ErfGeint tagiio mit Anusnahme der Sonns und Feiertage
Samftags mit Unterhaltungsbeilage. Preis vierteljährlid
, 1.20 ohne Trägerlohn u Boßanfiehlag: Beftelungen
__ Bet den Bofanfialten u. bei der Expevition Zwingerfraße 7.
ynzeiger-Blatt fat die MAntisbezirle Heidelberg,
Ladenburg, Weinheim, Shwebingen, Philippsdura,
Kietloch Bruchfal, Breiten, NeXargemünd, MosSbach
Werbacg Buchen Waoldärn,Z.-B1 ‘8h., Wertheimoc.
Berantmwortlicher Nebakienr :
Sulins Yoeder in Heidelberg.
Seidelberg, Dienliag, den 6. Zuni 1898.
Drua, — u Expebition von Gebr. Huber
im veidelderg, Zwingerſtratze?
Ar 06
A. Yabrg.
; & Geidelberg, 5. Juni.
Man ſchreibt uns:
In ganzen Schaaren werden die ſozialdemolra-
niſchen GEintreiber und Wahlmacher in die Wahl-
reiſe geſchickt wo ſie nur irgend etwas zu errrichen
Doffen, wie Honig fließt ihnen das Wort vom Munde,
wenn ſie darauf kommen, daß fie, und nur ſie, die
Lahen allein die Freunde des Arbeiters ſind; der
Dozialdemokratie, der „Arbeiterpartei“ muß man in
Folge deſſen die Stimme n geben, ſie allein verheißt
das Geil. Wer glaubt’8 ? ı
Die ſozialdemökratiſche Partei hat eine ſo wohl-
Lrültte — . h. aug den Sparpfennigen von ihr be-
thoͤrter Arbeiter beſchaffte Parteikaſſe, wie keine
andere auch nur annähernd, jedenfalls har ſie doch
damit etwas zum Wohle der Arbeiter gethan? Biel-
eicht zahlreiche Krauken- und Unterſtützungskaſſen
gegründet ? Nein, keine einzige. Oder unter der Hand
bedürftige Parteigenoſſen geholfen? Allerdings wenn
ſich hatte, erklärte es, das ſei ein „DruckfehHler“
geweſen! Wer nur in etwa in der Preſſe bewandert
wird ſagen müſſen, dieſe Augrede ſei ſo lächerlich, als
wenn mar ſagen wollte, auf einen ſozialdemokratiſchen
Agitator fiele beim Platzregen nie ein einziger Tropfen.
Im Februar d. 8. hatte eine ſozialde mok ratiſche
Wittwe in Volg ſich bitter beklagt, ſie habe nach
dem Tode ihres Mannes keine paſſenden Kleider um
Geld für die Kleider wurde ihr beſchafft, aber anſtatt
zum Abendmahl ging ſie zum — Maskenball, um
dort al8 „Cirkusfönigin“ zu glänzen. Der ſtettiner
ſozialdemokratiſche „Volkshote⸗ fand das ganz in der
Ordnung und meinte: „Schließlich kann man doch
einer Wittwe e& nicht verdeuken, wenn ſie ſich einmal
der Eintreiber auf Suche nach neuen „Genoſſen“geht,
bekommt er ſein gutes Geld aber für den in Noth
gerathenen Familienvater, für die arme Wittwe, für
die elenden Waiſen hat die Laſſe keinen Pfennig übrig,
die werden an die Armenkaſſe der Gemeinde verwieſen
der Krante, die Wittwe, die Waiſen kynnen ja nicht
ten d. H. den Leuten die ſozialdemokratiſchen
Luftſchlöſſer ſchüdern und ſie für die Partei eins
angen, deshalb hat die Partei an ihnen kein Ju-
terejje. Und wie „menjdhenfreundlih“ ſie überhaupt
find! Bei dem leßten tollen Kohlenatbeiter Ausſtande
Arbeitswilligen Bergleute verhafteten Bergmannes in
Seljenkirchen in die bitterſte Noth gerathen ſein Es
Yätte das wahr ſein können, aber es wurde heigefügt,
die Stadtbehörde habe der Frau die noͤthigſte Unter-
tüßung verweigert. Das Cine wie das Andere war
Maskenbail geiragen iſ Alſo eine P ortion
Qügen iſt cuch nach ſozialdemokratiſchem Begriffe
ganzegal, wenn es nur der. Partei oder den
„Unſere Ziele gehen
auf das Allgemeine, um einzelne Perſonen kümmeren
wir un nicht,“ hal Bebel im April 1892 geäu-
Der Sinzelne mag verkommen und ver-
ergeſchichten in den ſozinldemokratiſchen Biättern; die
rethe „Rhein. Weſtf Arbeiterztg.“ in Dortmund mußte
Wre Argaben widerrufen, ſie that es, indem ſie ſagte,
* Behauptete ſei „Leider unwahr.“ Alſo das
Blatt bedauerte es, daß eine Familie nicht in Noth
zUum Henler ging! Später, als e& werkte, daß dies
Leue Geſtäudniß doch etwas zuviel Pfui⸗Artiges an
ſo lautet der eifrig befolgte ſozialdemokratiſche
Grundſatz.
