Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Mannheimer Anzeiger — 1858

DOI Kapitel:
Nr. 207 – Nr. 232 (1. September – 30. September)
DOI Kapitel:
Nr. 210
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.29921#0903

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Mamchcimcr Anzcigcr.

Trschetvt, Montag» auSgenom-
91 mru, täglich Morgens in 180«
« K " Exempl. und kostet mit dem Unter-
haltuvgSblatte vierteljährl. kr.

Anzeigen werden in dem „Mann-
Samstag, 4. September
die gewöhnl.Zeile berechn, mit S kr.

1838.

Auf den „Mannheimer Anzeiger"!
und das „Unterhaltungsblatt" kann man
sich «och für den Monat September mit
18 Kreuzern abonniren bei den Postanstalten, den Boten der
Umgegend, den Trägern in der Stadt und der Erpedition, Lit.
N 2 Nr. 9 in Mannheim.

Consum-Verein.
ES ist schon manches tüchtige Wort über einen hier zu grün-
denden Consum-Verein gesprochen und geschrieben worden;
zum Handeln kam es aber noch nie. Das kann vielleicht noch
lange so fort gehen, wenn nicht irgend eine gute Seele sich be-
reit finden läßt, handelnd aufzutreten, tun sich dem Geschäfte der
Gründung, aber auch all' dem damit verbundenen Aerger, zu un-
terziehen, der bei solchen Anlässen von einer oft nur systemati-
schen Opposition verursacht wird. Man zeihe uns aber nicht der
Abneigung gegen jede Opposition, wenn wir so sprechen; nein,
die vernünftige Opposition muß sein, weil Einer unmöglich
Alles wissen kann- Damit soll jedoch die systematisch e Oppo-
sition keineswegs entschuldigt werden.
Nach dieser kleinen Einleitung wollen wir — als einiger-
maßen gute Seele, — an's Handeln gehen; indessen verwah-
ren wir uns, wenigstens für jetzt, gegen die Vermuthung, als
wollten wir auch schon gründen. Mit dem vielen Hin- und
Herreden, mit schönen Phrasen, mit unausführbaren Vorschlägen
ist aber Nichts gethan. Dergleichen Dinge erfordern ein ent-
schiedenes Voraugehen, und deßhalb sind wir so frei, inso-
ferne zu handeln, als wir von diesem Tage au bei der Erpe-
dition des „Mannheimer Anzeiger" eine Liste auflegen, in welcher
Diejenigen, welche sich bei einem hier zu gründenden Consum-
Vereine betheiliqen möchten, ihre unverbindlichen Unterschrif-
ten einzeichnen können. Damit wäre der erste Schritt des Han-
delns gethan; wo kein Anfang ist, da gibt's kein Ende. Bleibt
nun zu sehen, ob es Denen, welche an öffentlichen Plätzen mit
Fragen von gemeinnützigem Jriteresse so gerne herumperoriren, —
ohne jedoch auch nur einen Lchritt zur Ausführung zu thun, —
ob es all' denen Ernst ist mit der Sache. Denn wir allein
können den Verein nicht gründen. Also müssen wir Unterstützung
haben, wenn etwas daraus werden soll, und von der Theilnahme,
die sich zeigt, hängt natürlich die Ausführung ab.
Wir können dabei den Wunsch nicht unterdrücken, daß auch
die wohlhabenderen Klassen unserer Mitbürger sich an diesem Un-
ternehmen betheiligen möchten. Bisher hatte noch kein hiesiger
Verein deren Theilnahme gefunden, ' mit Ausnahme des Mann-
heimer Rekruten-Vereines, der das Eis gebrochen zu haben scheint.
Hoffen wir, daß damit der Weg gebahnt ist zur bürgerlichen
Association, durch die allein heutzutage wirklich Nützliches in Sachen
deS materiellen Lebens erreicht werden kann.
Ehe wir fortfahren, wiederholen wir, daß wir keineswegs
ein Vorrecht für uns beanspruchen, wenn wir uns die Grün-
dung deS Consum-Vereines angelegen sein lassen. Wir haben
die Liste aufgelegt; wir bleiben einstweilen im Hintergründe. Sind
innerhalb 4 Wochen Unterschriften genug vorhanden, dann wer-
den wir an's Licht treten; wir werden einen weiteren Schritt
des H andelnS thun, eine Versammlung berufen, ein Comite wäh-
len, uns die Statuten auswärtiger Consum-Vereine verschaffen,
eventuell die Einrichtungen an Ort und Stelle einsehen und als-
dann tbätigst zur Gründung schreiten.
Auf diese Art wollen wir denn, Schritt vor Schritt, das
schwierige Werk versuchen. Damit aber Niemand sich übertrie-
bene Illusionen mache, so wollen wir auch unsere eigene Ansicht
hier abgeben, selbstverständlich ohne deren unumstößliche Richtig-
kett zu behaupten.

