Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Pfälzer Bote für Stadt und Land (28) — 1893

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44152#0947

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
*

Ze




gen{tänd®
grgflb‘“"“’

1898
2


MI

4
Manl

bei
yauch,
rei
adem










Elcheint täglig mit Kusnahme dır Gonns zud Keiertage
Eamftags mit UnterHaliungsbeilage. Preis vierteljährlich
Bil. 1.20 odre Trägerlohn u. Bokasffhlag. Befelungen
—__ Sei den Voßaͤußalter 1, bei der Expebition Zwingerfiraße 7.



AnzeigesBlatt für bie Amiabezirle Heidelberg,
Ladenburg, Weinheim, Schwetziugen Vhilippaburg,
Miesloch, Bruchfal, Bretten, NeXargemünd, Mosbadh
Wberbach, Buchen Walldurn T.-Bi Ch., Wertheimse,











&?30 Fulius Zecker in Heidelberg.

alhorllichet Redatteur:



Seidelberg, éfififiau‚ den 0, Oftober 1898.

Druc/ Verlag u Expeditivn von Gebr. Yuber
in eidelberg, Zwingerſtraße 7.



A. Jabrg,







Beſtellungen

auf den „Pfälzer Boten werden fortwährend bei
ſammtlichen Poſtanſtalten, bei unſeren Trägerinnen
ſowie in unſerer Expedition Heidelberg, Zwinger-
traße 7, entgegengenommen.

Verlag des „Pfälzer Bote.°°

—_-
%nlitiid)e Wochenüberfiht.

® Heidelberg, 7. Oltober.

Endlich iſt nicht ewig! Nun endlich hören wir
Us Berlin etwas über die geplante Tabakſteuer.
Ein offiziöjes Blatt bringt die Sinzelheiten, und wenn
©8 fein bffiziöſes Blatt wäre, dann könnte man beim
efen diejer Miquel-Poeſie glauben, ein politiſches
Vitzblait habe fich einen Scherz erlaubt. Der Plan
iſt ſo fein geſpoͤnuen, daß auch noch nicht ein Eigar-
kettchen mehr ins Publikum gelangen kann, ohne daß
die Steuerbehörde. ihm ihre uͤebeboͤne Fürjorge Hätte
angedeihen laͤſſen. Der Kernpunkt iſt folgender: Die



gut, denn er muß eine „Doppelte“ Buchführung ein-
richten; nämlich eine fuͤr die Steuerbehörde. Zu
ihrer Bequemlichkeit muß es jederzeit gut ſchwarz auf
weiß zu leſen ſein, was am Tabak eingekommen und
an Cigarren und Cigaretten ausgegangen iſt. Die
Steuerbehörde kann dem Manne alſo auf Heller und
Pfennig ſeinen Umſchlag berechnen; denn auch das
Fakturenbuch muß es ſich gefallen laſſen, daß ein


als es ihr beliebt hineinſteckt.
behörde dafür, daß am Jahresabſchluß eine ordnungs-
mäßige Aufnahme des Waarenbeſtandes ſtattfindet;
all es um{jonft.
werden ſich bequemen müſſen noch ſchleunigſt eine
Handelsſchule zu beſuchen, um die Buchführung zu er-
ſernen; doch iſt die Steuerbehörde auch hier ſehr



Zoll {oll um den entfprechenden Betrag gekürzt wer-
den. Die Fabrikatſteuer wird für verſchiedene Arten
rerſchieden feſtgeſtelit. Das einzig angenehme iſt, daß
ie Steuerzauf Rauch⸗, Kau⸗ und Schnupftabak „an-
gemefjen“ herabgeſetzt werden ſoll! Wie hoch die
igarren und Cigaretten gleichmäßig beſteuert
Wwerden ſollen, das iſt nicht geſagt worden. Nun
fommt aber die Ausführung: Die Tabalfabrikanten
berden ſich — falls dieſer Plan Geſetz wird — ſo-
fort eine Extraftube flr den Herru Steuerbeamten
anſchaffen müſſen, denn dieſer Herr konmt ihnen nicht
Mehr aus dem Hauſe heraus. Wie ſein Schatten
folgt dem Fabkitanten der gehorfame Diener des
Herrn Miquel. Von der Ankunft des Tabaks bis
zum Verlaſſen der Fabrik iſt ſein Herr nicht mehr
Lerr über ihn. Die Steuerbehörde hat wachſames
uge über alles. Das Lager des Rohtabakhändlers
erhält zwei Schlöſſer, das eine verſchließt — die

