1858
Erscheint, Montags ausgenom- Anzeigen werden im „Mamchci-
1/1 men, täglich Morgens und kostet 16 mer Anzeiger" und dem täglichen
mit dem Ünterhalkungs-Blatte HI. . „Straßenplakat" die Zeile berech-
viertelsährlick LL kr. «et mit T kr.
Badischer Landtag.
S?. öffentliche Sitzung der zweiten Kammer.
Donnerstag, 14. Januar 1858.
Unter den übergebenen Bittschriften befinden sich eine
Eingabe der Schmalmetzger von Mannheim, theilweise Abän-
derung des Gesetzes über Entrichtung der Fleischaccise betreffend,
übergeben durch den Abgeordneten Achenbach; und eine Ein-
gabe des Handelsstandes von Konstanz um ein festgeregeltes
Handels- und Gewerbegesetz; — unter den Regierungsvor-
lagen befindet sich ein Nachtrag zu dem ordentlichen Budget des
Ministeriums des Innern, Tit. XI. „Wissenschaften und Künste"
für 1858 und 1859. Hiernach soll bei der Sternwarte in Mann-
heim, wie bereits im außerordentlichen Budget für 1858/59 der
Betrag von 6000 fl. als Aufwand für Instrumente vorgesehen
ist, so die Belohnung des daselbst anzustellenden Astronomen um
1200 fl. erhöht werden. — Zur Diskussion kam der Bericht
des Abgeordneten Bär v. K- über die Nachweisung der in den
Jahren 1855/56 eingegangenen Staatsgelder und deren Ver-
wendung und die Richtigkeit der bezüglichen Rechnungen, welche
nach einer längern Diskussion zwischen den Regierungskommissä-
ren und den Abgg. Artaria, Knittel, Achenbach, Nestler und Bär
v. K. wegen der Abgabe von faustpfändlichen Darleihen von
Seite der Großh. Amortisationskasse, über den Ertrag der Eisen-
bahnen und das ungünstige Anlehen vom Jahre 1855 anerkannt
wurden.
* Mannheim, 15. Jan. Der ehemalige Pfarrer Schlatter,
der seit seiner Entlassung aus dem Zellengefängniß zu Bruchsal
hier seinen Wohnsitz genommen, ist wegen seiner im vorigen
Jahre konfiszirten Gedichte zu 6 Wochen Festung verurtheilt,
welche Strafe er, dem Vernehmen nach, nächsten Montag antre-
ten wird.
7 Mannheim, 15. Jan. Stand der Fremden hiesiger Stadt
vom 14.—15. Jan-: 233 Personen.
Karlsruhe, 15. Jan. Gestern sind Seine Großh. Hoh.
der Prinz Wilhelm von Berlin hier eiugetroffen. Heute Nach-
mittag haben II. GG. HH. die regierende Herzogin von Sachsen-
Koburg-Gotha und der Prinz Wilhelm, ihr durchlauchtigster Bru-
der, die Reise nach London (über Paris) angetreten, um den da-
selbst stattfindenden Vermählungsseierlichkeiten beizuwohnen. (B.Lz.)
* In Stuttgart haben in den letzten Tagen 3 Bankiers
ihre Zahlungen eingestellt. Dieselben sollen den kleinen Häusern
angehört haben, welche meistens mit fremdem Gelde arbeiteten. Der
erste der Faüirten, Arleder, soll bei einem geringen Vermögen
eine Schuldenmasse von 3 — 400,000 fl. haben; der zweite,
Weiß, hat bereits von einem amerikanischen Schiffe geschrieben,
daß er nicht mehr zurückkehre; derselbe hat demnach wahrscheinlich
dem mißbrauchten Vertrauen noch Betrug beigefügt; über daS
dritte Geschäft, Sch. u. H., verlautet noch nichts Näheres.
* Die kurhessische Regierung hat ihre Appellation gegen
das freisprechende Urtheil in dem Hanauer Turnerprozeß zu-
rückgenommen.
* Am Abende des Einzugs des Prinzen Friedrich Wilhelm
von Preußen mit seiner Gemahlin, Prinzeß Royal von England,
werden in ganz Berlin alle historischen Punkte, welche vom
Schlosse aus gesehen werden können, mit Kandelabern von 50
Flammen beleuchtet.
* Das preußische „Herrenhaus" und das „Haus der
Abgeordneten" haben bereits ihre Konstituirungswahlen getroffen,
bei welchen die Rechte bei allen Stellen mit bedeutender Mehrheit siegte.
