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Mannheimer Anzeiger — 1858

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Nr. 129 – Nr. 153 (1. Juni – 30. Juni)
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Nr. 153
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Nr. 153.

Erscheint, Montags ausgenom-
men, täglich Morgens in 1800
Exempl. und kostet mit dem Unter-
haltungsblatte Vierteljahr!. L L kr.

Mittwoch, 3V. Juni

Anzeigen werden in dem „Mann-
heimer Anzeiger" und dem tägli-
chen „Sträßenvlakar" zusammen
die gewöhnt.Zeile berechn, mit S kr.

1858.

* Mannheim, 30. Juni. Das großh. badische Regierungs-
blatt Nr. 29 enthält: 1) Bekanntmachung deS großh. Ministe-
riums deS großh. Hauses und der auswärtigen Angelegenheiten
vom 25. d. M., den deutsch-österreichischen Postverein betr.; 2)
Verordnung derselben hohen Stelle vom gleichen Datum, den
Fahrpostverkehr im Innern des Großherzogthums, sowie unmittel-
bar mit dem Vereins-Ausland betreffend.
S Mannheim, 29. Juni. Viele mögen nichts dabei ge-
dacht haben, als ihnen eine Anzeige zu Gesicht kam, wornach der
hiesige Gesellenverein zur Begrüßung des „Vaters Kolping" eine
Abendgesellschaft im Augarten unternahm. Eö handelt sich hierbei
um eine berühmte Persönlichkeit der Gegenwart, ausgestattet mit
dem höheren Berufe, Großes in das Leben zu führen, deren
Namen allem Vermuthen nach dereinst in der Geschichte den An-
bruch einer wichtigen Epoche des Handwerkerstandes bezeichnen
wird.
Der „Gesellenvater Kolping" stehet in jungen Mannesjahren,
als bescheidener Domkaplan zu Köln; seine Jugendlanfbahn war
die des wandernden Schusters, der die Niedrigkeit und sittliche
Verwilderung unter seinen Genossen miterlebt, und, als er in
Folge besonderer Erweckung den geistlichen Stand ergriffen hatte,
die Idee des Gesellenbundes in das Dasein rief.
Wenige Jahre reichten hin, um diesem zeitgemäßen Rettungs-
gedanken über ganz Deutschland die unerwartetste Ausbreitung
zu geben, und bereits zahlt man die unter sich verbundenen
Vereine nach Hunderten, deren Mitglieder aber nach vielen Tau-
senden. Diesen Vorkämpfer für die sittliche und soziale Hebung
des Arbeiterstandes also, den Schöpfer einer mächtigen Reformbe-
wegung, sahen und hörten wir am gestrigen Abende im Kreise
einer höchst zahlreichen Versammlung, die namentlich auch aus-
gezeichnet war durch die Anwesenheit notabler Herren. Der Raum
d. Bl. erlaubt uns keine ausführliche Schilderung von dem sehr
interessanten Vortrage des berühmten Gastes. Kolping lebt und
webt mit und für die Gesellen, er ist ein Herz und eine Seele
mit denselben, gleichsam selbst noch Geselle im Priesterkleide, und
setzt in Erstaunen, wie eigen es ihm ist, den Gesellen die tiefsten
Wahrheiten populär darzulegen. An dem gegenseitigen Verhält-
nisse zeigt sich ein überraschend schöner, äußerst wohlthuender
Typus der Gemächlichkeit und natürlichen Frische.
In kurzen Zügen gesagt, hat der Gesellenverein den Zweck
eines neuen Ausbaues auf dem allein haltbaren Grunde des po-
sitiven Christenthums, nachdem die ehemalige bessere Ordnung
durch die Verderblichkeit einer falschen Zeitrichtung über den Hau-
sen geworfen ist. Es soll in der deutschen Jugend, welche den
künftigen Handwerksmeister und Familienvater des bürgerlichen
Mittelstandes in sich trägt, ein ächter Geist der Brüderlichkeit
und heiteren Berufssreudigkeit, verbunden mit anständigen Sitten
und Veredelnder Religiosität, geweckt werden, damit nach und
nach ein geläutertes Geschlecht die Tugenden der Alten neu belebt
und fortsetzt, deren Untergang sowohl eine Gefahr für das gei-
stige und materielle Wohl des Arbeiters, wie für den Bestand
der bürgerlichen Gesellschaft geworden ist.
f Mannheim, 29. Juni. Stand der Fremden hiesiger
Stadt vom 28.-29. Juni: 305 Personen.
* Aus Baden. In verschiedenen süddeutschen Blättern
finden sich in neuester Zeit Aufsätze, welche die Kapitalisten aus
die günstigen Konjunkturen aufmerksam machen, die sie bei An-
lage ihrer Fonds in Schweizer Eisenbahnpapieren zu erwarten
haben. Das „Bad. Centralblatt," welches seiner Zeit auch gegen
den Bankschwindel mit aller Kraft aufgetreten ist, enthält " nun
in seinen beiden neuesten Nummern eine Darstellung der Ver-
hältnisse der schweizerischen Eisenbahngesellschasten, aus welcher
so viel hervorgeht, daß unsere Kapitalisten besser daran thun, be-
vor sie in Schweizer Papieren spekuliren wollen, genaue Erkun-
digungen über den Stand der verschiedenen Eisenbahnen in der

