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Mannheimer Anzeiger — 1858

DOI Kapitel:
Nr. 52 – Nr. 77 (1. März – 31. März)
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Nr. 58
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https://doi.org/10.11588/diglit.29921#0243

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Dienstag, 9 März

1888

Nr. 88.

Erscheint. Montags ausgenom-
men, täglich Morgens und kostet
mit dem Unterbaltungs - Blatte
vierteljährlich kr.

Anzeigen werden im „Mannhei-
mer Anzeiger" und dem täglichen
„Ztraßeuplakat" die Zeile berech-
net mit kr.

Badischer Landtag.
A?. öffentliche Sitzung der? zweiten Kammer.
Samstag, 6. März !858.
Diese Sitzung wurde mit der Diskussion des Berichts des
Abg. Hägeiin über die seit dem letzten Landtage erlassenen pro-
visorischen Gesetze und Verordnungen eröffnet. Zn Bezug ans
den mit der kaiserlich französischen Regierung abgeschlossenen
Staatsvertrag zum gegenseitigen Schutze des Eigenlhumsrechts
an Erzeugnissen der Industrie stellt Serainin den Antrag aus
Reelamation dieses Vertrags und begründet ihn damit, daß, so
lange nicht auch andere deutsche Staaten diesem Vertrage beürä-
ten, mancher unserer inländischen Industriezweige bei der Vorliebe
für das Fremde empfindlich berührt werden müsse. Es seie
aber einmal Uebung, dergleichen Erzeugnisse mit französischen
Eitiketten zu versehen, weil sie dadurch größeren Absatz gewinnen.
Kapferer berührt diese Frage gleichfalls mit Rücksicht aus unsere
inländischen moussirenden Weine, er beschränkt sich jedoch aus den
Wunsch, daß die Großh. Regierung auf den Beitritt der übrigen
deutschen Staaten zu diesem Vertrage hinwirken möge. Büsing
begrüßt den Vertrag mit Freuden, weil er auf einer sittlichen
Grundlage beruhe. Baden habe durch dieses Vorgehen ein gutes
Beispiel gegeben, und er wünscht, daß die übrigen deutschen Staa-
ten demselben nachfolgen werden. Er spräche für den Vertrag
im Namen des Publikums, welches durch französische und eng-
lische Etiketten nicht fortwährend getäuscht werden wolle, und er
hoffe, daß bei der strengen Anwendung des Vertrages, die großen
Vortheile für die deutsche Industrie nicht lange mehr ausbleiben
werden. Ferner gab der Vertrag mit der schweizerischen Eid-
genossenschaft bezüglich der gegenseitigen Bedingungen der Frei-
zügigkeit und weitere nachbarliche Verhältnisse, und die allerhöchste
Verordnung wegen Trennung der Rechtspflege von der Verwal-
tung in unterer Instanz Veranlassung zu einer längeren Dis-
kussion, ohne jedoch einen Beschluß der Kammer hervorzurufen,
der dem Commissionsantrage, welcher in keiner Wege eine Rekla-
mation in Vorschlag bringt, entgegen gewesen wäre. (Schl, f.)

* Mannheim, 8. März. Verschiedene unangenehme Vor-
fälle letzter Woche übergingen wir absichtlich mit Stillschweigen
Da aber die auswärtige Presse sich des Breiteren darüber aus-
laßt, so dürfen wir sie hier nicht übergehen. — Eine sehr elegant
gekleidete Dame kam mit der Eisenbahn hier an und stieg in ei-
nem der ersten Gasthöfe ab. Bei ihren Besuchen in der Stadt
kaufte dieselbe in mehreren Läden verschiedene kostbare Stoffe und
läßt dieselben zu einer renommirten Putzarbeiterin verbringen, von
dieser aber sich die Stoffe unter dem Vorwande, vor der Verar-
beitung noch Etwas daran nachzusehen, wieder in den Gasthof
bringen. Unter dem Namen einer Kaufmannssrau aus Frank-
furt ging sie in eine Silbcrhandlung, um hier Mehreres auszu-
suchen. Sie musterte Vieles, verschob den Kauf jedoch auf den
andern Tag. Am folgenden Tage blieb die Dame aus. Zu
gleicher Zeit aber fehlte ein Bratzelette im Werthe von 60—70 fl.
Mit diesem Geschmeide und den kostbaren Kleiderstoffen war die
Dame mittlerweile abgereist, wahrscheinlich um anderwärts ihr
Glück zu probiren. Aber bereits in Heidelberg wurde sie von
dem Arm der Gerechtigkeit erreicht und hierher in sichern Gewahr-
sam gebracht. — Die Frau eines hiesigen Lehrers stellte eine
sog. Bettflasche auf den Ofen und zwar unvorsichtigerweise zu-
geschraubt. Durch die Hitze entwickelten sich Dämpfe, und gerade
als ge vor dem Ofen stand, zersprang dieselbe und schleuderte
der Frau den gebenden Inhalt in das Gesicht- Eine Warnung
für alle Hausfrauen! — Ein hiesiger Kaufmann erhielt von
Paris eine Depesche, worin ihm sein seit 2 Tagen vermißter
Sohn, ein junger Mensch von 17 Jahren, anzcigte, daß er sich,
um sein Glück zn versuchen, nach Paris begeben habe, wo er seit
einigen Stunden wohlbehalten angekommen sei. Zur Bestreitung

