Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 2.1911-1912
Zitieren dieser Seite
Bitte zitieren Sie diese Seite, indem Sie folgende Adresse (URL)/folgende DOI benutzen:
https://doi.org/10.11588/diglit.31771#0084
DOI Heft:
Nr. 66 (Juni 1911)
DOI Artikel:Walden, Herwarth: Für Freunde der Poesie: Lokalanzeigerlyrik
DOI Artikel:Notiz
DOI Artikel:Werbung
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.31771#0084
dichter genannt. Man erfährt, daß er nicht nur
Steiermark, sondern „das ganze Hochland der Ger-
manen vom Ortler bis zum Kahlenberg feiert.
Aus seinen Liebesliedern sprechenSchalkhaftigkeit,
andererseits aber auch die wirklich heiße Glut
der Leidenschaft“. Damit man das diesem guten
Doktor Bi auch glaubt, veröffentlicht er folgendes
Gedicht, das der Poesie des Titels und dem
ganzen Hochland der Germanen völlig entspricht.
„Ich bin daheim auf waldiger Flur,
Mein Htittchen ist ein grüner Baum,
Mein Ruhebett der Wiesensaum
Am Herzen der Natur.
Ein Rehiein kommt durch Zweige dicht,
Mir dringt an’s Ohr sein weicher Laut,
Es sieht mich an, es spricht so traut,
Und ich versteh’ es nicht.
Nun kommt ein biühend Mädchen noch,
Und sinnend steht es auf der Flur;
Es sieht mir stumm ins Auge nur
Und ich versteh’ es doch!“
Ueber Roseggers Charakter sollen folgende poe-
tische Zeilen „einige nette Aufschlüsse geben:“
„Ich bin ein Geselle, der lacht und trutzt,
Der weder nach Titel und Knittel hascht,
Der nicht Magnaten die Stiefel putzt
Und nicht Proleten die Hemden wascht.“
Diese gereimten Kindlichkeiten nennt man heute
in Deutschland Lyrik.
Bildhauerlyrik
Herr Professor Eberlein ist in Rotn. Er steht
— natürlich — „erschauernd vor seiner antiken
Größe.“ Er eilte nach Rom, um das Viktor
Emanuel-Denkmal enthütlen zu helfen. „Nun ragt
es dennoch, wie eine Flammenschrift, wie
eine Welt inmitten der alten grauen Roma, um-
tobt vom lebendigen Strome der neuen sieghaften
Zeit empor.“ Ein Bildhauer wie Eberlein kann
sogar Flammenschriften emporragen lassen, ohne
in dem Strom der neuen sieghaften Zeit unter-
zugehen. Denn sein Goethederikmal ist „in den
glänzenden Lebensstrom des Verkehrs geriickt
worden“, kann also nichf einmal durch Wasser
heruntergedrückt werden.
An dem Tage, an dem es sein größtes und er-
habenstes Denkmal, seiti heiligstes Symbol enthüllt,
stehen die Gedanken der deutschen Kiinstler
ganz besonders bewegt auf diesen stolzen Stu fen.
Man sollte Eberlein und die echt deutschen
Künster neben ihre Gedanken stellen, sie aus-
hauen, utid bis in die Ewigkeit vor Ronrs antiker
Größe erschauern lassen.
Stoffblumenlyrik
Nicht nur, daß ganz Berlin und die umliegen-
den Vororte in den letzten Tagen mit Stoffblumen
versorgt wurden, nein, die Gräfin Helene Kayser-
lingk hat sich eigens zum Dichten hingesetzt und
läßt durch weißgekleidete Mädchen, die nichts
dafiir können, ihre Poesie vertreiben. Sie kostet
zwar nur fünf Pfennig, ist aber dafür unbezahlbar.
An der Spitze naht der Kaiser
Er, der deutschen Einung Weiser.
Die Dichterin bekam selbst gleich einen Schreck
und äußert in der nächsten Zeile.
Welche Wendung Gott gefügt:
Und der Erbfeind liegt besiegt.
Die Verse klingen zwar sehr deutschfeindlich,
aber sie rechnen damit, daß der Deutsche jeden
gereimten Quatsch für Lyrik hält. Darum fährt
die Dichterin fort:
Säume nicht und schinücke Dich
Zur Erinnrung kaufe mich
womit natürlich diese Verse gemeint sind. Denn:
Leid und Not zu ljndern mache
Dienstbar dich der guten Sache.
Die seit Menschgedenk bereits
Der Verein pflegt Rotes Kreuz,
Den mit Nächstenliebensinn
Schuf die erste Kaiserin.
Jetzt wirds der Dichterin aber selbst zu ekelhaft
und sie schließt vehement
Holde Mädchen, weiße Kleider,
undsoweiter undsoweiter.