* Eine Erklärung des Ministerpräsidenten in dem preußi-
schen „Herrenhause" macht die Mittheilung, daß „das Erkennen
Vorstellen und Wollen des Königs" seit dem 23. Okt. v. I. so
weit gediehen sei, daß derselbe die Regierungsvollmacht für den
Prinzen von Preußen unterzeichnen konnte; am 3. Jan. letzthin
sei ebenfalls die „Disposition des Königs" so gewesen, daß er
diese Vollmacht erneuern konnte; weßhalb das Ministerium keinen
Anstand genommen habe, die Verantwortlichkeit dafür zu tragen.
* Die preußische Armee wird mit einer neuen Art Leder-
helme ausgerüstet; jedoch soll deren Einführung nur nach und
nach bei Neubedarf eingeführt werden.
* Die beiden evangelischen Gemeinden zu Wien kauften
sich in Folge des Concordats einen Friedhof um die Summe
von 7500 fl.; auf Befehl des Kaisers wird ihnen aus der Staats-
kasse diese Summe zurückbezahlt.
* Die „Oesterr. Ztg." deklarirt die Donau durch den in
diesen Tagen abgeschlossenen Vertrag der europäischen Großmächte
für den freiesten Fluß in Europa. Ein angenehmes Wort,
das ! Wollte Gott, man könnte von dem „freien deutschen Rhein"
dasselbe sagen!
* Ein Bericht des Pastors Kind über die in Italien
zerstreuten Protestanten rühmt, daß Graf Radetzky es war, der
den Evangelischen in Mailand zuerst erlaubte, unter seiner eigenen
Verantwortlichkeit ihren, durch die Civilbehörde untersagten Got-
tesdienst wieder aufzunehmen. Radetzky war Katholik und seine
Handlung deßhalb um so mehr zu ehren.
Paris, 11. Jan. Zu St. Sulpice fand heute der Trauer-
gottesdienst für die in dieser Kirche Verunglückten statt. — Heute
Vormittag sand auch die feierliche Beerdigung Rachels statt. Um
11 Uhr war der Place royale und seine Zugänge mit 30- bis
40,000 Menschen bedeckt, während eine ungeheure Menge dem
Bastillenplatz, der Rue de la Roquette und dem Pere la Chaise
zuströmte. Im Sterbehause hatten sich gleichzeitig Freunde und
Theilnehmende versammelt: Der Staatsminister, die Mitglieder
des französischen Theaters, Mitglieder der Akademie, alle "Nota-
bilitäten der Literatur und Journalistik, der Künste, die ersten
Schauspieler und Schauspielerinnen der Theater, ihre Direktoren
und Regisseure an der Spitze, die Notabilitäten der israelitischen
Familien: Rothschild, Pereire, MireS, Millaud u. s. w. Um 11
Uhr begann der Großrabbiner die vorgeschriebenen Ceremonien,
während die Menschenmenge dermaßen angewachsen war, daß den
Sergeants de ville eine Compagnie Linieninfanterie beigegeben
werden mußte. Um 12^ Uhr wurde der Sarg auf den reichen,
mit sechs Pferden bespannten Leichenwagen gehoben und mit
Gold- und Lorbeerkränzen bedeckt- 12 Trauerwagen folgten.
Den Trauerzug führten Raphael Felir, der Buchhändler Michael
Levy, ein ergebener Freund Rachels, und Gabriel, der jüngere
Sohn der Verstorbenen. Alexander, der ältere, ist in Genf.
Dann kamen sämmtliche Mitglieder der Comödie franyaise, die
Deputation der dramatischen Dichter, Freunde und Verwandte
und eine zahllose Menge aller Stände und Confessionen. Die
Zipfel des Bahrtuches hielten Baron Taylor, H. Aug. Magnet,
Präsident der Gesellschaft der dramatischen Dichter, Aler. Dumas
und Geoffroy vom französischen Theater. Unter den Anwesenden
bemerkte man noch Scribe, Alfred de Vigny, Sainte-Beuve, Emil
Augier, Halevy, Leon Gozlan, Mery, Dumas Sohn, Theophile
Gautier. Am Grabe sprachen Maguet, Jules Janin und Ba-
taille. Auf dem ganzen Wege bis nach dem israelitischen Theile
des Pere la Chaiie entblöste die Menge das Haupt, wo die Leiche
des jüdischen Mädchens, der ehemaligen Straßensängerin, der
großen Schauspielerin vorüberkam. (Pf. Z.)
Paris, 15. Jan. Gestern Abend um 8^/2 Uhr, im Augen-
blicke, als der Kaiser und die Kaiserin an der großen Oper an-
langten, fuhren drei Hohlgeschosse auf. Eine beträchtliche Anzahl
Personen und mehrere Soldaten wurden verwundet, darunter
zwei tövtlich. „Der Kaiser und die Kaiserin wurden nicht ge-
troffen." Dagegen durchbohrte eine der Kugeln den Hut des
Kaisers und verwundete ihn beim Ricoehettiren leicht im Nacken.
Zwei Bediente zu Fuß wurden ebeusalls verwundet, eines der