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Mannheimer Anzeiger — 1858

DOI Kapitel:
Nr. 285 – Nr. 310 (1. Dezember – 31. Dezember)
DOI Kapitel:
Nr. 287
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https://doi.org/10.11588/diglit.29921#1407

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Raiiiihlimcr Anzcigcr.

Rr. 287

Erscheint, Montage an-genom-
men, täglich Morgen« in 1800
Exempl. und kostet mit dem Unter-
haltnugeblLtte vierteljährl. 1 st.

Freitag, 3 Dezember

Anzeigen werben tu dem „Mann-
heimer Anzeiger" und dem tägli-
chen „Straßenplakat" zusammen
die gewöhul.Zeilr berechn, mit S kr.

1858.

Am -rillen Dezember.
Von zarten Hüllen noch umgeben,
Schlief sanft im Schooße der Natur,
Noch nicht erwacht zum schönen Leben,
Ein Röschen einst, auf grüner Flur.
Des Males weiße Glöckchen klangen:
Wach auf! Wach auf! Du weite Welt!
Und alle Blumenknospen sprangen,
Und lächelten zum Himmelszelt.
Der Frühling rief!
Das Röschen schlief.
Die Sonne schien schon warm und milde
Herab auf Berge, Wald und Thal,
Und perlend prangten die Gefilde,
In ihrem gold'nen Morgenstrahl.
Die bunten Schmetterlinge schwebten
Auf Blumendüften leicht dahin,
Der Stauden erste Blättchen bebten,
Auf die das Taglicht zitternd schien.
Der Frühling rief!
Das Röschen schlief.
Es rieselte die Silderquelle,
Es flüsterte im stillen Hain,
Und murmelnd zog des Flusses Welle
Dahin im blassen Dämmerschein.
Der Hirten Flötenlieder klangen,
Verhallend leise in der Fern';
Des Flieders Nachtigallen sangen,
Und grüßten ehren Abendstern.
Der Frühling rief!
Doch Röschen schlief.
Da schwebten leicht im Vollmondglanze
Hernieder auf den Erdenrand,
Des Himmels Grazien zum Tanze
Hin wo bas Röschen schlummernd stand.
Und jede flüsterte im Kreise
Der Knospe zu: entfalte Dich!
Und jede nahte sich ihr leise
Und lächelte: ich segne Dich!
Mit Thau, so mild,
Wie einst Dein Bild!
Entblüh* und werde heut' zur Rose,
Zur schönsten Blume auf dem Plan,
Das Glück bescheere Deine Loose
Und keine Thräne perl' daran.
Der holde Blüthenreiz der Jugend
In aller Harmonieen Glanz,
Geschmückt mit Anmuth jeder Tugend,
Umschwebe Dich im lichten Kranz.
So hallt' es leis'
In ihrem Kreis.
Und da erbebte von dem Schalle
Das Röschen — und es neigten sich
Die Grazien im Reigen alle
Und lispelten: wir küssen Dich!
Erröthend schlug es jetzt das Auge
Zum Himmel auf, erglühend tief,

Und duftete im Frühliugshauche,
Daß die Natur entzücket rief:
Es ist vollbracht!
Die Rose lacht!
Die Nacht verrann — die Morgensonne
Umsäumte sie mit ihrem Gold.
Sie schien vor Lust und süßer Wonne
Den Mai zu grüßen, lächelnd hold.
Es neigten sich nach ihr im Kreise,
Stumm, die bethauten Blümchen hin;
Und Zephirlüftchen wehten leise:
Du bist des Lenzes Königin!
Es strahlt Dein Kleid,
Wie Perl'ngeschmeid.
Da stand sie nun in Florens Tempel,
Im Frühlingsduste eingehüllt,
Von ihres «Schöpfers Meisterftempel
Geprägt zum anmuthsvollen Bild!
Die Vöglein sangen auf den Bäumen:
Wacht auf! wacht auf! der Morgen glüht —
Die Erde grünt in Blumensäumen,
Und ihre schönste Rose blüht!
Wacht auf und schaut
Die Frühlingsbraut!

Dahin sind heute zwanzig Jahre,
Seit diese Rose einst erwacht!
Noch sprießt sft fort — und Gott bewahre
Noch lange ihre Blüthenpracht.
Und ob der Frühlingssonne Strahlen,
Auch diesen Tag einst nicht gesäumt,
Will ihn die Muse doch so malen,
Weil sie als Maientag ihn träumt.
Noch lange strahle diese Blume,
Herab aus Badens grüne Au'n;
Zu seinem Stolz und seinem Ruhme,
Zur schönsten Zierde seiner Frau'n.
Noch lange lächle sie vom Throne
Zu ihrem Volke, das entzückt
Sie mit der Liebe Strahlenkrone
An ihrem Wiegenfeste schmückt.
Der Himmel sende seine Engel,
Daß sie die Knospe segnend weih'n,
Die hoffnungsvoll an ihrem Stengel,
Jetzt keimt und blühend soll gedeih'n!
Er lasse seine Stürme ferne
An ihrem Haupt vorüberzieh'n;
Daß ihr des Glückes Silbersterne
Stets unumwölkt und heiter glüh'n.
Und Du, in lichterklärten Räumen,
„Badenia" im Götterkranz;
O lass' sie lächelnd heute träumen
Von ihrer Zukunft Sonnenglanz.
Bescheere Deine schönsten Loose,
Der Blume, die in diesem Lied
Als eine holde Maienrose,
Und — in Louisen freundlich blüht!
S. Hlngrr.j
 
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