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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 2.1911-1912

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Nr. 81 (Oktober 1911)
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Heymann, Walther: Glasmalerei
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Dirsztay, Victor: Unser Photo, [1]: Originalbericht der Freien Neuen Presse
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https://doi.org/10.11588/diglit.31771#0203

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Siesta Holzschnitt von E. L. Kirchner

Ritter, Biedermeyerbildchen und Alt-Berliner An-
sichten können sich den verschiedensten Woh-
nungseinrichtungen anpassen. Ungerahmte und
ungegitterte Bildausschnitte wie die „Figur in
grün“ wirken aber wenig künstlerisch. Allen
Bediirfnissen vermag die heütige Glasmalerei in
ihren Grenzen zu genügen, vor das KTnder-
fenster kleine Spielereien zu hängen, sich mit
bescheidenem Geschmack dem Treppenauf-
stieg anzupassen, im Musiksalon ihre Farben-
spiele schwingen zu lassen. Sehr fremdartig be-
rührt die hochkultivierte Mosaikkunst der W e-
ner Forstner, Rössler, Wagner, wäh-
rend Bernhard Jäger durch stille Kleinig-
keiten ins schlichte norddeutsche Zimmer ver-
setzt B e 11 i n g s „Fische“ und „Weiden“ füh-
ren uns zum Ernst des Gelehrtenraumes. Der
frische und vielseitige Lehmann-Steglitz
hat einen lustigen „Jungsiegfried“ und allerhand
frische Blumenstücke und Mosaiken. U n g e r s
gepanzerter Ritter ist grosszügig genug, um in
einem alten Schloss die Lichtwacht ha’.ten zu
können, sein Panzer spiegelt in gelbem Glas
den metallischen Schimmer des Stahles. Wer
aber das neue Pathos sucht, der gehe von
Pechsteins Farben zu dem Bahnhofsfenster

von Thorn-Prikker, das ist von gewalti-
ger, rhythmischer Monumentalität. Ein Bild heu-
tiger Industrie, dargestellt in Vertretem verschie-
denei’ Gewerke, soll es in dem Bahnhof in Ha-
gen der Wucht, die sich in seinen kräftigsten
Gestalten abkämpft und auslebt, ein Denkmal
seln. In seinen Farbtönen lebt das Licht einer
Bahnhofshal'e. Jede der starken Konturen, die
in Diagonalen und Ueberschneidungen angeord-
net sind, gehört zu ihrer Fläche, wie die Schie-
nen zum Bahndamm. Die Muskulatur ist ge-
spannt, der Ausdruck verinnerlicht. Toorops
Mystik, Hodlers Freskenkraft und eine gewaltige
Ausnutzung a 1er Mögiichkeiten der Giasmalerei
sind hier in einem Meisterwerk vereinigt, dem
die künstlerische Ausführung nichts schuldig ge-
blieben ist. Walther Heymann

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IJnser Photo

Originalbericht der Freien Neuen Presse

Wien, am 30. IX. 1911
Es ist eine allgemein auffällige Tatsache,
dass wir unter den zahlreichen Portraits der

hervorragenden Gestalten unseres öffentlichen Le-
bens, die wir stets gern in unseren populären
Zeitschriften begrüssen, sehr selten, ja eigentlich
niemals einer nur halbwegs zuverlässigen Ab-
bildung des ersten Gottes begegnen. Es muss
uns daher Wunder nehmen, dass, einige Ver-
suchc etlicher gesellschaftlich, wie moralisch so
minderwertigen Individuen, wie Raffael, Mlchel
Angelo ecetera — um nicht alle Gestalten der Bo-
heme anzuführen, — abgesehen, uns gar kein
Bildnis des ersten Gottes überliefert worden ist,
dem nicht baldigst von authentischer Seite ein
entschiedenes Dementi entgegengesetzt worden
wäre. In wohlinformierten Kreisen nun bringt
man die Tatsache, dass wir noch immer nicht
im Besitze einer solchen äusserst wertvollen
Photografie sind, mit dem Namen eines unserer
bekanntesten Hofphotografen in Verbindung, der
sich als Hof- und Kammerphotograf eines mit
unserer Monarchie befreundeten bakanischen
K einstaates einen klingenden Namen erworben
hat. Dieser unser Gewährsmann wurde nun
von uns mit dem Auftrag bedacht, für unser
Sonntagsblatt ein gelungenes Konterfei des er-
sten Gottes zu besorgen. Der besagte Herr Hof-
photograf erklärte sich nach kurzem Bedenken

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