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Pfälzer Bote für Stadt und Land (28) — 1893

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https://doi.org/10.11588/diglit.44152#0233

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Srfcheint ta glich mit Mußnahme der Sonn- und Feiertage
‘ SGamftag$ mit Unterhaltungsbeilage, Brei® vierteljährlich
ML 1.20 ohue Trägerlohn ı, Voftanfidhlag. Beftellungen
bet den Boftanftalten . bei der Grpebition Zwingerfiraße 7.




Aun zeige-Blatt für die Amtsbezirle Heidelberg.
Ladenburg, Weinheim, Schwetzingen PhHilippsburg,
iesloch, Bruchſal/ Bretten, Ne Xargemünd, Mosbac
Eberbach/ Buchen Wallbärn,&.-Bi ‘8h., Werkheimawe,



















Berantwortlicher Kebaktentr :
Yulins Yeder iu Heidelberg.

lt. *




Bruck/ Berlag ı, Expedition von Gebr. Yuber
im Heihelberg, Zwingerſtraße 7,











Beitelungen

auf den „Pfälzer Boten“ werden fortwährend bei
ſämmtlichen Poſtanſtalten, bei unſeren Trägerinnen


ſtraße 7, entgegengenommen.
Verlag des

4 Die „Heale‘“ det Sozinldemokratie.

In.

Bebel hatte es auch in ſeiner Montag-Rede nicht
unterlaſſeu koͤnnen, wieder die Herrlichkeiten des ſozia-
liſtiſchen Zukunftsſtaates auszumalen: „Die Menſchen
werden einft frei und alle gleich; ſie werden endlich
dazu kommen/ ſich einmal voll als Menſchen zu
fühlen, und ſie werden in freieſter und nugehindertſter
Weiſe ihre geiſtigen und törperlichen Fähigkeiten
eutwickeln können, und ein Maß von Freude und
Genuß wird ihnen werden, das die hHeutige bürger-
liche Geſellſchaft ihnen unmöglich bieten kann. Alle
die häßlichen Erſcheinungen der heutigen bürgexlichen
Geſeilſchaft mit allen ihren böſen Eigenſchaften,
die ja wieder aus den Verhältniſſen erwachſen, wer-
den verſchwinden Bringen Sie die Menſchen in
vernünftige und geſunde Zuſtände, ſo hören die böſen
Leidenſchaͤften und die unangenehmen Charakterent-
wicklungen auf, die wir in der bürgerlichen Geſell-
ſchaft, mo der Kampf Aller gegen Alle exiſtirt, ſehen,
und die durch dieſe erzeugt werden.“

Dieſes Zukunftsbild beleuchtete Abg. Richter
folgendermaßen: Nun ſagen Sie, es wuͤrden keine
böſen Leidenſchaften in Ihrem Zukunftsſtaate ent»
ſtehen . M. H. Gibt es denn Leidenſchaften bloß
über Mein und Dein? Es mag ja ſein, daß ſolche
Leidenſchaft abgeſtumpft werden fann, aber nicht
ganz; denn man wird ſich dann auch ſtreiten, heim-
lich und durch Liſt Gegenſtände zu verſchaffen ſuchen,






gehen. Es bleiben alle die Leidenſchaften noch übrig,
die ſich nicht au Mein und Dein anfniüpfen; wird
man nicht ſuchen, ſich in eine möglichſt mächtige
Stellung, in eine bequeme Arbeitsſtelle mit Liſt, Ge-
walt und Betrug oder Gott weiß wie hineinzudrängen!
Gerade weil u dieſem ſozialdemokratiſchen Staate
Niemand mehr im Stande ift, auf ehrliche Weiſe es



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Vervolllommnung, um ſo mehr werden die Veiden-
um gewiſſe Vortheile vor
den anderen auf unehrliche Weiſe zu exlangen. (Sehr


der Ratur widerſpricht, reagirt um ſo mehr in der
Entwickelung der böſen Leldenſchaften. Juriſten!
Sie brauchen ja hundert mal mehr Juriſten als der
heutige Staat. Widerſpruch bei den Sozialdemo-
fraten.) Je mehr Geſetze, deſto mehr Juriſten braucht
man. Mögen Sie das nun Geſetze nennen oder
anders, — ein Staat, der die ganze Produktign und
Konſumtion regelt, bedarf einer Fülle von Anord-
uungen von oben herab, mit denen Sie unſere Ge-
ſetzesſammlung nicht entfernt vergleichen koͤnnen und
die Befolgung dieſer Anordnung kaun ſtreitig werden,
ebenſo die Auslegung; die Beſchwerden darüber,
mögen Sie das nun Prozeſſe nennen, oder mögen