i Schweiz einzuziehen. — Während vom Ur.terlande über fühlbaren
Wassermangel berichtet wird, hört man nach der „Bad. Landes-
zeitung" aus dem Oberlande in dieser Beziehung noch keine
Klage; die dortigen Müller mahlen vielmehr, die Gelegenheit be-
nützend, frisch darauf los, um ihre Vorräthe für alle Fälle auf
eine entsprechende Höhe zu bringen. Die steigenden Preise in
Mannheim werden indessen auf die Dauer nicht ohne Rück-
wirkung bleiben, indem dortige Händler bereits in Freiburg
Einkäufe an Mehl und Frucht machen. — Zusendungen zur
schwarzwälder Industrieausstellung in Villingen, die am 22.
August beginnen wird, kommen fortwährend ein, und zweifeln
nur Wenige mehr an einem günstigen Erfolge.
Zwischen Württemberg und Baden wird gegenwärtig
ein neuer Vertrag über die Eisenbahnanschlüsse bei Pforzheim
unterhandelt, nachdem der früher abgeschlossene von der ersten
badischen Kammer verworfen worden ist und sich die Bestimmun-
gen des früheren, über die bruchsaler Bahn abgeschlossenen Staats-
vertrags nicht, wie die bad. Kammer angenommen, als genügend
erweisen, sondern nur die Grundlage zu einem neuen Vertrage
bilden können.
* Die Stuttgarter Feuerwehr ist in fortwährender Zu-
nahme begriffen. Am 24. Juni hat die Stammlisie den 600sten
Mann eingezeichnet. Mit Ausnahme der Berliner dürfte sie
jetzt eine der stärksten und bestorganisirten in Deutschland sein.
* Die Arbeiten des Darmstädter Landtags drängen sich
bei dem nahen Schluffe desselben sehr. Beide Kammern arbeiten
mit großer Schnelligkeit; so erledigte am 26. Juni die Erste nicht
weniger als dreizehn, die Zweite zwölf verschiedene Gegenstände.
* Am 27. Juni konstituirte sich in Worms die Gesellschaft
„Sängerbund" in definitiver Weise, 150 Mitglieder stark.
Am 26. Juni starb F-Z.M- Karl Fürst Schwarzenberg,
Civil- und Militärgouverneur- von Siebenbürgen re-, im fürstl.
Dietrichstein'schen Palais zn Wien. Der Verblichene, ein Sohn
des ruhmvollen Feldmarschalls Karl Schwarzenberg, war geboren
am 21. Januar 1802.
* In Kanton fürchtet man einen Angriff der Kaiserlichen.
Die Einwohner verließen die Stadt.

Eingesandt.
/X Mannheim, 29. Juni. Der Artikel „Eingesandt" in
Nr. 145 des Mannheimer Anzeiger scheint gewirkt zu haben,
denn schon gestern Abend fand eine zahlreich besuchte Versamm-
lung von Bürgern statt, welche sich über die in den großen Bür-
gerausschuß zu wählenden Personen geeinigt und bereits ihre
Vorschläge empfehlend der Oeffentlichkeit übergeben haben, damit
nicht einseitig in bisher leider üblicher Weise, diese für das Ge-
meindewesen so wichtige Wahlhandlung durchgeführt werde. Wir
freuen uns dieser neuen Erscheinung und erwarten, daß dieser
Anfang sich des Beifalls der Gesammt-Bürgerschaft, sowie deren
Unterstützung zu erfreuen haben werde.

W Mannheim, 29. Juni. Herr Gänßlen aus Stutt-
! gart wird in dieser Woche mit zehn Mitgliedern der dortigen
! Hof-Kapelle einige Coneerte im gedeckten Raume auf dem Löwen-
keller hier geben; seine Leistungen in früheren Jahren sind noch
in frischem Andenken und taffen mit seiner jetzigen Gesellschaft
(Metall-Harmonie) einige gediegene genußreiche Abende erwarten.
Herr Gänßlen vermeidet in seinem Arrangement die ost so wehe
thuende Trompetenstimmung, um den Zuhörer in lieblichen Ac-
corden, zarter weicher Stimmung und gut gewähltem Programme
! mit Piecen, wie Tell-Ouverture, Zauberflöt-Ouverture, sowie
j durch seine Instrumental-Quartette, mit Virtuosität vorgetragen,
' zu erfreuen. Möge das musikliebende Publikum an diesen Aben-
den sich zahlreich betheiligen- -
 
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