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Mannheimer Anzeiger — 1858

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Nr. 260 – Nr. 284 (1. November – 30. November)
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Stehende Nheinbrnche ynd Odenwaldeifenbahn.
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Wurde in dem ersten Artikel das unabweisliche Bedürsniß
der Errichtunss der Mi wichtigen VerkehrSinittel erörtert, so
bleibt noch die Frage, mit welchen Mitteln die Herstellung er-
zielt werden soll. '
ih) DaS Eisenhahngcsetz vom 7. Mai d. I. hat nun die
Erbaupng einer stehenden Rheinbrücke dahier nicht vorgesehen,
sondern im Artikel I. nur die Rheinbrückea bei Kehl und Walds-
hut, und zwar für Baden's Anthcil auf Staatskosten, zu bauen
beschlossen. Somit bleibt bezüglich unserer Brücke eine doppelte
Möglichkeit. Entweder wird durch die verfassungsmäßigen Mittel
die Gr- Staatsregierung ersucht, mit der nächsten Ständever-
fammlung die Erbauung dieser Brücke in gleicher Weise zu ver-
einbaren, wie diejenige der zwei anderen Brücken im Mai d. I
beschlossen wurde; — oder es vereinigen sich eine genügende
Zahl von Kapitalisten, die nach Zeichnung der nöthigen Mittel
uns) Fertigung der Pläne, um die Staatsgenchmigung zur Her-
stellung der Brücke aus ihre Kosten, gegen Garantie eines ge-
nügenden Ertrag bietenden Brückenzolles, nachsuchen. Für Er-
steres spricht außer dem Umstand, daß die Gr. Regierung die
beiden andern Brücken auf Staatskosten baut, insbesondere noch
der rvertere Grund , daß an der; gegenwärtigen Brücke Abgaben
zu Gunsten unseres Aerars erhoben werden , die schon bisher
einen Reinertrag, nach Bestreituiig der Erhaltungskosten der
Brücke, geboten haben. Bei der mit Gewißheit zu erwartenden
Rentabilität der festen Brücke würde sich nun der Vortheil des
Aerars sicherlich steigern, und wenn dies auch nicht der Fall
wäre, so könnte die Staatskasse immerhin im Interesse des all-
gemeinen Verkehrs das Opfer einer geringeren Rentabilität brin-
gen. Dagegen spricht für die Uebernahme des Baues auf Pri-
vatrechnung insbesondere daS hohe Interesse der Ludwigshafen-
Berbacher Bahn, resp. der Berbacher Aktiengesellschaft bei Errich-
tung dieser, ihren Kohlenvertrieb jedenfalls außerordentlich stei-
gernden Brücke. Gewiß ist auch hierin ein Hauptmotiv zu su-
chen, weßhalb zur Zeit die Staasbehörden sich von diesem Bau
ferngehalten haben, und eS wird diese Annahme durch die in den
Zeitungen besprochene Nachricht unterstützt, daß schon gegenwär-
tig Verhandlungen in dieser Richtung gepflogen werden.
Hat aber die letztere Lösung die Wahrscheinlichkeit für sich,
so ist es Aufgabe der hiesigen Kapitalisten, und insbesondere
auch des hiesigen bedeutenden Handelsstandes, wenn irgend mög-
lich, auf einen raschen und ersprießlichen Gang dieser Verhand-
lungen einzuwirken, und wenn im schlimmeren Fall solche schei-
tern sollten, rasch und energisch die Bildung einer Aktiengesell-
schaft für den Rheinbrückenbau dahier zu betreiben, welches Un-
ternehmen gewiß an unserer hohen Staatsregierung den wärm-
sten Freund finden wird. Eine Vereinigung der ärarischen
Rücksichten mit den Interessen der Aktionäre läßt sich bei dieser,
für Baden's Wohlstand so wichtigen Frage, gewiß leicht erzielen.
2,) Was dagegen die Bahn durch den Odenwald betrifft, so
hat sich unsere Regierung, so wie die Ständeversammlung bereits
über die Frage, mit welchen Mitteln dieser Bau stattfindcn soll,
ausgesprochen. Nach Artikel IV. des Gesetzes vom 17. Mai
soll nämlich der Bau dieser Bahn, so wie ihr Betrieb an einen
Privatunternehmer begeben, und Vie Vorarbeiten zwischen Hei-
delberg und Mosbach sollen sofort auf Staatskosten vorgenom-
men werden. Nach Vollendung dieser Vorarbeiten kann sodann
mit dem Bau an den schwierigsten Stellen auf Staatskosten be-
gonnen werden, wenn sich bis dahin ein Unternehmer nicht ge-
funden hat. Die Bedingungen, die für diesen Fall etwaigen

