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Pfälzer Bote für Stadt und Land (28) — 1893

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Erfheint täglig wit Augnahme.ber Gonne nnd Beiertage
Samfags mit UnterhaltungsBeilage ‘ BPreis vierteljährlidh
B, 1.20 obne Krägerlohn x. Boßanffehlag. BeßeNlungen
Sei den Boflanfialien . bei der Grpebition Awingerkraße 7.




für Stadt



Ynzeiger Blast ür die Amisbezirle Heidelterg,
Ladenburg/ Weinheim, Schwetziugen Philippsturg,
Wiekloc, Bruchfal, Breiten, Nedargemünd, Mosbadh
aberbach/ Suchen Walkdürn,£.-Bı &,, Werkheinvse,















Verantwortlicher Redakteur :
S, B.:; Rarl Huber in Heidelberg.








Dract, Verlag u ESrpedition von Gebr. Yuber
in geibelbderg, Ziuinugerüraße 7.





26. Sabrn.







Beſtellungen
auf den Pfälzer Boten werden fortwährend bei
ſammtlichen Poſtanſtalten, bei unſeren Trägerinnen
ſowie in unſerer Expedition Heidelberg, Zwinger-
traße ?7, entgegengenommen.

Verlag des .„„Pfälzer Bote.°°

* ur yarteipolitilhen Lage in Baden.
(Schluß.)





am den ;
glaubt und nicht hoͤher ſchwört, als auf die politiſche



wo man noͤch nicht einſieht, daß es mit den National-


karren im Sumpf ſtecken bleiben joll. Das muß
gründlich anders werden! Die ganze Kraft Ddes
katholiſchen Volkes muß geweckt und entfeſſelt werden;
und daͤfür wüßten wir kein beſſeres Mittel, als einer:
ſeits Verbreitung der katholiſchen Preſſe u. andererſeits



Man ſoll ſich nicht allein auf das Ceniralkomitee in
Freiburg verlaſſen, der Parteileitung alle Arbeit
Iberlaſſen, jeder ſoll in ſeinem Wirkungskreiſe ſeine
Pflich: thun.
haben zuͤr Parteileitung und das ewige Nörgeln,
kritifiren und Beſſerwiſſenwollen einmal unterlaſſen.
Wo ſolche Maͤnner an der Spitze ſtehen. wie v. Buol,
Fiſcher, Bariß 2c. da iſt die Führung in guten Hän-
den. Gewöhne man es ſich ab, auch in katholiſchen
Kreiſen den Führern, die ihre ganze Arbeitskraft
und Schaffensfreüde in den Dienſt der Partei ge-
ſtellt haͤben, des Kampfes Laſt und Hitze tragen, das
Leben zu verbittern.

Volle Klarheit muß herrſchen über die Situation.
Von der Regierung haben wir nichts zu erwarten,
noch weniger von dem Nationalliberalismus Kiefer-
Fiefer'ſchel Färbung. Darüber dürfte wohl doch
überall Aufflärung. gekommen ſern nach all den irüben
Erfahrungen, die wir gemacht haben, namentfich was
ſich ſeit dem Jahre 1886 in unſerem Lande abgeſpielt
hat. Auch darüber muß Klarheit herrſchen, daß wir
unſer gutes Recht nicht erbetteln dürfen das wäre
freier Maͤnner unwürdig! — wir müſſen es uns
erkämpfen mit dem Stiminzettel in der Hand. Wir
erreichen und gelten nur ſo viel, als wir ſind,
die politiſche Stellung allein ſchafft uns Macht
und Reſpekt. Wie oft ſoll man das noch
ſagen?

Damit wır unſer Ziel erreichen, iſt vor allem
noͤthig Aufrüttelung des Volkez aus dem Schlummer,
in den e& der Naͤtionalliberalismus eingelullt hat,.
Aufktärung und Belehrung. In dieſer Hinſicht muß
noch viel, viel geſchehen. Denn leider gibt es im
ſchönen Badnerlande noch immer Gegenden, wo man




