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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 2.1911-1912

DOI Heft:
Nr. 98 (Februar 1912)
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Fuchs, Richard: Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.31771#0341

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Cesar Klein

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Wien

Von Riehard Fuchs

Ueber Otto! Unsere Kindesseele hat die
Sorge nicht gekannt. Heute wissen wir um die
Beschränktheit menschlichen Wesens. Andere
giauben nicht, daß das Leben in der Sittlichkeit
Wurzeln und Grenzen hat, sondern glauben, die
Schönheit erst durch die Kunst schaffen zu müs-
sen. So haben sie denn eine Lebenskunst erfun-
den. Ach, das Leben wird uns erst im Leiden

bewußt! Dies Trotzen und Leiden ausschalten
— es bleibt nichts. Ist die Kunst ein Lebensbe-
dürfnis? Es gibt keinen, der weniger als ich zum
Künstler geschaffen bin, aber für mich hat die
Schöpfung des Künstlers existiert. Erweist sich
die Kunst nur in ihrem eigenen Werk? Die Kunst
ist keiqe Sache des Faches. Was erhält den Men-
schen und das Leben? Das Geschlecht? Der
Geist? Aus reinem Geschlechtsinteresse wächst
auch Kunst und Kultur. Mag auch der Mensch
nur an seinen Notwendigkeiten sterben, der große
Mensch lebt nicht über sich hinaus; aber etwas

lebt über ihn, das ihn vielleicht vemichtet. Die
Weit ist weit und die Lust groß. Im Genie lebt
auch die Lust nach Untergang und Auslöschung.
Alles in ihm lehnt sich gegen die Sitte auf, aber
alles um ihn schweigt, alles gehorcht ihm schwei-
gend. Der geniale Menseh findet nur Sklaven im
Leben. Genie ist jedoch gleich zweimal, dreimai
da. Es geht immer aus Familien hervor, die der
Menschenfamilie total entgegengesetzt waren.

Durch die Kunst für Aile haben sich die Men-
schen zum letzten Male gegen das Genie sichem
 
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