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Mannheimer Anzeiger — 1858

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Nr. 129 – Nr. 153 (1. Juni – 30. Juni)
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Nr. 152
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https://doi.org/10.11588/diglit.29921#0655

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Nr. ISS

Erscheint, Montags ausgenom-
men, täglich Morgens in 1800

Dienstag, LS Juni

Anzeigen werden in dem„Mann-
beimer Anzeiger" und dem tägli-
chen „Straßenplakat" zusammen

1858.

haltungsblatte Vierteljahr!. SL kr.

. Zum Abonnement auf das beginnende dritte
Quartal (Zuli, August und September) für
3L Kreuzer ladet ergebens! ein
Die Expedition Les ^Mannheimer Anzeiger.

Hl Mannheim, 28. Juni. Die herrliche Witterung ruft !
mächtig hinaus in's Freie zum Genüsse der ländlichen Freuden,
zur Erholung und Stärkung für das eigene Leben. Die vor-
nehme Welt strömt in die Bäder, um an den Heilquellen zu ge-
funden, sich zu zerstreuen und zu erholen. Die bürgerlichen Ele-
mente benutzen dazu ihren gegebenen Ruhetag, um sich hier für
lange Zeit wieder die nöthige Kraft und Stärke für das Berufs-
leben zu sammeln. Unsere zahlreichen Gesellschaften geben dazu
stets den willkommensten Führer. So machte gestern vie Gesell-
schaft „Liedertafel" einen Ausflug an die Bergstraße, der mit zu
dem Gelungensten zählt, was wir in dieser Beziehung bis jetzt
erlebt. Die Gesellschaft bestand aus circa 106 Personen beiderlei
Geschlechts. Mit dem ersten Zuge ging's von Mannheim in die
herrlichen Gegenden der Bergstraße, deren schönste Punkte in
vollen Zügen genossen wurden. Nachmittags versammelte sich
die Gesellschaft in Heppenheim zum fröhlichen Mahle, während
dessen sie aufs erhebendste durch den dortigen Gesangverein über-
rascht wurde, der sich still und unbewußt in einem Nebenzimmer
gesammelt hatte. Unter gehobener Stimmung hörte man den
aufmerksamen Sangesgrüßen des Heppenheimer jungen Vereines
zu. Nach beendeter Mahlzeit begannen die Mannheimer Sänger
ihre begeisterten Liedervorträge, die von dem zahlreich lauschenden
Publikum mit stets gesteigertem Beifalle ausgenommen wurden.
Unter Gesang und in der heitersten Stimmung verflog der Nach-
mittag, der nur einen Mißton gebar:.den Abschied. Man trennte
sich ungern von der liebgewonnenen Stätte; nur der Wunsch des
Wiedersehens konnte den letzten Händedruck in Etwas erleichtern.
Es war ein schöner Tag, den frohe Menschen glücklich zusammen
feierten, um von dessen wohlthuenden Erinnerungen bis zur baldigen
Erneuerung zu leben.
Aus Baden. Die Arbeiten an dem neuen Bahnhof !
zu Kehl am Rhein nebst den dazu gehörigen Gebäulichkeiten,
Gütermagazin, Maschinenhaus u. s. w. sind im vollen Gang,
und bereits ragen die Fundamente über den Boden hervor. Das
sumpfige Terrain bot und bietet noch viele Schwierigkeiten, in-
dem man 14—15 Fuß hinabgehen mußte, um auf einen Boden
zu kommen, der für die Fundamente fest genug ist. Auch die
Brückenarbeiten sollen mit aller Eugene in Angriff genommen
und so rasch als möglich zu Ende geführt werden. Man wird
eine neue, noch wenig in Anwendung gekommene, aber durchaus
erprobte Pfeilerkonstruktion vermittelst kolossaler eiserner Röhren
in Anwendung bringen. — Im Garten des Kunstgärtners Joh.
Möndelin in Freiburg steht eine Ananas-Rebe, welche an
einer Latte von 18 Fuß gezogen ist. An derselben wurden 346
Trauben gezählt, welche verblüht haben und im schönsten Wachs-
chum stehen. Es ist dieses gewiß ein seltenes Beispiel großer
Fruchtbarkeit.
* Graf Chambord — Heinrich V. von Frankreich — traf
am 26. Juni aus Frohsdorf in Frankfurt ein.
* Anfangs Juli läuft die sechswöchentliche Frist ab, welche
durch Bundesbeschluß vom 20. Mai Dänemark zur Beant-
wortung der Frage gewährt wurde, was es ü'.uf die gerechten
Beschwerden Holftein's und Lauenburg's thun wolle. Noch ist
keine Antwort erfolgt. Wird sie überhaupt und in welcher Weise
erfolgen? Nach der Vundesordnung hat nach Ablauf des Ter-
mins ohne Antwort, die Bundes-Erekution zu erfolgen.
* In Koblenz fand dieser Tage ein „Brodkrawall" statt.
Am Tage vor der 14tägigen Tarbestimmnng des Brodes, an
welcher ein Aufschlag erwartet wurde, weigerten sich die Bäcker,
Brod zu verkaufen, so daß ein allgemeiner Mangel an diesem

die gewöhnl.Zeüe berechn, mit T kr.