Privatunternehmern geboten werden, find im höchsten Grade
günstig zu nennen, indem namentlich die gebotene Zinsengarantie
dem Unternehmer die wünschenswertheste Sicherheit bietet.
Seit der Publikation dieses Gesetzes lesen wir zwar m den
Zeitungen von einem Anerbieten englischer Kapitalisten; auch
sollen in Heidelberg und den übrigen Städten der Bahnlinie
Schritte geschehen sein. Dagegen schweigt die hiesige Stadt noch
immer, während gerade sie auf's höchste dabei interessirt ist, daß
durch die Odenwaldbahn derjenige Weg nach Deutschlands Ostefi
gewonnen wird, dessen Ausgangspunkt vom Rheine sie bildet.
In einer Zeit, wo es so schwer fällt, die Kapitalien in früher
gewohnter Weise unterzubringen, wo für ck^pct. Eisenbahnobli-
gationen mehr als 3 pkt Agio vergütet wird, während unsere
Staatsbahn zwischen 6 und 7 pkt. rentirt, sollten unsere Kapi-
talisten eine Gelegenheit willkommen heißen, ihre Kapitalien hei
einem Unternehmen zu betheiligen, bei welchem die versprochene
Zinsengarantie für eine genügende Rente im schlimmsten Falle
sorgt, bei dem aber gewiß wegen der hohen Bedeutung der Bahn
eine höhere Rente erzielt werden wird, und daS nebenbei eine so
hohe und heilige Bedeutung für unser engeres und das Ge-
sammtvaterland hat.
Deßhalb sollten die Männer unserer Stadt, die von jeher
sür daS Emporblühen derselben so besorgt find, insbesondere der
Handelsstand und seine Vertreter, mit Wärme und Eifer dieser
Angelegenheit ihre Kräfte widmen, und ohne Säumen und ohne
Unterlaß dahin zu wirken suchen, daß recht bald die Mittel zur
Erbauung dieser Eisenbahn gesammelt werden, daß die zu grün-
dende Aktiengesellschaft recht bald die Genehmigung unserer Re-
gierung erhält, und dann in wenig Jahren der direkte und
nächste Weg von Frankreichs Hauptstadt nach Ost- und Mittel-
Deutschland, die Route über hiesige Stadt, dem Verkehr geboten
werden kann.
Die Männer, denen solches gelänge, würden sich um daS
Wohl unserer Stadt und unseres Landes die unsterblichsten Ver-
dienste erwerben!

Die Fukunkt des Handwerks
III.
Nachrichten in unfern Blättern zufolge haben sich in einer
Versammlung der Gewerbsmeister in Gotha von 595 abgegebe-
nen Stimmen 565 für Beibehaltung der Innungen, 18 für eine
zeitgemäße Reform, und nur 12 für Gewerbesreiheit ausgesprochen.
Dieses Resultat darf uns nicht wundern, es wird sich mu weni-
gen Ausnahmen — unter denen besonders Gewerbetreibende auS
Nassau, Hannover und Sachsen sich neuestens hervorgethan haben
— überall derselbe Erfolg ergeben. Das Handwerk erwies sich
stets als eine gute Schule sür Sittlichkeit, Fleiß und überhaupt
für häusliche Tugenden; aber politische Einsicht ist in seinen Rei-
hen immer selten gewefen. Fühlt man doch in der Geschichte
unseres Städtewesens sehr deutlich den Augenblick, wo die Gewalt
von den alten Geschlechtern an die Zünfte überging. Von dort
an mag vielleicht die Produktion, die Macht und die Bevölkerung
der einzelnen Städte noch gewachsen sein, aber der politische Sinn,
der weitere Blick über die Stadtmauer hinaus, daS Gefühl des
Zusammenhangs mit dem großen Vaterland und das Bewußt-
sein von der Nothwendigkeit eines neidlosen, großartigen Zusam-
menwirkens der Städte — diese Eigenschaften gehen schon im
fünfzehnten Jahrhundert allmählich im Zunftgeist unter. Wie
vortheilhaft unterscheidet sich die Klugheit der schweizerischen Städte,
welche ihre Aristokratie behielten, von dem politischen Ungeschick
das unsere Städte zum Beispiel im Bauernkriege gezeigt haben!
 
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