/


machen und unter die bewährte Fahne des Centrums
zu rufen Unſere Parole muß ſtets lauten: Immer
mit dem Volke, immer für das Volk!“ Wenn eine
Partei den Boden nicht verlieren will unter den Füßen
muß ſie mehr wie je mit dem Volke in Fühlung
bleiben, ſich auf das Volk ſtützen und des 5*
ohne
Scheu nach oben mit freiem Muth, „auch vor
Koͤnigsthrsnen. Und wiehe als jede andere Paxtei
muß das Centrum die Hand ſtets am Puls des
Voſtes hHaben. O das treue, biedere Volk verdient
es wohl, daß ſich ſeiner jemand annimmt! Mit ge-
ſundem feinen Juſtinkt fühlt es heraus, wer es gut
mit ihm meint, und die Parten die ſich die Zukunft
bewahren will und in der allgemeinen Verwirrung
und Zerfahrenheit nicht der Auflöſung anheimfallen
will, die muß die Wurzeln ihrer Kraft im Volke
fuchen, ſie muß eine Volkspartei ſein. Das Centrum
ruht lediglich und allein auf dem Vertrauen des
Volkes, und Windthorſt hat einſt das waͤhre Wort
geſprochen: „Das Centrum wird eine Volkspartei
fein, oder es wird nicht ſein! Das Centr um muß
jederzeit das Volkswohl im Auge haben, ohne Rüc-
ſicht nach oben, ohne Furcht und Scheu, ohne Zittern
und Zagen und äugſtlichem Umherſchauen, ob's auch
nicht übel genommen wird. Nur ſo wird es ſeinen
Halt im Voͤlke nicht verlieren, oder von einer Be-
wegung im Volke überrumpelt werden, wie es an-
ſchänend in Bayern der Fall war! Ja! Das Cen-
trum wird eine Volksparlei ſein, oder es wird nicht
jem ! .

Ein weiterer Umſtand darf nicht außer Acht ge:
laſſen werden. Wie bekannt, herrſcht auf dem Lande


über die neuen Beſtimmungen zur Sonntagsruhe, in
die man ſich noch nicht reht hineingelebt hat und
hineindenken kann Es klappt noch nicht ſo ganz
techt. Vor dieſen Thatſachen die Augen verſchließen








zu wollen, wäre Vogel⸗Strauß⸗Politik, die ſich bitter
rächen könnte! Die Unzufriedenheit wurde eifrig
geſchürt von der nationalliberalen Preſſe, voran von
der be -rühmten, Bad. Landesztg.“ und das Centrum
dafür verantwortlich gemacht, wenn ſich da und dort
Mißſtände und Unzuträglichkeiten ergaben. Als ob
für verfehlte Ausführungsbeſtimmungen, die auf that-
jächliche Verhältniſſe und Bedürfniſfe zu wenig Rück-
ächt nahmen, das Ceutrum verantwortlich wäre!
Die nation aliiberale Preſſe hofft mit ihrer Hetz und
Wühlarbeit gegen das Centrum im Trüben fiſchen zu
fönnen. Dieſe Unzufriedenheit darf nicht unbeachtet
gelaſſen werden, und wird mancherorts der Aufkler-
ung bedürfen, um die Unzufriedenheit und den dumpfen
Muth zu beſchwichtigen.

Schließlich müſſen die Wahlkreiſe ſcharf im Auge
behalten werden. Wenn die nothige Wachſamkeit der
nöthige Eifer fehlt, kann es möglicherweiſe noch aller-
hand Geſchichten abſetzen. Da und dort dürften Ver-
ſchiebungen eingetreten ſein und ſoll nur ja niemand
glauben, wenn wir einen Wahlkreis ſchon einmal ges
wonnen haben, wäre es ein Leichtes, ihn wieder zU
gewinnen. Dem verfrühten Siegesgefühl könnte leicht
ein Katzenjammer folgen. In Wah'kreijen, die erſt
erobert werden müſſen, iſt naturgemäß die Energie
größer, der Eifer lebhafter, die Arbeit bedeutender als
in folchen, die wir ſchon gehabt haben. In allen
Wahlkreiſen muß ſo gearbeitet werden, als 0O jeder
erſt gewonnen werden müßte. Von den Wahlkreiſen
waͤren ſchon im Beſitz des Centrums: Radolfszell,
Ueberlingen, Villingen Triberg, Eitenheim. Unſere
Ehre verlangt es, daß dieſe behauptet werden; aber
wir können ſie nur behaupten mit Aufbieten aller
Offenburg · Land, Achern Bühl BÜhl, *

on
den anderen Wahlkreiſen kommen für das Centrum in
Betracht: Engen, Donaueſchingen, Bonnorf, Freiburg,
Waldkirch; in Meßkirch-Stockach wird für ung nicht
viel zu machen ſein. Schapfheim, Lörrach-Stetten,
Loͤrraͤch⸗Land, Offenburg, Pforzheim-Stadt ı. ‚Cand,
Wiesloch⸗Heidelberg, Heidelberg Land wären Angriffs-
punkte für die Linksliberalen, event. für die Konſer-
vativen.

