Nr. S82
Erscheint, Montag» ausgenom-
men, täglich Morgens in 1800
Exempl. und kostet mit dem Unter-
haltungsblatte vierteljährl. 1 il.
Anzeigen werden in dem „Mann-
Samstag. 27. November U'iZSLSLlL
die gewöhnl.Zeil: berechn, mit S kr.
1838.
Auf den „V^annheinrer Anzeiger"
W und das „Unterhaltungsblatt" kann man
sich noch für den Monat Dezember mit
Av Kreuzern abonniren, bei den Postanstalten, den Boten der
Umgegend, den Tragern in der Stadt und der Erpedition, Lit.
X2 Nr. 9 in Mannheim.
Die Ankunft -es Handwerks.
(Schluß.)
Betrachten wir etwas genauer die Art und Weise, wie sich
bei vollkommener Freiheit das Erwerbsleben gestalten könnte, so
wird man erst die große Mannichfaltigkeit gewahr, mit der Hand-
und Maschinenarbeit, Klein- und Großbetrieb sich durcheinander
schlingen. In einigen Erwerbszweigen herrscht jetzt fast schon
ausnahmlos der Betrieb durch Maschinen und großes Capital.
Die Spinnerei und Weberei von Leinwand, worin einst
vielleicht ein Zehntel der Bevölkerung Deutschlands eine NahrungS-
quelle fand, ruhte ganz auf Handarbeit; jetzt dagegen setzen, we-
nigstens in der Spinnerei, nur noch ganz wenige, vereinzelte
Bevölkerungssplitter in Westphalen, Sachsen, Böhmen und Schle-
sten den trostlosen Kampf gegen die Maschine fort. Bekanntlich
wurde diese unsere einst so blühende Industrie durch die auslän-
dische Concurrenz niedergeworfen, und erst seitdem auch wir unsere
Arbeitskraft mit der Maschine bewehren, lebt dieser uralte Zweig
deutschen Erwerbssinnes wieder auf. Ze rascher nun die einst
selbstständigen Spinner sich dem Funkbetrieb anschließen, um sc
besser für sie. In Böhmen verdienten sie durch Handarbeiten
nur noch die Hälfte, ein Viertheil, ja sogar nur ein Sechstel von
dem Lohn, den sie nun in den Fabriken erhalten, ja es hat sich
dort der merkwürdige, aber in der Natur der Sache liegende Satz
herausgestellt: daß der Lohn, bei sonst gleichen Verhältnissen, um
so höher ist, eine je größere Ausdehnung das Etablissement
besitzt.
In der Weberei ist das Uebergewicht der Dampfmaschine
und deS großen Capitals minder überwältigend Neben den
Kraststühlen erhalten sich noch immer Handstühle, besonders die
vervollkommneten, deren Handhabung Geschicklichkeit erfordert, wie
z. B. die Regulatoren und Jacquardstuhle. Auch die Association
hat sich auf diesem Gebiete schon bewährt, indem z B. die Tuch-
machermeister in Reichenberg gemeinsam eine Schönfärberei und
mehrere Wasserwerke für Walken und Rauhmaschinen besitzen. Um
indessen auch den unbemittelter» Meister in den zeitweisen Besitz
der Maschinen zu setzen, haben in England spekulative Köpfe
einige Anstalten errichtet, worin die Triebkraft von Maschinen auf
Tage oder Wochen vermiethet wird. Werden solche Etablisse-
ments, wie eS sehr nahe liegt, von den Meistern oder Arbeitern
selber gegründet, so gelangen wir unmittelbar bei den Schulze'schen
Genossenschaften an. Wir sehen also in diesem Gewerbszweig
gleichzeitig die Dampfmaschine wie die Hand thätig, neben dem
großen Capital kämpft daö kleine Capital, welches sich unfehlbar
mehr und mehr durch Association verstärken wird.
Als geraden Gegensatz zur Spinnerei nehmen wir zum Bei-
spiel das Metzgerhandwerk. Wenn wir hier von den Schwein-
schlächtereien in Cincinnati oder den Wurstmaschinen absehen, so
ist eine Verwendung der Maschine in diesem Geschäft gar nicht
wohl denkbar. Auch die Größe des Capitals ist über einen ge-
wissen Punkt hinaus ziemlich gleichgültig. Selbst für die Asso-
ciation bietet das Metzgerhandwerk nur einen weniger dankbaren
Boden. Die Metzger sind eigentlich kleine Kaufleute, die, wenn
sie anders Geschäftskenntnisse und ein mäßiges Capital besitzen,
von keiner Maschine und von keinem Großkapital so leicht bedroht
werden; daher bedürfen sie auch weniger dringend der Genossen-
schaften, doch weniger freilich der geschlossenen Zünfte. Eine po-
lizeiliche Ueberwachung läßt sich durch andere Mittel erreichen.
