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Mannheimer Anzeiger — 1858

DOI Kapitel:
Nr. 207 – Nr. 232 (1. September – 30. September)
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Nr. 231
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Erscheint, Montag- auSgeuom-
men, täglich Morgen- in 1800
LSZ.. Exempl. und kostet mit dem Unter-
haltuugsblatte vierteljährl. L4 kr.

Anzeigen werden in dem
29 September
die gewöhnt.Zeile berechn, mit T kr.

1838.

Drittes mittelrheinisches Musikfest in Wiesbaden.
n.
Wiesbaden, 27. Sept. Das dritte mittelrheinische
Musikfest hat Glück, wie nicht viele Dinge im Leben; was ihm
ein Tag verspricht, hält der andere. So heiter und schön der
Schluß des Sonnabends, so hoffnungsvoll und freudig war der
Anfang des Sonntags. Schon um 8 Uhr Morgens zogen
Schaaren von Sängern durch die schönen Parkanlagen des Cur-
saals hinaus auf die in ländlich schöner Umgebung gelegene
Dietenmühle, wo man sich durch ein von froher Geselligkeit ge-
würztes Frühstück aus das nahende Concert vorbereitete. Es war
ein recht fröhliches Treiben in dem schönen Wirthschaftssaale und
dem denselben umgebenden Garten. Mit den Klängen der Glä-
ser wechselten die kräftigen, frischen Männerchöre der ver-
schiedenen Vereine, bis es Zeit war, sich zum Concert in der
Tonhalle zu versammeln.
Dasselbe begann um halb zwölf Uhr. Doch schon lange vor-
her hatte sich die schöne Halle mit festlich geputzten Zuhörern ge-
füllt. So, mit passender Staffage versehen, nahm sich dieser un-
geheuere Coucertsaal prachtvoll aus. Durch sinnige und außer-
ordentlich prachtvolle Verzierungen war das große Bretterhaus
in eine festlich geschmückte Laube verwandelt. Das Podium
für die Sänger erhob sich wie ein blumenreicher Hügel in einem
Garten und besonders der erhöhte Platz des Dirigenten war
höchst geschmackvoll dekorirt- Den Hintergrund der Halle füllte
ein schönes Landschaftsgemälde aus dem Theater, umschwebt von
den Genien der Kunst. An den beiden langen Seiten der Halle
sowohl, als der Estrade gegenüber, waren Logen für die herzog-
liche Familie, den Hof und das Festeomüe angebracht, ^>ie mit
rothen Draperien, Blumengewinden und Fahnen auf's Schönste
verziert waren. Längs den Wänden prangten, umfaßt von fest-
lichen Kränzen die Porträts von Beethoven, Mozart, Bach,
Händel, Haydn, Gluck und anderer großer Meister zwischen den
Wappen und Fahnen der verbündeten Städte und des Herzog-
tums Nassau. Doch all' diese Pracht weidete das Auge nur
so lange, als das Ohr noch nicht in Anspruch genommen war.
Als aber Vincenz Lachner, der bewunderungswürdige Dirigent,
seinen musikalischen Marschallstab schwang, als die einleitenden
Orchesterklänge des Haydn'schen Meisterwerks ertönten, als sich
das Chaos auflöste in das durch Schöpferkraft geordnete Uni-
versum, da lauschte Alles in athemloser Stille; als aber das Re-
citativ des Raphael (Herr Lipp vom Theater zu Wiesbaden) die
einfache Erzählung der Schöpfung anhob, als die himmlischen
Cböre einfielen zu preisen die Schöpfung des ewigen Lichts, da
feierte die Wunderkraft der Musik den höchsten Triumph, da er-
hob sich Alles mit einer Stimme zum bewundernden Beifallsruf.
In der That lösten die drei Soli (Gabriel, Fräulein Lehmann
vom Theater zu Wiesbaden, Raphael, Herr Lipp daselbst und
Uriel, Herr Schneider vom Theater zu Frankfurt a. M.) ihre
schwierige Aufgabe auf's Glänzendste. Die reichen Stimmmittel
der Fräulein Lehmann, so wie ihr meisterhafter Vortrag machten
sich besonders im zweiten Theile und spater in dem Duett zwi-
schen Adam und Eva geltend, und erwarben ihr reichen Beifall
der dankbaren Zuhörer. Auch der ungeheuere Chor erfreute sich
unter der kundigen, sicheren Leitung des Meisters Lachner einer
seltenen Präcision, die das Ganze zu einem wahren musikalischen
Genüsse erhob.
Am Schluß des zweiten Theils wurde seine Hoheit der
Herzog von Nassau beim Eintritt in die herzogliche Loge mit
dem freudigen Zuruf der Menge begrüßt.
Nach eingenommenem Mittagsmahle sammelte sich eine un-
übersehbare Menschenmenge im Garten hinter dem Kursaal und
lauschte dort gemächlich promenirend den Klängen der ausge-