teuerbehörde. Dafür iſt dieſe Steuerbehörde aber
D gütig und will dem aiſo unter ihrer Obhut ſtehen-
den Tabakhändler — man deute nur wie großmüthig
— feine „Sebhbühren“ für die Beaufſichtigung be-
rechnen. Der Fabrikant nun hat 23 nicht halb ſo







möglichſt erleichtern und auch dieſen, wie den Großen,
Steuerkredit gewähren. Wir glauben aber auch, daß
der Beſuch einer Handelsſchule überflüſſig iſt, denn
Herr Miquel wird auch den Kleinen das Buchführen
ſchon „beibringen? Wenn nun doch, trotzdem die
Steuerbehörde den Schlüſſel zu den Lagern beſitzt,
wenn trotz doppelter Buchführung noch ein Zigärr-
chen ſich durchgeſchmuggelt haben ſollte oder könnte,
dieſer Verbrecher wird doch nicht eher ſein Leben
verrauchend enden, bis die löbliche Steuerbehörde
auch „einige Züge“ mitgethan hat.
einfach! Äuch die Cigarrenhändler müſſen 4
ſorgfaͤltig eine Steuerbuchführung einrichten, auch ſie
müffen genau ihre Einkäufe den freudlichen Aeuglein
der Steuerbehörde öffnen. Denn — noch iſt des
grauſamen Spiels nicht genug — wird, „wenn?,
der Entwurf Geſetz Werden ſoͤll, auch noch eine kleine
mäßige „Nachbeſteuerung“ der gerade vorhau-
denen Fabrikate erfolgen. Herr Miquel iſt doch in
der That ein Finanzgenie allererſten Ranges. Im
Geiſte ſehen wir ihn hold-freundiich in ſein einneh-
mendes Fäuſtchen lächein, denn er hat ein Meiſterſtück
gemacht: Er hat alle Vorzüge des Mono-
pols erreicht, und das Unangenehme den
Behörden hübſch erſpart. Dieſe Erfindung verdient
patentiert zu werden. Es iſt ein glattes Geſchäft!
Um den Verkauf kümmert man ſich nicht, aber das
Verdienſt iſt ein ganz hübſches! Wenn — wenn nur
der Reichstag keinen dicken Genieſtrich durch den
Genieſtreich macht.

Die Ruſſen ſind ganz bedeutende Leute geworden.
Ganz Europa ſieht ihnen ein wenig nach den Augen.
Jetzt ſind ſie im Berlin und „verhandeln“ wieder




luſtig weiter über einen Gandel&vertrag. Viel
Aufregung und Unruhe haben die Diplomaten von
der Knute mitgebracht. Der Bund der Landwirthe,
deſſen Zeitung in 160, 000 Exemplaren verbreitet wird,
ſtürmt mit geſchloſſener Fronte gegen die von Ruß-
land zur Bedingung gemachte Herabſetzung des Korn-
zolles Noch braucht man ſich aber mit dem Reſuitat
der Verhandlungen nicht den Kopf zu zerbrechen, denn
noch hat man ſich erſt darüber verſtändigt, daß bei
den Berathungen — franzöſiſch geſprochen wird, weil
Da iſt es kein
Wunder, daß es an Verſtändigung fehlt.

In Bayern ſind die fünf „SGenoffen“ zum erſten
Male in den Landtag eingezogen! Kaum, daß die
feierliche Eröffnung der Kammern ſtattgefunden hatte,
da kam auch ſchon Genoſſe Grillenberger und brachte
einen Antrag auf Abänderung des Landtags-
Wahlrechtes in Bayern. Dieſe ganze lauge Arbeit iſt
leeres Stroh, denn die Herren Antragſteller ſagen ſchon
ſelbſt, daß ſie auf einen Erfolg nicht rechneten; aber
warum denn all die Arbeit? Es iſt das Liedchen,
welches den Arbeitern ſtets vorgeſungen wird: Die
Sozialdemokratie allein rettet das Volk im Zukunfts-
ſtaat, der ich weiß nicht wie und ich weiß nicht wo
und ich weiß nicht wann etabliert wird. Probatum
est! {