nothwendigsten Bedürfniß entstand. Die Polizei mußte energisch
einschreiten, um die wachsende Aufregung zu unterdrücken. Die
angestellte Haussuchung ergab, daß der Vorwand, kein Mehl
zu besitzen, in vielen Fällen ein grundloser war.
* Oesterreich beschleunigt die Befestigung von Piacenca.
Turin, 24. Juni. Einige Journale erwähnen eines Ge-
i rüchts über die angebliche Verhaftung Mazziui's zu Novi. Die
„Opinioue" widerlegt dieses Gerücht, indem sie berichtet, daß ein
wohlbekannter Abgeordneter (Lorenzo Poerro) irrthümlich festge--
nommen, aber sofort wieder in Freiheit gesetzt wurde.
Neapel, 20. Juni. Nicht genug, daß Erdbeben und später
ein Bergsturz Unheil und Verderben in und bei Sala angerichtet
haben, hat auch ein Wolkenbruch, von schauderhaftem Orkan be-
gleitet, sich noch dazu gesellt. Ersterer war so groß, daß seine
Wasserströmungen das furchtbare Herabrollen gewiß schon gelocker-
ter Felsmassen beschleunigt haben, die mehrere Häuser zerschmetter-
ten. Theils unter den Trümmern, theils in den Wasserfluten
haben zweiundzwanzig Personen das Leben eingebüßt; von fünf
derselben hatte man die Leichname noch nicht auffinden können.
Die Eruption des Vesuvs hat unterdessen ihr Ende erreicht; die
Lavaströmung ist erstarrt, und beginnt zu erkalten. Auch fliegt
afis dem Krater Asche als Wahrzeichen aus, daß es vorderhand
mit der Gluth nichts mehr zu sagen hat. Aber der Kegel ist an
mehreren Orten schrecklich geborsten. Aus einigen dieser weit-
aufklaffenden Spalten, die man anfangs für Seitenöffnungen hielt,
strömte die glühende Lava. Die Eigenthümer, deren Grundstücke
der Lavastrom überschwemmt har, finden nunmehr statt Wein-
reben und Fruchtbäume ein mächtiges Felsenlager. (A. Z.)
* Nach der L. C. befindet sich Fuad Pascha besser. Bereits
konnte er das Bett verlassen, und wenn diese Besserung im Ge-
sundheitszustände des türkischen Bevollmächtigten fortdauert, so
dürfte die nächste Conferenz am nächsten Dienstag stattfinden.
Man meldet aus Paris die bevorstehende Verlobung des
Prinzen Napoleon mit einer württembergischen Prinzessin.
* Nach der Angabe des „Nord" wird vaö zum Empfang des
Kaisers in Brest bestimmte Geschwader 12 Schraubenlinienschiffe,
5 Schraubenfregatten, 4 Corveten und viele Dampfavisos zählen.
''' Die englische Regierung hat die Untersuchung gegen
Alsop aufgegeben. Derselbe ist bekanntlich der Theilnahme an
dem Attentat vom 14. Januar angeklagt.
* Lord Derby hat, um allen Streitigkeiten und Händeln
wegen der Neger- und KuliSsrage abzuhelfen, beschlossen, die eu-
ropäischen Kabinette un allgemeinen Interesse deS Seehandels
zur Vereinbarung eines „allgemeinen Reglements der Polizei der
Meere" aufzufordern.
* Von Petersburg wird telegraphirt, daß Kaiser Alexan-
der am 24. Juni eine Reise nach Archangel angetreten hat
Prinz Napoleon wird in Begleitung von Marschall Randon
eine Reise nach Algerien unternehmen, um die unter seine Lei-
tung gestellte französische Provinz in Afrika in allen ihren Thei-
len kennen zu lernen. Es scheint, daß das neue Ministerium
von Algier und den Colonien wenigstens für den Anfang im
Palais Royal untergebracht werden soll. — Eine gewisse Anzahl
von Präfekten ist augenblicklich in Paris anwesend, um mit dem
neuen Minister des Innern zu conferiren. — Herr Delangle
verlieh allen Journalen ohne Ausnahme das Recht des Straßen-
verkaufs. Auch die Jndep. belge erhielt die früher gehabte Erlaub-
niß. Die Patrie freut sich dieser Maßregel, welche uns dem
System der Freiheit nährt und am angemessensten ist. (Pf. Z.)
Nach Berichten aus New-Jork vom 12. d. M. war
Gouverneur Cumming als Gouverneur in der Mormonenstadt
installirt. Diese verließen die Stadt und wendeten sich der So-
nora zu. Die Differenzen mit England werden als beigelegt er-
achtet, da die brittische Regierung ihre Offiziere anwieö, weitere
Durchsuchungen zu unterlassen. (T. Hav.)
 
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