Die ſozialdemokratiſche „Arbeiterfreundlichkeit iſt
geradezu rührend. In der Partei, ſitzen viele reiche
Qeute, fogar Millionäre, aber daß ſie für wirklich
wohlthätige Zwecke auch nur einen Groſchen hergege-
ilt bisher nicht bekannt geworde Auf
welche Weiſe die Firma Gebruder Singer am Werder'⸗
ſchen Markte in Berlin, welchex der ſozial demokratiſche
jüdiſche Reichstagsabgeordnete Paul Singer angehörte,
durch Ausbeutunz der Arbeiterinnnen Bermögen er-
woͤrben hat, iſt allbekannt. Singer, der Milionär,
iſt natürlich auch einProletarier?, und. recht ſtandes-
gemäß fuhr er zum erfurter Parteikongreſſe als „Ver-
treter. der Aımen“ erfter Klaſſe, mit ihm die von
den Arbeitergroſchen geſpeiſten Herren Auer und
Bamberger. Iſt das nicht ſelbſtlos und muß der
arme Arbeiter darin nicht einen Sporn finden, ſolchen
„Proletariern“ſ
iam Anfangs Dezember 1891 in einer
der ſozialdemokratiſchen Partei war, nachdem er
Werkführer geworden, von den anderen Arbeitern
und „Genoſſen“ verlangte, ſie ſollten ihn als
„Herzn“ und natürlich mit „Sie“ anreden; die
Sache blieb unerledigt, weil die Verſammlung „nicht
zuſtandig war. Das nennt man ſozialdemokratiſche
Gleichheit“ und „Brüderlichkeit'. Solcher Fälle lie-
ßen ſich Dutzende erzählen, welche beweiſen, daß bei
den Herren Agitatoren und Wanderrednern die ganze
Thätigkeit nichis weiter iſt, als ein Geſchäft,
Heranziehung von, Dummen und Ausbeutung der-
felben für die ſoziaidemokratiſchen Zwecke, ſpeziell zum
Stimmenfang und zur Schröpfung für
die Parteitaſfe. Sobald das /Geſchäft“ aufhort,
iſt es auch mit dem ſozialdemokratiſchen Eifer zu En-
de, das haͤt ſelbſt das offiziele Parteiorgan indireli
zugeſtanden, der „Vorwärts“, welcher am 27. Nov.
1892 wörtlich Folgendes ſchrieb;
Zur Referentenfrage. In letzter Zeit
wußten mir die Erfahrung machen, daß eine Reihe
ſich als Genoſſen gerirender Perſonen, die in Ver-
ſqiimlungen als Referenten auftraten, ſich für die
VBorträge, die ſie hielten, derartige Hohe Hono-
rare dezahlen ließen, daß man uuwillkürlich zu der
Aunahme gezwungen wird, es ſei dieſen Herren weni-
ger um das Intereſſeder Arbeiter, als
um ihren eigenen Vortheilzuthun. Was
ſoll man z B. daazu ſagen, wenn die Perſonen,
die wir in's Auge faſſen, ſich für einen kleinen
Vortrag in einer Gewerkſchaftsverſammlung
10Markunddarüber bezahlen laſſen?