In DOeſterreich ˖ Ungarn iſt Herr Wekerle
der Mann des Tages. Er reiſte extra nach Wien
zum Kaiſer, um dort die Genehmigung zur Einbring-
ung der Geſetze über die Civil Eye zu erlangen.
Nun wird man geſpannt ſein dürfen, was der „her-
vorragende Freimaurer erreichen wird. Daß man
ſchon von ſeinem Nachfolger munkelt, iſt zwar nur
ein Gerüchi, aber daß es hat entſtehen können, iſt
ein Beweis, daß man an maßgebender Stelle keine
Sympathieen vorausſetzt für die kulturkämpferiſchen
„Wohlthaten“ des Herrn Wekerle.

Italien bereitet ſich vor, die engliſche Flotte mit
ähnlichen Feierlichkeiten und Feſten zu empfangen,
wie ſie Frankreich ſeinen innigſtgeliebten Ruſſen bieten
wird Man läßt trotz dem Mangel an Kleingeld ganz
erkleckliche Summen ſpringen. Zu Tarente, Neapel
uſw. ſind die Feſtkommiſſionen ſchon rüſtig an der
Arbeit. Wird das ein Jubel geben! — Sebr trübe
Bildchen vom „geeinigten SItalien“ werden fort und
fort in dem Römiſchen Bankenſchwindel enthüllt. Es


ſchon 9 Monate hin, aber noch immer iſt kein Ende
abzuſehen. Vom Miniſterſtuhl abwärts bis in die
verſchiedenſten Kreiſe hHat die römiſche Bank ohne jede







Freuer Liebe Lohn.

Roman von U. Roſen.
(aͤchdruck verb.)

d „Da Sie ſo leidend ſind, werde ich in dem anſtoßen-
n Zımmer ſchlafen ſo daß e nur zu rufen brauchen,
enn Sie meiner bedürfen.“

® ®iralda Ddankte dann Frau Latten mit herzlichen
2*

Wie ſchön iſt es hier”“, ſaate ſie, an das Fenſter tre-
tend aund in die Tiefe hinabjhauend.

„ das Alles ſollen Sie erſt im Sommer ſehen.
Danii iſt der Adlerhorſt ein entzückender, für eine Königin
igneter Aufenthalt. Unfere Blumen und unjere Treib-
Häufer find die ſchönſten auf der ganzen Iuſel Grosvenor
Keht auch diejen Landjig jeinen anderen Schlöffern und
%&tärr}‘ vor. Seine Reſidenz hier in Wales iſt ihm die
$ Die mürdige Haushälterin plauderte noch lange fort,

le Güte, GroßmuthH und alle übrigen Tugenden ihres

Derın preijend. . ;

Das junge Mädchen empfand ein eigenthümliches Ver-
Anügen, dem Lob des jungen Manne? zu laufchen,. der
£it Dor wenigen Minuten mit dem GejtändniB von _ der
ägääfllä?e{tn noch ſo Unglücklichen geſchieden war, ſie ſeine

Welt.

Kaum war Hiralda in die weichen Kiſſen ihres Bettes
gefunfen, {o empfing ſie ein tiefer Schlaf. Sie erwachte
£rit am nächiten Morgen, al3 die Sonne Ihon Hell in ihr

enſter {Ohien.

T Es muß jehr ſpät fein”, murmelte ſie, „und Paul iſt
\cher ihon unterwegs. 7 *
Bollitändig erholt kleidete ſich Giralda dann haſtig

Als Frau Latten leiſe und vorſichtig bei ihr eintrat,

Mar fie bereits fertia und uberrafchie die gute Alte durch

ihre friſchen Wangen.