Staatsbehörde, in der Sache iſt e& gleich — die
Juriſten werden zu entſcheiden haben, ob der indi-
diduelle Fall der allgemeinen Anoxdnung entſpricht.
Und wenn Sie erſt, wie das in Ihrem Programm
dann reichen Sie
mit der hundertfachen Zahl der heutigen Juriſten für
Ihren Staat nicht aus.“

Nochmals kam Richter auf die Zerſtörung
der Familie zu ſprechen.
fache: die Zerſtölung der Familie. Meine Herren,
Sie führen ailerhand Beifpiele an, in denen die
Familie heute nach dieſer oder jeuer Richtung auch
nicht den Zweck erfülle; Sie nennen einzelne An-
ſtalten, die gewiſſe Fuuktionen übernehmen Sie
thun, als ob mir nichts bekannt waͤre, als ob ich in
einem ſolchen Wolkenkukuksheim lebte, von dem herab
Sie ſolche Schriften ſchreiben. Io, Centrallüchen ve-
ſtehen in unſeren Hotels, in den Volksküchen, es be-
ſtehen heute Centraͤlreinigungsanſtalten, es beſtehen
Erziehungsanftalten, e& beſtehen Küchen für Gefäng-
niffe und Kafernen — obgleich ich Ihnen nicht ge-
rade rathe, die Gefängniffe und Kaſernen für Ihre
Einrichtungen anzuziehen. (Sehr guth Aber wenn
das Alles iſt — weil es gewiſſe Verhältuiſſe gibt.
in denen eine Centralifation zweckmäßig und noth-
wendig iſt für beſondere Verhaͤltuiſſe (Unterbrechung)




allgemein giltig zu erklären? Darin ſteckt ja der
Fehler!) Sie ſagen: die Kinder werden aus dem
Hauſe weggenommen, werden von dem Staate unter-
halten und erzogen, die Reinigung — Herr Moſt
wollte ja auch eine Centralſcheueranſtalt — wird von
dem Staate vollzogen, die Arbeiterinnen müſſen ebenſo
arbeiten wie die Männer. Was bleibt denn dann
von der Hänslichkeit, überhaupt von dem Familien-
leben und dem beſonderen Leben überhaupt irgendwie
übrig? Mit Recht folgert Herr Bebel: die Häus-
lichkeit wird auf das Nothwendigſte beſchränkt; die
Privatküchen hören auf. Das kann ja unter Unt-
ſtänden vortheilhaft ſein, e& muß es aber nicht. Iſt
denn zuletzt bloß der pekuniäre Vortheil darüber ent-
ſcheidend? Wie ſchlecht kennen Sie doch die Arbeiter
ſeibſt! (Sehr gut! Wie ſchwer fällt es hier in Berlin
den Arbeitern, die fern von der Werkſtatt wohnen, zu
Hauſe zu eſſen! Aber ein Theil ſcheut nicht die
weiten Wege, um in der Mittagspauſe zu Hauſe zu
eſſen. Ein aͤnderer Theil, dem es unmöglich iſt, ar-
beitet lieber durch mit ſpärlichem Frühſtück, um nach





e& denn uun gerechtfertigt, dasjenige, was in der
freien Geſellſchaͤftsoidnung für einzelne Verhältniſſe
zweckmäßig und richtig iſt! nunmehr zu generaliſiten,
nunmehr von oben herab überall es einzuführen, es


richtig !) Und ſehen Sie ſich um auf den Werkplaͤtzen,
wo der Mann arbeitet und wo die Frau Mittags
mit dem Topfe kommt und das Kind mitbringt —
was in dem Topfe vielleicht enthalten iſt, mag ſo
viel nicht werth ſein, die Zeit, welche der Frau mit
dem Eſſentragen verloren geht, fällt auch ſehr ins
Gewicht; ich habe immer die Auffaſſung, der Mann
würde in einer benachbarten Küche oder Reſtauration
für ein Billiges ebenſo gut und bequemex eſſen wie
aus dem Topfe, den ihm die Frau von Hauſe bringt
— aber es iſt doch ein Stück Häuslichkeit, (ſehr
gut!]) es iſt ein Stück Familienleben, was ſich da
auf dem Arbeitsplatze abſpielt. ebhafter Beifall
auf allen Seiten) Der Mann ſitzt bei der Frau,
und das Kind ſpielt um ihn herum; (Bravo!) und
ſo vergißt er in dem Augenblicke der Mittagspauſe
die Mühen ſeines Berufs. (3wiſcheuruf bei den
Sozialdemokraten) Wenn Sie dies nicht würdigen,
dann fehlt Ihnen jedes Verſtändniß. Eebhaſter Bei-
fall) Für dieſe Imponderabilien im Arbeiterleben

