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Mannheimer Anzeiger — 1858

DOI Kapitel:
Nr. 260 – Nr. 284 (1. November – 30. November)
DOI Kapitel:
Nr. 267
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https://doi.org/10.11588/diglit.29921#1281

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1858.

Erscheint, Montag» ausgeuom- Anzeigen «erden tu dem „Manu-
S67 meu. täglich Morgen» in 1800 IQ NoVembLk Anzeiger"
cktk. SV I Exempl. und kostet mit dem Unter- ch en „Gtraßevplakat" zusammen
baltungSblatte Vierteljahr!. 1 st. die gewöhnl.Zeilr berechn, mit Skr.

Zur Notariatsfrage.
ü Mannheim, 9. Nov. Die „Badische Landeszeitung"
brachte kürzlich einige Artikel, welche sich auf die Ausbildung der
Amtsrevisoratsassistenten beziehen, und in denen Vorschläge dar-
über gemacht sind, wie dem hierin znr Zeit vorhandenen Miß-
stande abgeholfen werden könnte. Daß jene Vorschläge theilö
unzureichend, theils unausführbar sind, darüber wird wohl die
Mehrzahl der Rechtspolizeibeamten mit nns übereinstimmen. Nach
unserem Ermessen kann aber der höchst trostlosen Lage der Amts-
revisoratS-Affistenten und Practikanten nur auf dem Wege der
Notariats-Reform geholfen werden. Man emanzipire das
Notariat. Sobald die Unabhängigkeit der Notare von dem
Amtsrevisorate Thatsache sein wird, muß auch die öfters jämmer-
liche Lage der Aspiranten zu Ende sein, denn sie werden dann
als Gehilfen der Notare Geschäfte und zureichenden Verdienst
finden und nebenbei sich durch unmittelbare Anschauung und
Mithilfe in einer Weise ausbilden, wie dies jetzt unmöglich
geschehen kann. Der LoStrennung des Notariats von dem
Amtsrevisorate stehen lange nicht so viele Schwierigkeiten im
Wege, als der Trennung der Justiz von der Verwaltung, und
doch wurde letztere ohne merkliche Störung rasch durchgeführt.
Dem Notariate aber gebührt die auch allerwärts ge-
wünschte Selbstständigkeit aus vielen Gründen. Es wird dann
der stete Wechsel dieser Beamten, der sehr nacht heilig und
für die Amtsangehörigen höchst unangenehm ist, auf-
hören. Die Notare werden dann Notare bleiben, zu-
mal, wenn man ihr Einkommen gebührend vermehrt. Jetzt ist
es so: daß die ausgebildeten Notare wegen ihrer Abhängig-
keit, unzureichendem Einkommen und zu anstrengender Arbeiten,
dem wichtigen Fache — sobald sie eine bessere Stellung erzielen
können — den Rücken kehren.
WaS daS Einkommen anbelangt, so könnte solches durch
eine Verbesserung des Gebührentarifes angemessen erhöht
werden. Der Hauptfehler des jetzigen Gebührentariss — was
wirklich unbegreiflich — ist: daß alle Verträge, Testamente, Voll-
machten, Sessionen u. s. w., ohne Rücksicht auf den Werth des
ObjectS, steif be tart sind- So kostet einHeirathsvertrag eben
3 fl., gleichgültig ob er sich aus 50 fl. oder auf 50,000 st. be-
zieht. Es sollten Unterscheidungen nach der Größe des in Frage
stehenden Vermögens gemacht werden. Einzelne Tarifsätze sind
wirklich lächerlich niedrig. Eben so unbegreiflich ist eS, daß man
dem Notare keinen Fuhrlohn und keine Diät bewilligt. Ja die-
ser Beziehung steht das Notariat ohne Beispiel da- Wenn man
behaupten wollte, es seie dies Alles schon in seinem Gebühren-
Antheil enthalten, so hat man die Rechnung ohne den
Wirth, der es besser versteht, gemacht.
Die Arbeiten der Notare haben wir als zu anstrengend be-
zeichnet, und mit Recht: denn sie dürfen keine Schreiber halten,
auch wenn sie bei besserem Einkommen solches könnten. Wie
sehr dies ermüdet und abftumpft, bedarf keiner Nachweisung. Daß
aber das badische Notariat des Geschenks der Emancipation
würdig, kann mit Bestimmtheit angenommen werden. Hoffen
wir, daß es bald eintreffen werde.

Das neue preußische Ministerium.
Wie mitgetheilt, ist nun das neue preußische Ministerium
definitiv gebildet und bereits in das Amt eingetreten. Nachstehende
Notizen über die Persönlichkeiten, welche dasselbe bilden, dürften
interessiren. Der neue Ministerpräsident, Fürst Karl Anton von
Hohenzollern-Sigmaringen, ist der einzige Sohn des am 11. März
1853 zu Bologna gestorbenen Fürsten Karl, geboren den 7. Sept.
1811, er folgte seinem Vater in Folge Cession desselben am 27. !