OQwie wird der gnädige Herr ſich freuen“, rief die
Haushaͤlietin Sie vor ſeiner Mbreije noch zu jehen, . Er

glaubt Sie noch ſchlummernd. Wenn Sie die Güte haben
64 zu begleiten, können Sie mit Mylord früh-
ücken.
„Sehr gern Frau Latten und heute verfüge ich ſchon
* eſnen recht guten Appetit an dem Sie Ihre Luſt
aben.“
Lord Grosvenor aing im Speiſezimmer unruhig auf


* ſich ihm nahten Jetzt ſah er Giralda vor ſich
ehen,

„D, Ddas iſt ein unerwartetes Bergnügen“, rief er
febhaft. „Wie gut und liebenswürdig von Dir, ſo früh
aufzulteben, um mir noch in Lehewohl zu lagen und mich
von der Bejorgniß um Dich zu befreien. Jebt kann ich
@1&){ r?nit leichtem Herzen verlaſſen. Fühlſt Du Dich auch
wo “

„So wohl als möglih“, Iautete die Untwort, „Erzähle
den @Itern_ nichts von meinem Abenteuer, Baul. Doch ja,
e8 i{t nöthig, um ihnen mein Vertrauen zu Dir zu er-
klären, das die Theuren oHnehin begreiflidh finden werden,
* ſe Dich ſehen und Dir ın treuen lieben Augen

icdden.“ ,
Hrau Latten erſchien mit dem Frühſtick und meldete
der Wagen des Marauis von Trewor fahre eben dem
Bergweß empor.

Noch hatten Giralda und Lord Grosvenor ihre Kaffee-
taſſen nicht geleert, als die Stimme des Marquis von
Tremor gehoͤrt murde, der laut und gebieteriſch nach Gi-
ralda fragte.

— — —

32 Kapitel.
Hoffnungund Furcht.

* Lord Grosvenor ſprang auf und öffnete dem Gaſt die
Thür.

30 hahe geſtern von hier die Botihaft erhalten.
meine Nichte befinde {ich unter ihrem Schube“, jagte der
alte Herr ſeinen Standesgenoſſen qrtig begrüßend. „Darf





* 7444 — mich ſogleich zu ihr zu führen, mein junger
reund?!

Fräulein Arevalo iſt hiex,“ antwortete Lord Gros-
venor, die Thür noch weiter öffnend

Giralda trat dem alten Herrn zitternd und ſchuldbe-
wußt entgegen. Sie fürchtete er würde ihr dey beabſich-
tigten glüchtverſuch nicht vergeben und ihr die Wiederauf⸗—
nahme in ſein Haus verweigern

Der Marquis jah ihr mit einem wehmüthigen Blick
in die Augen, der ihr tief in die Seele ſchnitt!

Was bedeutet das Giralda 7“ fragte er, nicht z0rnig
aber ſehr ernit nach dem kleinen feſtlich geſchmückten Zrüh-
ſtückstiſch hinüber ſchauend „SIhH ging geftern Wbend, che
mein Neffe fortreifte, n Dein Zimmer, wo_ ich Deinen
Brief vorfand. In waͤhnſinniser Angit um Dich, befahl
ich anzulpannen, um in eigener Perſon nach Dir zu
Juchen. Ich ſyähte längs des Weges nach Dir aus, i
ſuchte Dich auf dem Bahnhof, in den Straßen, im Dorfe,
überall. Dann kehrte ich um, Weg und Steg {tundenlang
unterjucdhend, in jeden Abgrund ſchauend bei jedem Geroll
verweilend. Meine ganze Dienerſchaft war die Nachtüber
auf den Beinen und ich ſelbſt hin erſt ver zwei Stunden
in wilder VBerzweiflung im Schloß angefommen, wo ich
durch die Bolſchaft Lord Grosvenors Deinen UWufenthalt
erfuhr. Mir keine Ruhe gönnend, eılte ich hierher, um
Dich, wie es ſcheint, heiter und in faſt übermüthiger Laune
zu finden,“ ſchloß er bitter. 2

Theurer Onkel“, bat Giralda janft. „Muß ich mich
gegen DichH vertheidigen? Biſt Du wirklich im Stande
mich ſo zu verkennen?!

Die Strenge verlor ſich aus den pleichen Übernäch:
katen Zügen des Marauis. Er vermochte den zärtlichen
Bitten des unſchuldigen Kindergefichtes nicht zu widerſtehen
öffnete ſeine Arme und empfing die Weinende an feinem
Herzen. . . ;
Lord Grospenor bemerkte mit Erſtaunen, daß der
Marquis gleichfalls Thränen vergoß.

Fortſetzung folgt.)


 
Annotationen