*) Der ſtenographiſche Bericht bemerkt dazı Lehhafter
Richter: Ia Ddas iſt
mein Urtheil über Sie im ®anzen. (Gloͤcke des Praſt-
denten.) Präſident: Herr Abg Bebel, Sie haben eben
gehört, datz der Herr Redner nicht unterbrochen ſein will,
und Sie ſetzen Ihr geſchaftsordnungzwidriges Verfahren
immer noch fort !” — Aba Richter: Ia, Unterhrechen iſt
ja das Einzige, was den Herren noch übrig bleibt! Eeb-
haͤfter Beifall und Heiterkeit)



weiter zu bringen als die anderen durch Fleiß und











Die feiriðlichen Yrüser.
Roman von 5. v. Remagen.
Nachdruck verb.)

„Dein Kind ſieht und fühlt, daß Du von ſchweren
Sorgen niedergedrückt wirſt willſt Du Deinem Kind
den Grund Deiner Sorgen nicht mittheilen? E& wird
kaum in meiner Macht liegen, ihn zu heſeitigen, die Sor-
gen zu verſcheuchen aber ich möchte Dich zerſtreuen, Dich
erheitern Dir. tragen helfen — ich füßlte ſo vielleicht
ſelbſt die Laſt we ıiger, welche ich zu tragen hahe, und
würde heiter wenn ich Dich heiter machen könnte!!

„Biit Du krauk mein Kind?“

Nicht krank Vater, ich leide nur, und je verſchloſſener

58)

und ſorgenvoller Du biſt, um ſo mehr leide ich.“
.. #So bin. i wohl gax die Urſache Deines Leidens,
;_ä%egerbflhc‘?tß fi‘eßnmba% — * Dich 4 zu
‚ der von keinem Menſchen geliebt zu werden begehrt
als von Dir, liebes Kind?“ e *
„Sei mir nicht böſe Vater! Ich fühle aber, daß ich
weniger leiden würde wenn Du wieder fo wäreſt, wie,Du
früher geweſen bift?“
Früher? War ich früher anders? Und wann denn
und wie denn?“
„ „Du wareit früher zufrieden und froh und freuteft
Dich, wenn ich zu Dir fam, um mit Dir. zu pIaube”rni;


Dich zurücgekehrt, biſt Du Heftig und finiter, und wenn
ich unverfehens an Deine Seite trete, ſo erſchrickt Du
und wendejt Dich ängſtlich von mir ab. Das zehrt an
{Iätfglg%qter‚ das raubt mir auch die Araft und die Vebens-
. Sie legte ihren Kopf an ſeine Schulter und Jah i

mit ihren großen, dunklen Augen trautig an. RDE

„Du hHaft ſchlafloſe Nächte, Vater Du. irrſt ruhelos
umber,..wenn andere. Leute in.Frieden {Ohlafen ! Dr fliehft


als den Groͤfen Wenzel, mit dem Unalück . über unfere
Schwelle gefommen iit, Du meidejt das Haus Goͤltes *

den Troft der Kirche, und ANes, Alles, feit ſie die Gräfin
begraben Haben !” . B —

„Was lann ich dafür, Roſa, daß die Gräfin geſtorhen
ijt? Goͤtt hat ſie zu ſich genommen, ſie iſt todt für Die
Welt — vergiß ſie endlich.“ . . ;

Ich fanı fie nicht hergeſſen, Vater, nimmermehr, 10
lange ich lebe; ich vergeffe keinen, den ich geliebt. Und
wenn ich eS fönnte und wollte, iie jelbit Leidet e& niht!
Sie ericheint mir jede Nacht im Iraume, Dald jammernd
und die Hande ringend, ‘ als follte ih ihr Hilfe bringen,
Dald traurig lächelnd und mir minkend, als wollte fie
i@%ge%:‘„„@omm zu mir Köschen, denn niein Grab iſt Dein

rab!