Ja. Die Sache wills. Trust
Notiz
Wegen technischer Schwierigkeiten erscheint
diese Nummer später. Die fehlende Fortsetzung
von „Die höchste Tugend“ folgt in Nummer 67.
Verlag der Sturm
Verantwortlich für die Schriftleitung
HERWARTH WALDEN / BERLIN-HALENSEE
Verantwortlich fiir die Schriftleitung in Oesterreich-
Ungarn / I. V.: Oskar Kokoschka
KLEINES THEATER
44 UNTER DEN LINDEN 44
SOMMERSPIELZEIT UNTER DER
DIREKTION von WILLIAM WAUER
Heute und folgende Tage abends 87« Uhr
Die vier Toten der Fiametta
Pantomime von WILLIAM WAUER
Musik von HERWARTH WALDEN
Fiametta: ROSA VALETTI
Silvio, Schneider, ihr Mann: WILLIAM WAUER
Der erste Liebhaber: GEORG RUNSKY
Der zweite Liebhaber: KARL MÜLLER-MALBERG
Der dritte Liebhaber: MAA MACK
Der Lastträger: GUIDD HERZFELD
Regie: WILLIAM WAUER
Vorher:
Die verwandelte Katze
Von JACQUES OFFENBACH
Zum Schluß:
Karneval in Nizza
Preise der Plätze 2,50—10 Mark
Karten an der Theaterkasse und bei Wertheim
<u
t >
< i
$
V
Die Fackel
HERAUSGEBER
Karl Kraus
Nummer 324/325
soeben erschienen
Preis 50 Pfg.
$ ÜBERALL ERHÄLTLICH
6 )
O
< 1
:: Probenummern ::
umsonst und portofrei durch die
Qeschäftsstelle „UER STURM“
I (AsvK/uÄyy**
•iwucXv J aA
(PyujUä*
W tJe4\JaiwuA*ii.
11<
Prof. Dr. Bīkliftngmilclit al* be-
Währte Kindermilch. — Trinkfertige Por-
iionflaschen für Yerschiedene Alterstufen.
Maltosana. bester Zusatz zur Selbst-
herstellung anderer Milchmischungen.
Ffuiid-Bos« 1M. 5a In Apoth. u. Drogf.
Verlag „Der Sturm“
■ Wir übernahmen inunsernV erlag
| Herwarth Walden
| DAFNISLIEDER
i Für Gesang u. Klavier / 52 Seiten
DREI MARK
:
Durch alle Buch- und Musi- j
kalienhandlungen oder direkt *
durch den VerTag DER STURM j
Halensee / Katharinenstrasse 5 jj
528
Steiermark, sondern „das ganze Hochland der Ger-
manen vom Ortler bis zum Kahlenberg feiert.
Aus seinen Liebesliedern sprechenSchalkhaftigkeit,
andererseits aber auch die wirklich heiße Glut
der Leidenschaft“. Damit man das diesem guten
Doktor Bi auch glaubt, veröffentlicht er folgendes
Gedicht, das der Poesie des Titels und dem
ganzen Hochland der Germanen völlig entspricht.
„Ich bin daheim auf waldiger Flur,
Mein Htittchen ist ein grüner Baum,
Mein Ruhebett der Wiesensaum
Am Herzen der Natur.
Ein Rehiein kommt durch Zweige dicht,
Mir dringt an’s Ohr sein weicher Laut,
Es sieht mich an, es spricht so traut,
Und ich versteh’ es nicht.
Nun kommt ein biühend Mädchen noch,
Und sinnend steht es auf der Flur;
Es sieht mir stumm ins Auge nur
Und ich versteh’ es doch!“
Ueber Roseggers Charakter sollen folgende poe-
tische Zeilen „einige nette Aufschlüsse geben:“
„Ich bin ein Geselle, der lacht und trutzt,
Der weder nach Titel und Knittel hascht,
Der nicht Magnaten die Stiefel putzt
Und nicht Proleten die Hemden wascht.“
Diese gereimten Kindlichkeiten nennt man heute
in Deutschland Lyrik.
Bildhauerlyrik
Herr Professor Eberlein ist in Rotn. Er steht
— natürlich — „erschauernd vor seiner antiken
Größe.“ Er eilte nach Rom, um das Viktor
Emanuel-Denkmal enthütlen zu helfen. „Nun ragt
es dennoch, wie eine Flammenschrift, wie
eine Welt inmitten der alten grauen Roma, um-
tobt vom lebendigen Strome der neuen sieghaften
Zeit empor.“ Ein Bildhauer wie Eberlein kann
sogar Flammenschriften emporragen lassen, ohne
in dem Strom der neuen sieghaften Zeit unter-
zugehen. Denn sein Goethederikmal ist „in den
glänzenden Lebensstrom des Verkehrs geriickt
worden“, kann also nichf einmal durch Wasser
heruntergedrückt werden.