Die politiſche Atmoſphäre iſt ſehr ſchwül; bald
werden die Trompeten blaſen zum friſchen fröhlichen
Kampfe. Uns iſt nicht bange; der Sieg bleibt auf
der Seite, wo man die bürgerliche und religiöſe Frei-
heit hochhält und für des Volkes Rechte kämpft. Der
Sieg iſt der Partei, die im Volke wurzelt. Denn
das Volk hat im kommenden Kampfe das letzte Wort!















Treuer Siebe Sohn.

Roman von U. Roſen.
j (Nachdruck verb.)

„SIn welchem Theater ſpielt Ihre Mutter ?” fragte
Marquis. } )

„ScH weiß es nicht, Mylord. Papa und wir leben
auf dem Lande und Mana kommt nur jede Woche ein
Mal zu uns. Sie ſagte uns niemals, auf welchem Thea-
ter fie . ouftritt, und Liebt es überhaupt nicht, über dieſen
Gegenſtand befragt zu werden.“ ) ;

„A9, jie eritrebt für ihre Kinder eine zweifelloS hoͤhere
Sphäre“, bemerkte der Marquis, die Lage ſeines gichtfran-
fen Fuße3 vorjichtig ändernd, „und moͤchte ihre Aufmert
Jamfeit nicht erſt auf die Bühne lenken. Ich finde . das
ſchr Lobenswerth, Eine Frau mag gut, rein und edel fein,
obwohl jie Schaufpielerin i{t, aber nach meiner Empfind-
ung iit der Plag eines unjhuldigen jungen Mädchens
nicht vor den Lampen. Die Schmeicheleien u Huldigungen
die der Kunitlerin dargebracht werden, wenn ſie ſchön iſt.
müfen ihren Charakter ſchädlich heeinfluſen und ſie ihres
größten Reizes, der holden jhüchternen Weiblichkeit berau-
ben, die der Frau das was der zarte Pflanım dem Bfirkich
iit, der ſich bei leifelter Berührung verflüchtigt. Der Blid
einer neugierigen Menge iſt wie Mehlıhau für ein jugend-
liches Gemüth. Ihre Mutter iſt weije, für ihre Kinder
ein anderes Loos zu erwählen, als das, welhes Erziehung
oder eine traurig⸗ Nothwendigkeit ihr ſelbſt aufzwangen.
Tritt fie unter ihrem eigenen Namen auf ?“ —

„O nein Herr Marquis. Mein Papa - ift ein ſpani-
ſchex Graf, einer der vornehmſten des Landes, Mama Führt
in Ihrem Beruf einen anderen Namen. Wie dieſer heißt,
weiß ich nicht. *

n Ich hätte Luſt, ſie einmal {pielen zu jehen.
Mein Neffe Lord Ormond wird mix vielleicht Uustunit dar-
über geben fönnen. Doch nein, ſeit ſeiner Rücktehe nach
England wird er noch nicht Zeit gefunden Jaben, die Thegter
zu befuchen. Beiläufig liebes Rind, mwie denfen Sie über
Ormond?.

„Ich habe mir noch gar keine Meinung über Herrn

Lord Ormond gebildet”,
weichend

Gefällt er Ihnen?“

Giralda zögerte.

„ jehe, daß er Ihnen nicht gefällt,” bewerte der
Marquis. . „ bildete mir ein, daß er bei Ihrem An-
vlick ſehr beiroffen und hemüht war, ſeine Berwirrung zu
verbergen. Er fand offenbar Ihre Augen den Jemandes
ähnlich, den er und ich einſt kannten Ich ſah nie zuvor
Augen die ienen ſo wunderbar alichen Bliden Sie auf,
RKind. Laſſen Sie mich die Ihrigen genau
ehen”.
Giralda wendete ihre prächtige Augenſterne den alten
4 zu, der erſchrocken zurückbebte und bis in die Stirn
erblaßte.