Harmonieren derartige Praktiken mit dem altbe-
währten Grundſatz, daß jeder Genoſſe in ſeiner
Weiſe Opfer bringen ſoll? Uns dünkr, daß durch
ſolche Leute unſere Sache nicht gefördert wird
Die Frage des „Vorwärts“ machen wir ganz zu
der unfrigen, nur möchten wir beifügen, daß die
ſozialdembkratiſchen Aattatoren durch die Bank
voͤn dieſem Kaliber find. Ihr ganzes Wirken und
Futterſack der Partei für ſie zugemacht würde, fiel
e3 innen im Traume nicht ein, * nur einen Finger
fuͤr die ſozialdemokratiſche Sachkzu rühren, von
macht wird“, abgeſehen. Das iſt der „rothe Bruder“,
Wer hat Luſt ihm ſeinen —
Stimmzettel zu verſchreiben?
Deutſches Reich.
*Berlin, 4 Juni. Nach der „Nationalliberalen
Correſpondenz / iſt die Exöffnung des Reichstags erſt
für den 4. Zuli in Ausſicht genommen.
Die feinðlichen BDrüder.
Koman von H. v.Nemagen.
(Nachdruk verb.)
Ihr dachtetfrüher anders, wie mir ſcheint,“ unterbrach
er Sprecher. :
Das it wahr !“ fuhr der Lumpenſammler fort. „Seit
125
ihn
j9_mebhr für Euere Sache, als meinem Geſchäfte nach
ON Ort zu Ort und von Haus zu Haus gezogen bin und
8 Vieleı rechtichaffenen und verftändigen Lenten, o)’3
waren oder Arbheiter, Eigner oder Angehörige,
über Diejes oder Jenes gejprochen hHabe, erfcheint mir
Db“mf)eé in einent anderen Lichte, und bevor ich nicht weiß,
> das Nenue bhefjer jein wird, al das Alte, mag ih nicht
qugı helfen, Diejes aus der AWelt zu jchaffen. Ich habe
* gefehen und erfahren, Ddaß Diejenigen, weldhe das
6 iroß jeiner Mängel behalten wollen, die ordentlichen
Hajten Männer find, die Neuerer dagegen, umgeworfene
m?ieflem Tagediebe Faullenzer, die gern von dem leben
m?%ten‚ waß jene erworben. und erfpart hHaben. Und das
4 erum ijt es, ma3 midh von Euch wegführt. I0O bin
x en, Heır, weil ich eS jeim darf: ich war auch einit ein
Haullenzer und Böller und Habe verpraßt, was mein Vater
* Schweiße jeines Ungelicht3 erjpart hat — aber ich ſühl
g“\f)‚ daß er ein befjerer Mann war, als ich e8 bin.
* nun nehmt das Geld zurück, was Ihr mir gegeben,
mm den alten ThHorwart zu einem ungetireuen Diener zu
m“fbem‚ und laßt mich ziehen; ich habe Weib und Kind,
elhe ich mit meiner Arbeit ernähren muß.“
® flnßa‘ét ihn nicht fort, den Verräther,“ frächste der alte
ollac und der ſchwaͤrze Feter {prang auf und packte ihn
am Brufttuch.
5:_nms?!ßnufiaet den Schurken,“ ſchrie er, „in’s Waſſer mit dem
Gebt den Mann frei, Schmied !“ ſagte der Sprecher
* legte {jeine Hand auf den Yım des ſchwarzen Beter.
i'hn‘„ffebt unter meinem Schuß und ich bürge auch für
2
gekommen war, und umſchloß die Kehle des Lumpenſamm-
fer3 mıt jeinen Fingern wie mit eijernen Klammern
Da faujte bligjhnell ein Sülag durch die Luft und
diejer zurüctanmelte und aufftöhnend Dden Kopf in die
beiden Hande nahm; der eine von den Begleitern des
Sprechets hatte ihn geführt. . . .
. „SGeht heim, Mann,“ jagte diefer ıuhig zu Ddem Be-
freiten, „Euer Weib und Cuere Kinder föllen des Ernäh-
ver3 nicht entbehren, aber haltet SCuch {til, wenn Euch
Euer Leben lieb ijt! Das Werk der Rache würdet Ihr
doch nicht hemmen können!!