An dem Tage, an dem es sein größtes und er-
habenstes Denkmal, seiti heiligstes Symbol enthüllt,
stehen die Gedanken der deutschen Kiinstler
ganz besonders bewegt auf diesen stolzen Stu fen.
Man sollte Eberlein und die echt deutschen
Künster neben ihre Gedanken stellen, sie aus-
hauen, utid bis in die Ewigkeit vor Ronrs antiker
Größe erschauern lassen.
Stoffblumenlyrik
Nicht nur, daß ganz Berlin und die umliegen-
den Vororte in den letzten Tagen mit Stoffblumen
versorgt wurden, nein, die Gräfin Helene Kayser-
lingk hat sich eigens zum Dichten hingesetzt und
läßt durch weißgekleidete Mädchen, die nichts
dafiir können, ihre Poesie vertreiben. Sie kostet
zwar nur fünf Pfennig, ist aber dafür unbezahlbar.
An der Spitze naht der Kaiser
Er, der deutschen Einung Weiser.
Die Dichterin bekam selbst gleich einen Schreck
und äußert in der nächsten Zeile.
Welche Wendung Gott gefügt:
Und der Erbfeind liegt besiegt.
Die Verse klingen zwar sehr deutschfeindlich,
aber sie rechnen damit, daß der Deutsche jeden
gereimten Quatsch für Lyrik hält. Darum fährt
die Dichterin fort:
Säume nicht und schinücke Dich
Zur Erinnrung kaufe mich
womit natürlich diese Verse gemeint sind. Denn:
Leid und Not zu ljndern mache
Dienstbar dich der guten Sache.
Die seit Menschgedenk bereits
Der Verein pflegt Rotes Kreuz,
Den mit Nächstenliebensinn
Schuf die erste Kaiserin.
Jetzt wirds der Dichterin aber selbst zu ekelhaft
und sie schließt vehement
Holde Mädchen, weiße Kleider,
undsoweiter undsoweiter.
Ja. Die Sache wills. Trust
Notiz
Wegen technischer Schwierigkeiten erscheint
diese Nummer später. Die fehlende Fortsetzung
von „Die höchste Tugend“ folgt in Nummer 67.
Verlag der Sturm
Verantwortlich für die Schriftleitung
HERWARTH WALDEN / BERLIN-HALENSEE
Verantwortlich fiir die Schriftleitung in Oesterreich-
Ungarn / I. V.: Oskar Kokoschka
KLEINES THEATER
44 UNTER DEN LINDEN 44
SOMMERSPIELZEIT UNTER DER
DIREKTION von WILLIAM WAUER
Heute und folgende Tage abends 87« Uhr
Die vier Toten der Fiametta
Pantomime von WILLIAM WAUER
Musik von HERWARTH WALDEN
Fiametta: ROSA VALETTI
Silvio, Schneider, ihr Mann: WILLIAM WAUER
Der erste Liebhaber: GEORG RUNSKY
Der zweite Liebhaber: KARL MÜLLER-MALBERG
Der dritte Liebhaber: MAA MACK
Der Lastträger: GUIDD HERZFELD
Regie: WILLIAM WAUER
Vorher:
Die verwandelte Katze
Von JACQUES OFFENBACH
Zum Schluß:
Karneval in Nizza
Preise der Plätze 2,50—10 Mark
Karten an der Theaterkasse und bei Wertheim
<u
t >
< i
$
V
Die Fackel
HERAUSGEBER
Karl Kraus
Nummer 324/325
soeben erschienen
Preis 50 Pfg.
$ ÜBERALL ERHÄLTLICH
6 )
O
< 1
:: Probenummern ::
umsonst und portofrei durch die
Qeschäftsstelle „UER STURM“
I (AsvK/uÄyy**
•iwucXv J aA
(PyujUä*
W tJe4\JaiwuA*ii.
11<
Prof. Dr. Bīkliftngmilclit al* be-
Währte Kindermilch. — Trinkfertige Por-
iionflaschen für Yerschiedene Alterstufen.
Maltosana. bester Zusatz zur Selbst-
herstellung anderer Milchmischungen.
Ffuiid-Bos« 1M. 5a In Apoth. u. Drogf.
Verlag „Der Sturm“
■ Wir übernahmen inunsernV erlag
| Herwarth Walden
| DAFNISLIEDER
i Für Gesang u. Klavier / 52 Seiten
DREI MARK
:
Durch alle Buch- und Musi- j
kalienhandlungen oder direkt *
durch den VerTag DER STURM j
Halensee / Katharinenstrasse 5 jj
528