Gasda ſprang auf und kref in fieberhafter Aufregung
durch das Zimmer. Endlih blieb er vor feiner Zochter
itehen und nahın ihr Gejicht in feine Hände. „Willit D
mich wahnſinnig machen. Kind? du fiehſt und fühſt
meine Sorgen, ſiehf Du denn nichts, fühlſz Du nichts
von der Liebe, die ich zu Dir hHabe, von der Liebe, Die 10
aroß ift, daß ich für Didh jterben möchte, um Deinetwillen
zum, Verbrecher — werden konnte?“

‘ Roschen riß ſich aus den Händen des Vaters los und
wich vor ihm zurück.

Vater/ nicht dieſes Wort,“. rief ſje entjeßt, „nimm e
zurück diefes fürchterliche Wort, es klingt wie ein Aluch
in meinen Ohren, e3. iit.. mein , Todesurtheil ! _ Mein
Gott, mein Gotrt, wenn Du eS ſchon — e& wird mir
dunfkel vor den Augen — ich ſterbe — Bater, Mater, wo
biſt Du ?“ * ; '

Sie griff mit ihren Händen in die Luft, ein Bittern
durchlief ihren. Körper, ſie brach in HO zujamınen.

Mein Kind, mein armes Kind !” rief aufjammernd
der RKentmeilter. und itirzte neben ihr auf Ddie Aniee,
Bleich und kalt Iag jie da. Sr hHob ihren Kopf empor
und füßte ſie auf die Lippen die Wangen und die
Margen: - Wach auf, wach anfy“ Kind! Ich bin e6, Dder
Dicdh xuft!. Dein, Vater ruft Dich.! Sterben? . Sterben,


Du ſtirbſt!

Er nahm die leichte, zarte Geftalt in ſeine Arme und
legte ſie ſanft in ſeinen Lehnſtuhl.

Da hebie er plötzlich zuſammen — Leichenbläſſe über-
zog ſein Geſicht

„So lag ſie auch da,“ flülterte er, den ſtieren Blict
auf jein Kind geheftet; „Jo lag ſie auch da — 10 ward jie
guch getragen“, jrie er in wüder Qual auf. Er ergriff
ihre Hand und ließ ſie zuſammenſchauernd los „Kalt —
todt, 1012

Er warf ſich vor ihr hin und fprang wieder auf und
warf ſich wieder hin; er ſtreckte die Urme empor und
jchüttelte drohend ſeine Jäute, er ieß die Arme wieder
jinfen und faltete die Hände — er betete, aber ſein Gebet
klang wie ein letzter, verzweifelnder Tvdesjchrei, eS war
ein frevelhafter Spott auf die Gnade und Barmherzigkeit
———— —

Herr Gott im Himwel, e’barme Dich meiner !” betete
er. „®ib mir mein Kind zuxück und idh will das Ver-
brechen gut machen, das ich begangen, will ſie befreien-
die ich gefangen halte, und dem Leben und ihrem Gatten
zurückgeben wie Du mir mein Kind zurücdgibit, morgen
jdon, nein, noch Heute, noch in dieſer Nacht !”

Wollte der Slende mit dem Himmel feilichen ?

Er ließ den Kopf auf die Knier feiner Tochter ſinken,
die Lufregüng hHatte jeine Kräfte erſchöpft, :

Und wieder bebte er zujammen — fein Kind regte
ſich Er fuhr empor — Röoͤchen hatte die Nugen geöffnet,
ein matte3 Lacheln ſpielte um ihre Lippen. Er {prang
auf, er"riß jein Kind an feine Bruft — fein Rind. lebte,
er hatte e3 wieder, — er Hielt e& in jeinen Armen, an
jeinem Herzen! Hatte ſich der Himmel feine Gnade ab-
kaufen laffen, oder war er Langmüthig, wollte er dem
Vexbrecher nur ‚BZeit geben, ſeine Schuld zu ſühnen, damit!
nicht das Kind heimgeſucht zu werden brauche, oh der
Schuld des Vaters? „IH glaubte ſterben zu müffen”,
flüſterte Röschenm. rn ;

„Du lebſt mein Kind, und dem Himmel ſei Dank, daß
Du lebſt.

* Fortſetzung folgt.)


 
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