seiner Reisekosten habe er bei einem bekannten Bankhause auf
Rechnung des Vaters 200 Napoleon ausgenommen, Da der
Aufenthalt des Flüchtlings bekannt ist, so steht zu vermuthen, daß
der junge Romantiker bald den Ansichten des Vaters sich fügen
werde. Auffallend aber ist, und mit den angeblich so sehr ver-
schärften Paßmaßregeln kaum in Einklang zu bringen, daß ein
solcher Ausflug unbelästigt bis zur französischen Hauptstadt aus-
gedehnt werden konnte.
* Mannheim, 9. März. Ueber die Veränderungen in
der Leitung und Verwaltung unseres Hoftheaters, wie über die
Personaländerungen der darstellenden Mitglieder der Hofbühne
wird gegenwärtig viel gesprochen und viel geschrieben. Zahlreiche
Correspondenzen in auswärtigen Blättern bezeugen dies. Wir
fühlen uns nicht berufen, über den gegenwärtigen Stand der
Verhältnisse zu berichten. Nach Erledigung der schwebenden Fragen
aber dürfte durch Berichtigung so mancher falschen Nachrichten
der Wahrheit sehr gedient werden. — Der erste Liebhaber unserer
Hofbühne, Herr Werner, ist sehr bedenklich erkrankt. Dieser
betrübende Umstand ist gleich traurig für die Familie und die
Freunde des Herrn Werner, wie störend für das Repertoir un-
serer Bühne.
* Mannheim, 9. März. Die Versammlung von Depu-
tationen badischer Gesangvereine fand letzten Sonntag in Neu-
weier bei Baden statt. Es waren 26 Vereine (aufwärts bis
Lahr, abwärts bis Mannheim) vertreten, im Ganzen ungefähr
80 Personen anwesend. Die seitherigen provisorischen Beschlüsse:
Wahl des Orts (Baden-Baden), des Tags (Pfingstsonntag V. I.)
und des Dirigenten (Herrn Hoskapollmeisters Slrauß) wurden
definitiv genehmigt. Zum Vortrag beim Gesangfeste wurden 12
Männerchöre bestimmt, von denen der Herr Dirigent die auszu-
führenden 8 auszuwählen hat.
h Mannheim, 8. März. Stand der Fremden hiesiger Stadt
vom 6. — 8. März: .248 Personen.
ch Aus Vaden. Dieser Tage starb zu Karlsruhe einer
unserer ausgezeichnetsten Staatsmänner und treuesten Rathgeber
der Krone, der ehemalige Staatsminister Friedrich Adolph
Kl üb er in seinem 65. Lebensjahre. Ein Sohn des berühmten
Staatsmannes Joh. Ludw. Klüber, des Begründers des deut-
schen Bundeöstaatsrechtö, der selbst biö 1817 in badischen Staats-
diensten gestanden war und 1837 als preußischer Staatsmann
starb, trat er frühe in badische Staatsdienste und wurde schon
1832 Legations- und Kabinetsrath und Ritter des churhessischen
Löwenordens. Im Jahr 1834 erhielt er den Zähringer Löwen-
orden, wurde 1836 geheimer Referendär, 1839 Geheimer Rath
11. Klasse und Kommandeur des Zähringer Löwenordens, trat
aber sofort in den Ruhestand als Blittersdorf an'ö Ruder kam-
Nach dessen Rücktritt wurde er 1845 zum außerordentlichen Mit-
gliede des StaalsratheS ernannt und als bei dem Ausbruch des
badischen Ausstands im Sommer 1849 Großherzog Leopold zu
Frankfurt ein neues M'nisterium im preußischen Sinne bildete,
übernahm Klüber das Aeußere und den Vorsitz. Bald darauf
wurde er mit dem Großkreuze des Zähringer Löwcnordens und
fremden Dekorationen geschmückt. Alö Preußen in Folge der
politischen Wendung seine Truppen aus Baden zurückzog und
Baden sich Oesterreich wieder näherte, trat Klüber vom Mini-
sterium zurück und lebte seither im Ruhestande. Er war einer
der biedersten Charaktere und sein Verlust ist schwer zu beklagen.
* Ain 3. März schloß die HaitdelSgesetzgebungskommission
in Nürnberg ihre Sitzungen, um am 26. April zur Berathung
des Seerechts in Hamburg wieder zusammen zu kommen.
Ulm, 9. März. Einen unserer Mitbürger hat ein seltenes
Glück betroffen. Bei der am 1. März zu Wien vorgenommenen
Ziehung der Loose des österreichischen Nationalanlehens fiel der
höchste Gewinn mit 200,000 fl. C- M. auf Herrn Kaufmann
Großschopf von hier. (Schw. M.)
 
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