Ganz ähnlich stehen auch die Bäcker halbwegs im Kaufmanns-
stand, nur daß sie leichter mit dem großen Capital in Konflikte
kommen, weil durch den Ankauf von Mehl im Großen, durch An-
wendung von Knetmaschinen und drgl., so wie durch Benutzung
von großen, besser construirten Oefen, sich für Aktienunternehmun-
gen Vortheilc und Ersparnisse ergeben, denen das Bäckerhand-
werk vielleicht nur durch Vergesellschaftung die Spitze wird bieten
können.
Auch die Uhrmacher sind mehr Kaufleute; sie verfertigen be-
kanntlich seit geraumer Zeit keine Uhren mehr, sie setzen nur zu-
sammen oder repariren. Wie könnten sie auch mit den Fabriken
konkurriren, wo die Arbeitstheilung so weit durchgeführt ist, daß
die Theile einer einzigen Uhr durch 93 Hände laufen? Trotz-
dem hat ihre Zahl nicht abgcnommen, und ihre Läden sind glän-
zender denn je.
WaS die Schuhmacher, Tischler und Schneider betrifft, so
finden wir bei ihnen einen besonders geeigneten Boden für freie
Genossenschaften. Wenn ein Schuhmacher mit einem Gerber
handelte, so stand der ärmste Handwerker einem der reichsten ge-
genüber; der erstere war meistens in die Hand des letzteren ge-
geben. Die Verbindungen zu gemeinsamem Ankauf der Rohstoffe
müßten also hier besonders vortheilhast sein. Bei den Schreinern
war es ähnlich. Zugleich läßt sich bei letztem eine weitgehende
Theilung der Arbeit durchführen, so daß sie auf Produktivassocia-
tionen vorzugsweise hingewiesen sind, obwohl die Theilnahme deS
Einzelnen am Erlös wegen der complicirtern Natur ihre Arbeits-
waaren nickt so einfach zu bestimmen ist wie in der Verkaufs-
halle der Schuhmacher. Indem im Schneiderhandwerk mehr und
mehr die Nähemaschine die einfachsten nnd rohsten Arbeiten über-
nehmen wird, bleiben für die Menschenhand das Anmeffen und
Zuschnciden, das Verbinden und Nachhelfen, jedenfalls aber noch
genug Beschäftigung übrig. In diesem Gewerbszweige tritt uns
besonders klar hervor wie Maschine und Menschenkraft sich stützen
und ergänzen sollen
Wie flüchtig wir aber auch in dieser Wesse einzelne Gewerbe
überblicken, so geht doch so viel daraus hervor, baß unter dem
Begriff des „Handwerks" sehr verschiedene Zweige der menschli-
chen Thätigkeit zusammengefaßt sind, von welchen einige kaum
etwas anderes als den Namen gemeinsam haben. Nur wenige
ruhen auf der eigentlichen Handarbeit, andere gehören zu den
kaufmännischen Geschäften, und noch andere gehen unmerklich in
das Fabrikwesen über. Wo liegt nun die Gränze? Warum
nun diese sogenannten „Handwerke" auö den übrigen Beschäfti-
gungen herausgreifen und sie mit eigenthümlichen Zwangsbefug-
nissrn ausstatten? Und wenn nun ein Gesetzgeber in diese oft
w'-ckidersam verschlungene Mannichfaltigkeit der Verbindungen
von Mann und Maschine, von Capital und Intelligenz hinein-
treten wollte, mit der Absicht, einem jeden Gewerbe „seine Be-
fugnisse" anzuweisen, dem einen die Maschine zu erlaubens dem
andern zu verbieten, hier eine beschränkte, dort eine unbeschränkte
Gesellenwahl zu gestatten, hier die Concurrenz der Meister vom
Lande zu regeln, dort sie ganz fcrnzuhalten: müßten nicht aus
einem solchen Versuch ganz unvermeidliche Rechtsverletzungen
und höchst bedenkliche Verwirrungen hervorgehen?
In der That, daö einzige Mittel diese Verhältnisse zu ord-
nen, besteht darin, daß man sie sich frei entwickeln lasse. Eine
jede Kraft wird dann von seiber in die Rolle eintretm, zu deren
Ausfüllung sic von der Natur berufen ist. In kurzem wird
man dann eine Fabrik finden, wo eine Fabrik hingehört, und
die Handarbeit wird genug sichere Stellen gewonnen haben, wo
niemals eine Maschine ihr gefährlich sein kann. Lasse man nur