„Mir fiel die Aehnlichkeit geftern jhon auf“, mur-
melle er. „Sie haͤhen eine offene und redliche Yatur”,
fuhr er nach einer Weile fort. „Shre Seele iſt Har und
rein und durchlichtig, wie KXryijtall ! Auch die ſeine hielt
ich einſt dafur Goit, wie iebte ich dieſen Anaben! IO
war ſtreng und kalt gegen alle Welt vielleicht auch gegen
ihn, aber ich ſage Ihnen, es gab eine Zeit wo ſein Lä-
cheln, der Ton jeiner Stimme die Machl bejaß, mein Herz
in allen jeinen Tiefen zu bewegen. Er war mein Abgott,
obaleich er mich ſtreng und kalt wähnte Ich würde für
ihn geſtorhen jein, wenn mein Tod den Anabden hHätte glück-
ſicher machen fonnen. Und wie vergalt er mir! Der Un-
danfbare! Der Elende!” .

Der alte Mann knirſchte dieſe Beſchimpfungen hervor,
als wollte er ſie wie thoͤliche Gejhofje auf Dden Knaben
Ichleudern, den er einft ſo zärtlich geliebt hatte.

Wer war er? fraagte ®iralda weiter mit zitternder
Stimme, 7*

Er war mein Neffe, meines Bruders Sohn, Gottirievd
Trewor“, erwiderte der Marauis mit finiterem Geficht ı.
unheimlich wetterleuchtenden Bliden. Ach er war ein
ſchöner, ſchelmiſcher kleiner Hurſche als er, ein Waiſenkind
zierſt zu mir fam. MWie oft bettete er jein goldlodiges
Röpfdhen an meine Bruit oder auf . meine Ante, um in den
jüßen Schhlummer der Unſchuld zu finfen, Wer hätte da-

antmwortete dann Giralda aus-

mals gedacht, daß ſeine innerſte Natur ſo verdorhen war?
Er wurde älter, aber ſein jonniges Weſen veränderte ſich
nicht, obwohl er vor mir eine Scheuzn empfinden lernte,
die ich vergebensS zu zerſtreuen bemüht war Er wurde
der beſte Reiter/ der beite Schütze der Grafſchaft, er fang
und ſpielte wie ein Muliklehıer, er eignete ſich fremde
Sprachen mit bewundernswerther Leichtigfeit an. Heder-
mann liebte ihn, jelbit die Hunde ſchenkten ihm ihre bejon-
dere Gunſt. Frau Bump, meine Haushälterin, hält noch
bis zur Stunde ſein Andenken heilig Und ich — ich ver-
götterte ihn.“ '

Des alten Mannes Stimme behte und das zornige
Roth ſeiner Wangen wich einer tödtlichen Bläſſe

— „SO-mag woͤhl zu {trenge gegen den Knaben geweſen

fein, das will ich zugejtehen“, fuhr er fort. Eduard Or-
mond, der Sohn meiner Schweſte und Goltfrieds Wetter,
war ſein bejtändiger Gefähxte Eduard war ein {hleich-
ender, vorfichtiger Schlingel. Er täuſchte mich nienmalsS Üüber
jeinen Charakter, wie er es ſich einbildet. Diejer tückifche
Bube wor es, der Gottfried zuerſt zu verſchwenderiſchen
Gewohnheiten verleitete. Die Thatjache hHabe ich ſeither
entdeckt, aber ſie fommt wenig in Betracht Gottfried muß
dennoch aus ſehr arnfeligem Stoff geweſen fein, wenn er
ſo leicht vom rechten Pfade abzulenken war.“

Armer Gottfried! jeufste Giralda.

Der Marauis blickte Giralda in einem zornigen Er-
ſtaunen an.

Hoͤren Sie mich an“, rief er. Sie ſollen erfahren
ob.er Jhres Mitleids werth war Eines Tages verwei
gerte ich Gottfried eine Geldforderung. Es Ichien mir
nofhwendig, ihn zu größerer Sparfamfleit anzuhalten, Dda*
mit er dereinſt als mein Erbe den reichen Beſitz meiner
MVäter nicht leichtfertig verfchwende. In der Nacht na
meiner Weigerung kam er in mein Schlafzimmer, Seraubte
meinen Geloͤſchrank und itürzte ſich mi: dem Dolche inder
Hand. auf mich, um mi zu ermorden. Er zielte ına
meinem Herzen, traf aber nur meine Schulter, Ih Wrang
auf, aber er ſtand mit leerem Blick undkregnng210S wie eine
Bildjäule vor mir. Er ſchien betäubt und nicht zu ahnen,
was vorging. (Sortjegung folgt.)


 
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