Der Lumpenjammler entfernte ſich °
„Shr aber, Ireund Beter,“ fuhr er zum Schmiede ge-
wendel fort, der brummend auf jeinen Platz zurückgelehrt
war. „vergeßt nie mieder, Daß IOr mir und meinen Befehlen
SReipekt jchuldig ſeid Wir haben auch Jäuite, die iich auf’s
Dreinihlagen verftehen; i Denke, Ihr wexdet an der
einen Vrobe genug haben. Ich bürge für den Mann, das
— genügen, Ddenn feid verlichert, Ener Berlangen,
in die Schaßkammer des Schlofjes einzudringen, fann nicht
größer jein, als das meinige, dem Grafen Aug in Aug’
gegenüberzuftehen.“ *
„Wünijeh nur, daß Shr es nicht zu bereuen haben
werde grollte der Schried
„Die Sorge überlagt mir, Zreund! Der Mannn i{t ein
Narr, und Narren find nicht gefährlich, mag er darum mit
jeinen Qumpen und Gedanken Weiter durch die Welt
5ig%en. Unjer Weak hat Männer nöthig, die zu handeln
wiſſen!
Ihr ſcheint eine ſonderlich aute Meinung von den
Qeuten zu hHaben, jonit hättet Shr den nicht laufen und
mich {mlagen Lafjen, weil ich ihn hakten wollte; habt wohl
auch noch wenig. üble Erfahrung in Eurem Leben
gemacht !“
Ein
Ihr mögt
entgegnete er,
verſtehe ich me
“
in Eurem Handwerk ein Meijter fein,
„aber vom Leben und von den Menichen
Or, als Jhr, und was die üblen Erfahrungen
angeht, ſo ſeht Ihr mir allerdings aus, als hättet Ihr
derſelben wenige, an Anderen, AWndere dagegen an Cuch
ſchon viele gemacht. Auch ich verjehe mich keinez Guten
von Such, vor der Hand aber iit Eyere ©ier nach Ddem
Gelde des Grafen Hohenau grüßer al3 das VBerlangen, an
mir ober meinem Begleiter Kache für den Schlag zu
nehmen, den Ihr naͤch Fus und Recht erhalten Habt. Ich
hoffe, daß Shr zur rechten Zeit und auf dem beſtimmten
la nicht fehlen werdet.”
„Das hoffe ich auch,“ brummte der ſchwarze Veter,
als der bleiche Mann mit ſeinen Begleitern die Stube
verlaflen hatte, „und gut taxirt hat er mich ebenfalls!
Aper der Teufel müßte mich ganz unermartet holen, wenn
ich ibın und dem Anderen den Schlag nicht mit ſo vielen
Binjen zurüczahle, Ddaß fie ihr Leben lang genug daran
haben, die böhmijdhen Schufte !” ; i
„DaZ war kein feines Wort, Meiſter Schmied,” ſagte
Dziubec der unpemerlt eingetreten war: Schuft iſt
Schuft, ob er in Böhmen gewachſen iſt oder in Schleſien.
Budem kommt, daß dex Mann, von welchem Ihr ſprecht,
der mit dem bleichen Geſicht und dem dunkten Bart, aar
fein Bohuie ijt, fondern ein Schlefier we Shr; wiren
Sure Ohren weniger groß und etwas feiner, Ihr würdet
e8 länyit herausgẽhört haben —“
} „Sin Landamann alſo — ei, das hätte ich mir nicht
träumen lajlen ! Doch, wenn Ihr ſo viel von ihm wißt,
fönnt SOr uns wohl noch mehr erzählen! Kommt und
jebt Such zu ung! Den „böhmijdhen“ braucht Ihr mir nicht
übel. zu nehmen Drüben Heißt’S Halt der „Ihlefiihe“ !
‘ Man {pridht e3 fo in die Welt hinaus, ohne ſich etwas
dabei zu denken.“
Mag ſchon * wie Ihr jagt, Meijter!” entgegnete
der Böhme und kam der Aufforderung nach „Was Ihr
aber gern wiſſen möchtet, werD’ ih Euch nicht ſagen fönnen,
ich weiß nicht, wie der Mann heißt und von wo erftammt,
fenn’ darum auch nichts von ſeiner Verwandtſchaft.“
Fortſetzung folgt.)
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