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Mannheimer Anzeiger — 1858

DOI Kapitel:
Nr. 260 – Nr. 284 (1. November – 30. November)
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Nr. 275
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Mannheimer Anzeiger.

1858

Mannheim, 18. Nov. (Zur Bierkellerfrage.) Die
Benützung des „Löwenkellers" im Laufe des verflossenen Win-
ters durch die Gesellschaft „Walhalla" hat zu einer lebhaften
Diskussion der Frage geführt, ob die Bierkeller auch zur Win-
terszeit geöffnet, und dadurch der nämliche Brauer zum Betrieb
zweier Wirthschaften zur gleichen Zeit befugt sein solle. Vom
rechtlichen Standpunkte und Angesichts der Wirtschaftsordnung
verlangten die Stadtwirthe, daß die doppelte Wirtschaftsführung
der Bierkellerbesitzer auf die bisherige Praris der Sommerwirth-
schaft beschrankt bleibe. Die betheiligten Kellerbesitzer wünschen
wenigstens ihre Lokale zu geselligen Zwecken während des Min-
ters, wenn auch ohne eigene Wirtschaft, abgeben zu dürfen. Für
die Entscheidung dieses Streites, der jetzt vor den höheren Be-
hörden verhandelt wird, möchte wohl folgende Bemerkung von
einigem Gewicht sein. Ein Blick auf unsere Nachbarstädte Karls-
ruhe und Heidelberg zeigt, daß in der ersteren die Bierkcller erst
im Entstehen, in der letzteren, trotz längeren Bestehens, nie in
Glüthe gekommen sind, während sie hier in solchem Flor stehen,
daß sie, wenn auch die Stadtbrauer ungleich besseres Produkt
liefern, dennoch die Stadtwirthschasten während des Sommers
brach legen. Der Grund für diese Erscheinung ist nun offenbar
darin zu suchen, daß die Stadtwirthschasten zum größten Theil
auf die kleinsten Lokalitäten beschränkt sind, und kaum eine Ein-
zige derselben groß genug ist, um eine Gesellschaft wie die Wal
halla zu fassen, während gerade Heidelberg und Karlsruhe in
dieser Hinsicht brillante Lokale bieten. Würden also unsere Stadt- -
wirthe ordentliche Winterkeller, d. h. Winterlokale bauen, so
würden gewiß nicht nur die luftigen Sommerbierkeller für den
Winter nicht aufgesucht werden, sondern die Stadtwirthe könnten
auch im Sommer die Concurrenz der Kellerwirthe ganz gut er-
tragen. Ades Recht korrespondirt mit Pflichten; wollen deßhalb
die Stadtwirthe kraft ihres Rechts auf alleinigen Wirthschafts-
betrieb das Publikum nöthigen, sich bei ihnen zu erfrischen und
zu unterhalten, so haben sie auch die Pflicht zu erfüllen, dem
Publikum geräumige und elegante Lokalitäten zu bieten, wie sie
der Geschmack und die Neigungen dieses die Wirthe ernährenden
Publikums verlangen.
* Der Gr. Hof in Karlsruhe legt wegen Ableben Ihrer
Kaiserl. Hoheit der Frau Erzherzogin Margaretha von Oester-
reich, gcbornen Prinzessin von Sachsen, vom 17. November auf
10 Tage Trauer an.
Rastatt, 16. Nov. Zur Ergänzung unseres gestrigen Be-
richtes, die 50jährige Jubelfeier des hiesigen Lyzeums betreffend,
bringen wir noch nachträglich zur Kenntniß, daß das Nachtessen
im Gasthause zum goldenen Löwen dahier um 7 Uhr stattfand.
Dasselbe ward von dem sämmtlichen Lehrerpersonal, dem Herrn
EphoruS der Anstalt, den Verwaltungsrathsmitgliedern, dem Hrn.
Amtsarzt Dr. Haug und dem frühern Mngliede des Lehrerkol-
legiums, Pfarrer Kuhn von Mingolshcim, besucht. Bei gut be-
setzter Tafel herrschte während des ganzen Essens, das bis 12
Uhr dauerte, gewürzt von vielen auf das Fest und die Anstalt
bezüglichen Triuksprüchen, unter heitern Gesängen die fröhlichste
Stimmung. Zur Erhöhung des Ganzen trugen die die Gcsell-

seitS in der Nähe der Jndianergebiete, fern von Flüssen und
andern Verkehrsmitteln. So ist also im Grund der Boden in
der Union viel wohlfeiler, denn dort wählt sich der Ansiedler
sein Ackerloos, in Brasilien wird es ihm angewiesen. Diese Art,
ein Unterkommen zu suchen, ist selten, und wer es gewagt hat,
beklagt sich darüber, wie denn Prinz Adalbert von Preußen
auf seiner Reise durch Brasilien von den vielen angesiedelten
Deutschen nur Seufzer hörte. (Schluß folgt.)