August 1848 in der Regierung, der er jedoch bereits am 7. Dez.
1849 zu Gunsten des Königs von Preußen entsagte, zugleich
mit dem Fürsten Friedrich von Hohenzollern-Hechingen. Beide
Fürsten erhielten durch Kabinetsordre vom 27. März 1850 das
Prädikat Hoheit mit den Prärogativen eines nachgeborenen Prin-
zen des königl. preuß. Hauses, zugleich wurde Fürst Friedrich zum
Generallieutenant und Chef des 7. Landwehrregiments, Fürst
Karl Anton gleichfalls zum Generallieutenant und zum Chef des
26. Jnsanterieregimenfs und Kommandeur der 14. Division zu
Düsseldorf ernannt. Der Fürst Karl Anton vermählte sich am
31. Okt. 1834 mit der Prinzessin Josephine von Baden. AuS
dieser Ehe gingen 6 Kinder hervor, darunter Prinzessin Stephanie,
seit 18. Mai 1858 Gemahlin Dom PedroS V., Königs von
Portugal. Die beiden ältesten Söhne befinden sich im preußischen
Militärdienste. Ueber die politischen Ansichten deS neuen Mini-
sterpräsidenten s. „Untcrhaltnngsblatt zum Mannheimer Anzeiger"
Nr. 265 vom 7. Nov. 1858. — Der bisherige interimistische
Minister des Innern, v. Flottwell, hat nun diesen Posten definitiv
übernommen. Nach einer Nachricht wäre der Grund seiner frü-
heren Weigerung weniger sein hohes Alter von 72 Jahren ge-
wesen, als seine Abneigung, mit dem Ministerium Manteuffel
Hand in Hand zu gehen. Beim Ausbruch der polnischen Re-
volution in Warschau im Jahre 1830 wurde v. Flottwell zum
Oberpräsidenten von Pesen befördert und verblieb in dieser zum
Theil höchst schwierigen Stellung bis 1841, in welchem Jahr er
Oberpräsident der Provinz Sachsen wurde. 1844 wurde er
Finanzw.inifter, trat jedoch schon nach 2 Jahren auf den Posten
eines Oberpräsidenten von Westphalen zurück. Im Jahr 1848
war er Mitglied der deutschen Nationalversammlung und schloß
sich der äußersten Rechten (Cafe Milano) an. 1849 wurde er
von einem Wahlkreis "in Posen in die erste Kammer berufen,
entsagte jedoch schon Aug. 1850 jeder weiteren parlamentarischen
Thätigkcit und übernahm die Stelle eines Oberpräsidenten von
Brandenburg. — R. v. Auerswald, welcher in dem neuen Ku-
binet als Staatsminister sitzt, steht dem Prinzen von Preußen
seit Jahren persönlich nahe. Schon vor einigen Tagen wurde
der Allg. Ztg. über diesen Mann Folgendes geschrieben: „Herr
v. Auerswald wird, so weit von der Bildung deS neuen Kabi-
nets die Rede ist, unzweifelhaft in erster Reihe stehen. Sein per-
sönliches Verhältniß zum Regenten ist kein Gehcimniß. Er hat
in den schweren Zeiten des Üebergangs vom Alten zum Neuen
dem Prinzen treu zur Seite gestanden. Seine Hingebung, seine
Besonnenheit, seil» Takt, sein völlig uneigennütziger Eifer haben
der guten Sache (das weiß Jedermann in Preußen) unvergeß-
liche Dienste geleistet. Das Vertrauen, womit die Nation dem
Prinzen einmüthig eutgegenkam, knüpft sich zum großen Theil
an die Kunde von innigen Beziehungen des Prinzregenten zu
diesem von allen Parteien hochgehaltenen politischen Charakter,
dessen Reinheit nirgends bezweifelt, dessen Entschiedenheit und
Kraft vielleicht dennoch nicht einmal hinlänglich gewürdigt ist."
v. Auerswald machte in einem Alter von 17 Jahren unter Ge-
neral Uork den Feldzug gegen Rußland und hierauf den Krieg
gegen Frankreich mit. Im Jahr 1820 verließ er den Militär-
dienst und zog sich auf seine Güter in Ostpreußen zurück. 1831
wurde er zum Oberbürgermeister von Königsberg erwählt, 1842
zum Regierungspräsidenten in Trier ernannt. Nach dem Rück-
tritt des Ministeriums Camphausen im Juni 1848 wurde v.
Auerswald an die Spitze des neuen Ministeriums berufen- Nach
Annahme des Stein'schen Antrags, daß das Staatsministerium
gegen das reaktionäre Treiben in der Armee auftreten, und daß
es insbesondere allen Offizieren, welche reaktionäre Ansichten
hätten, den Austritt aus der Armee zur Ehrenpflicht machen
solle, traten v. Auerswald und die übrigen Minister im Sept,
schon wieder von ihren Posten zurück, da sie insbesondere Be-
 
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