zeichneten herzl. nass. Militärmusik, bis die Zeit der Festoper ge-
kommen war, wo man in der höchst gelungenen Aufführung des
„Sommernachtstraum" von Mendelssohn abermals ein Meisterwerk
deutscher Musik genoß. Diese herrliche Vereinigung des Drama
mit der Musik, diese Verschmelzung der Shakespeare'fchen Dichtung
mit der Mendelssohn'schen Musik kennt die Welt. Leicht kann man sich
daher die gehobene, dankbare Stimmung erklären, die die Sän-
ger bewog, auf dem Platze vor dem Theater Sr. Durchlaucht
dem Herzoge von Nassau, der sich auch bei diesem Feste als ein
achter Mäcen bewährte, eine höchst gelungene Vocalserenade zu
widmen, ehe man sich zur Ruhe von den anstrengenden Genüs-
sen des Tages zurückzog.
Und wirklich nach alledem ist es keine Kleinigkeit heute
Morgen 8 Uhr wieder in der Probe zum 2. Concert zu er-
scheinen um derGesangesmuse eine zweite, eben so würdige Feier
zu bereiten.
Briefe aus Wiesbaden.
II.
U Wiesbaden, 27. Sept. Was ich Ihnen in meinem
gestrigen Referate mitzutheilen vergaß, ist, daß nicht allein die
Häuser jener Straßen, durch welche der Festzug sich bewegte,
sondern auch andere, mit tausenden, ich sage der Wahrheit ge-
mäß tausenden von Fahnen und Fähnchen, Laubgewinden, Krän-
zen, Lyras von Laubwerk und Blumen, Inschriften und Teppi-
chen behängt nnd dekorirt waren. Kurz man sah eine allgemeine
freudige Theilnahme an dem Feste, ganz anders als diese sich
im vorigen Jahre bei uns offenbarte.
Sonntag früh war gemeinsames Frühstück auf der Dieten-
mühle, zu welcher man durch die schönen Anlagen hinter dem
Kursaale gelangt. ES war zahlreich besucht, jedoch weniger von
Damen als Herren, da diesen nachher die Zeit zur Toilette zu
kurz schien. Viele gingen bis zur Ruine Sonnenberg, andere,
worunter ich und meine Freunde, zur Stadt zurück, wo wir das
Museum besuchten. Wir sahen dort die Bildergallerie, welche
sehr schätzbare Gemälde aus der altdeutschen, italienischen und
französischen Schule enthält, das sehenswertbe naturhistorische
Cabinet und die Antiquitäten-Sammlung, die sehr reich an rö-
mischen Alterthümern und höchst interessant ist; auch befinden sich
darin viele fränkische Alterthümer.
Nach einem clefenner ä lu konrellatte und gemachter Toi-
lette begaben wir uns um halb zwölf Uhr in die Tonhalle zum
ersten Concerte, in dem wir fast alle Räume dicht besetzt fanden;
auch II. HH. der Herzog und die Herzogin mit ihrem Hof-
staate besuchten das Concert. Auch der greise Spohr, war an-
wesend. Unter Lachner's bekannter Meisterleitung gingen die
Chöre der „Schöpfung" mit einem Feuer, einer Kraft und einer
Präcision, die in Erstaunen setzte, und fast bei allen Hauptchören
das Publikum zu stürmischem Applause hinriß.
Die Solopartien waren in den Händen der Fräulein Ca-
roline Lehmann, erste Sängerin des hiesigen Theaters, einer sehr
vollendeten Sängerin mit gediegenem Vortrage, starker und wohl-
tönender Stimme und trefflicher Coloratur; dann des Herrn
Carl Schneider, Tenoristen von Frankfurt, eures schönen, runden
und ausgiebigen Tenors, der namentlich als graciöser Sänger er-
cellirte, und des Hrn. Lipp, erstem Bassisten der hiesigen Buhne,
mit sehr deutlichem Vortrage. Alle drei lösten ihre Aufgabe zur
höchsten Zufriedenheit der Zuhörer, was ihnen reicher Applaus
offenbarte. Der erste Concert-Tag war also auch in musikali-
scher Beziehung gelungen, und wir hörten mit neuem Wohlge-
fallen diese ewig schöne und ewig junge „Schöpfung," in der noch
nichts veraltet ist.
Nach dem Concerte ging man zu Tische und wir mußten
 
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