Die deutschen Einwanderer in Brasilien.
Gegen Auswanderung zu schreiben und zu drucken, um Un-
glückliche von dem Schritt ins Verderben zurückzuhalten, ist völlig
nutzlos. Macht unter Hunderten einer sein Glück, so wird sein
Beispiel wie eine furchtbare Ansteckung wirken. Don den neun-
undneunzig andern, die verdorben, verkümmert und zu Grunde
gegangen sind, erfährt man in der Regel nichts, oder die Ur-
sachen werden ihnen selbst beigemessen. Es bleibt also nichts
übrig, als die Regierungen um ernste Intervention zu ersuchen.
Die französische Regierung hat kürzlich in Cherbourg etliche Aus-
wanderer, die bereits im Begriff waren, nach Brasilien sich ein-
zufchiffen, noch gerettet. Die schweizerische Regierung hat einen
Sachverständigen, Dr. Heusser, nach Brasilien geschickt, um die
Lage ver Einwanderer zu untersuchen. Sein Bericht ist gedruckt
und enthält die größten Warnungen für alle Landsleute. Be-
sonders verdient hat sich auch die Spener'sche Zeitung in Berlin
gemacht, die durch Veröffentlichung von Mittheilungen eines
wohlhabenden deutschen Ansiedlers alle Unbefangenen von der
hoffnungslosen Lage jedes Einwanderers überzeugt hat- Im
April 1858 hat ferner die kaiserlich brasilische Regierung in die
amtliche Piemontesische Zeitung eine Anzeige einrücken lassen, daß
sie „keine Verantwortung für das Fortkommen der Einwanderer
übernehme." Endlich hat auch die Pariser Revue Contemporaine,
deren Verhältniß zu der französischen Regierung nicht unbekannt
ist, ein klares Bild von dem Elend entworfen, welches den leicht-
sinnigen Einwanderer in dem überseeischen Kaiserthum erwarte.
Vor allen Dingen darf der Einwanderer nicht vergessen,
daß er aus der gemäßigten sich in die heiße Zone begibt, und
in ein Land, welches alljährlich vom gelben Fieber heimgesucht
wird. Gesetzt nun, er wagt und gewinnt sein Leben gegen die
klimatischen Einflüsse, so steht ihm das traurigste LooS bevor,
wenn er Protestant ist, wofern er nicht sein Bekenntniß abschwö-
rcn will, denn es ist schon der Fall vorgekommen, daß harte
Fazendeiros (Pflanzer) die Bretter zum Sarg eines ihrer prote-
stantischen Sklaven verweigert haben. Ist der Auswanderer Ka-
tholik, so schützt ihn wohl sein Glauben vor Gewissensdruck, aber
er bleibt doch immer Deutscher, und als solcher kann er nie zu
politischen Rechten und Funktionen gelangen. Die Mitglieder
der Kammern, also seine Gesetzgeber, sind sammtlich nur Fazen-
deiros und Brasilier, seine Richter sind nur Fazendeiros und
Brasilier. Als Brasilier aber hegen sie Furcht und Haß gegen
daö fremde Element, und dieses kann sich also auf Feindseligkei-
ten und Mißhandlungen, nicht aber auf Hülfe gefaßt machen.
Ist der Auswanderer reich, so wird er sein 'Vermögen doO auf-
zehren, nicht eines erwerben. Um Sklaven halten zu dürfen,
muß man brasilischer Bürger sein. Hält aber der fremde Colo-
nist keine Sklaven, so soll er doch mit Sklavenarbeit konkurriren.
Freie Arbeit kostet daS Fünffache der Sklavenarbeit, folglich wird
jeder sein Vermögen verlieren, der mit freier Arbeit Ackerbau
betreiben will. Wer kein Vermögen zu verlieren hat, besitzt doch
seine Freiheit, und die Freiheit verliert Jeder, der sich für Bra-
silien anwerben läßt. Die Agenten bieten freie Ueberfahrt unter
der Bedingung, daß die Passagiere ihre Fracht in Raten zurück-
bezahlen Glücklich wer die Ueberfracht bezahlen kann. 'Sie be-
trägt für brasilische Häsen mehr als für New-Jork, nämlich
80,000 Reis für jeden Erwachsenen, also für eine Familie
von fünf Personen 1200 Fr. oder 560 fl., während die (Über-
fahrt nach Amerika nur 673 Fr. kostet. Will der Ankömmling
dann Grundbesitz erwerben, so bezahlt er in den Vereinig-
ten Staaten einen Dollar 25 Cent, oder 1920 Reis für den
Acre, in Brasilien dagegen zwar für dieselbe Ackerfläche nur
1045 Reis, aber die feilgebotenen Ländereien liegen sämmtlich ab-

«uzetgen werden tu dem „Mann-
^tmer Anzeiger" und dem tägli-
cheu „Straßenplatat" zusammen
die gewöhul.Zetle berechn, mit S kr.

Erscheint, Montag» an-genom- .
Nr. 275 Freitag, IS.
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