und instinktiv rückt der

Zeichnung von M. Melzer
 
Annotationen