Zur Gründung eines Consum-Vereines gehört außer einer
respektabeln Mitgliederzahl:
1) Geld, viel Geld, sonst kann der eigentliche Zweck nicht er-
reicht werden;
2) ein Verkaufs-Lokal mit gutem Magazin und Keller; diverse
Utensilien: Waage rc.;
3) eine gediegene Verwaltung, da uns die jüngste Geschichte
eines' hiesigen Krankenvereines lehrt, zu welchem Schlendrian
und zu welch' bösen Häusern die gevatterschaftliche Verwal-
tung führt, die da nur so gewähren läßt;
4) der Muth, dem hohen Kostenpunkte in's Auge zu sehen,
welcher durch 2 und 3 nothwendig hervorgerufen wird.
Hier die Kapital-Punkte; erläutern wir sie ein wenig.
Der Nervu8 rarum, das Geld, wird durch die Mitglieder
beschafft; jedes Mitglied erhält (damit nicht durch Vielschrei-
berei die ohnehin genug in Anspruch genommene Verwaltung
erschwert werde) eine, dem geleisteten Beitrage entsprechende Summe
von Blech-Marken, die der Verein zu diesem Zwecke anfertigen
läßt. Mittelst dieser Marken kaufen die Mitglieder ihre Bedürf-
nisse vom Vereine. Gehen die Marken aus, so werden neue ge-
gen den entsprechenden Geldwerth abgegeben, und dieses Verfah-
ren fortwährend erneuert. Für den Anfang ist aber erforderlich,
daß jedes Mitglied den ihm möglichen Beitrag gegen die entspre-
chende Anzahl Marken einzahle, damit die Einkäufe gemacht und,
sobald dieses geschehen, der Verkauf an die Mitglieder beginnen
könne. Auf jeden Fall ist eS wichtig zu wissen, über welche
Summe man beim Beginne des Geschäftes zu verfügen hätte;
aus diesem Grunde haben wir in der Liste eine Colonne zur Be-
zeichnung der von Jedem zu leistenden Beiträge angebracht.
Daß das Verkaufs-Lokal des Vereines nicht blos an zwei
oder drei Tagen, sondern wenigstens an 6 Tagen der Woche
geöffnet sein muß, leuchtet wohl Jedermann ein. Dieses Lokal
muß gut und geräumig sein, damit die voraussichtlich nicht uner-
heblichen Vorräthe gut gelagert und dem Verderben nicht ausgesetzt
seien. Es wird also die Miethe eines entsprechenden Hauses nöthig,
dessen bewohnbare Räume freilich vermiethet werden könnten. Nur vor-
übergehend erwähnen wir, daß der Verkauf allerlei Utensilien erfordert.
Die Verwaltung eines Consum-Vereines ist eine höchst um-
fangreiche. Derjenige, welcher damit betraut, und der also mit
Ein- und Verkauf an Hunderte von Kunden beauftragt wird,
hat eine so große Beschäftigung, daß er sie ohne Gehülsen und
einen oder mehrere Hausknechte nicht zum wahren Frommen des
Vereines wird abwickeln können. Kurz, es handelt sich in aller
Form um ein Geschäft, das klug und thätig betrieben sein
will. Der Mann aber, dem die oberste Verwaltung der Vereins-
Geschäfte überlassen werden soll, wird sich genöthigt sehen, seinen
bisherigen Beruf gänzlich oder zum größten Theile aufzugeben,
und daraus folgt, daß er einen entsprechenden Gehalt empfangen
muß. Wir erwarten allerdings gar nicht anders, als daß man,
wie gewohnt, sagen wird, es gebe ja Leute, die solche Geschäfte
um ein Billiges oder ganz umsonst besorgen würden. Ob es
aber besser sei, einen gut bezahlten Mann, der Etwas versteht
und wegen seiner Bezahlung die volle Verantwortlichkeit seiner
Stellung tragen muß, einem solchen vorzuziehen, der ganz, oder
selbst nur zum Theile, für die Ehre arbeitet und folglich weder
den rechten Eifer noch die rechte Verantwortlichkeit haben kann,
— welcher vernünftige Mensch wird diese Frage nicht zu Gunsten
des ^Ersteren beantworten?
Soweit gekommen, fordern wir eine gute Portion Muth
von unseren Lesern, um zu hören, daß wir nach oberflächlicher
Berechnung die jährlichen Unkosten mindestens auf fl. 2500 bis
fl. 3000 veranschlagen. Wir fordern, um dieses zu hören, Muth, weil
es hier nickt an Leuten fehlt, die da verlangen, daß alle Aemter
gratis besorgt werden sollen; und weil eben diese Leute Diejeni-
 
Annotationen