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Mannheimer Anzeiger — 1858

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Nr. 260 – Nr. 284 (1. November – 30. November)
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Nr. 261
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https://doi.org/10.11588/diglit.29921#1243

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Erscheint, Montag- au-gtnom- Anzeigen werden in dem „Manv-
361 mrn, täglich Morgen- in 1800 3 Heimer Anzeiger" und dem taglt- 1^5^
»VL Exempl. und kostet mit dem Unter- chen „Straßeuplakat" zusammen Z.o<»0.
Haltungsblatte vierteljährl. L fl. die gewöhnl.Zetl: berechn.mit Skr.

Auf den „Mannheimer Anzeiger"
und das „Unterhaltungsblatt" kann man
sich noch für die Monate November und
Dezember mit 40 Kreuzern abonniren, bei den Postanstal-
ten, den Boten der Umgegend, den Trägern in der Stadt und
der Expedition, Lit. X2 Nr. 9 in Mannheim.

Die Zukunft des Handwerks
Freiheit der Arbeit! Beiträge zur Reform der Gewerbegesetze von
Dr. Victor Böhmen. — Die arbeitenden Klassen und das
Affociationswesen in Deutschland von Schulze-Delitsch.
I.
In England pflegt man jetzt die Entwicklung der volks-
wirthschaftlichen Verhältnisse jener organischen Volkskraft zu über-
lassen, aus welcher das ganze England mit allen seinen sestbe-
gründeten Zuständen hervorgewachsen zu sein scheint. In Deutsch-
land ist dies noch nicht der Fall; das wirthschaftliche Leben wird
vielfach beeinflußt von Regierungsansichten; daher ist die Aufgabe
der Wissenschaft, aus welcher die Rcgierungskreise vielfach ihre
Ansichten empfangen, bei uns eine so überaus wichtige. Auf dem
Umwege der Theorie gelangt bei uns manches zum Durchbruch,
dessen natürliches, praktisches Entstehen mit Hindernissen zu
kämpfen hatte.
Die beiden Schriften, die wir hier kurz auzeigeu wollen,
haben eine der brennendsten Fragen der Gegenwart von zwei
verschiedenen Seiten her beleuchtet. Sie handeln von der Zukunft
des Handwerkerstandes. Sonst galt in Deutschland vorzugsweise
das Sprüchwort: „Das Handwerk hat einen goldenen Boden."
Jetzt aber sehen wir die Bauern wieder zu Wohlstand gelangen,
die Fabrikanten werden reich, der Lohn der Fabrikarbeiter steigt,
nur die Handwerker gehen zurück, oder nehmen wenigstens an
dem allgemeinen Aufschwung einen nicht verhältnißmäßigen An-
theil. Woher dies? Warum bleiben die Handwerker zurück?
Die Hauptursache dieses Zurückbleibens findet die erstere
Schrift in dem veralteten Zunftwesen, das Heilmittel bietet sich
daher von selber — die Gewerbefreibeit. Gleichsam als Pro-
gramm seiner fämmtlichen Auseinandersetzungen eitirt der Verfasser
die tiefdurchdachtcn Worte Smiths: „Das Recht, welches jeder
Mensch hat, die Früchte seiner eigenen Arbeit zu genießen, sowie
eS das älteste und ursprünglichste aller Eigenthnmsrechte ist, sollte
Rllig auch das heiligste und unverletzlichste sein. Der einzige
Schatz eines armen Mannes besteht in der Geschicklichkeit und
Stärke seiner Hände; und ihn verhindern, diese Stärke und diese
Geschicklichkeit auf die ihm wohlgefälligste Weise ohne Beeinträch-
tigung irgend eines Menschen zu gebrauchen, heißt das heiligste
Eigenthum desselben verletzen. Es ist ein Eingriff sowohl in die
natürliche Freiheit nicht nur des arbeitenden Mannes selbst, son-
dern auch der Personen, die sich seiner Geschicklichkeit bedienen
wollen. So wie der eine gebindert wird zu arbeiten was ihm
gut dünkt, so werden die andern gehindert, den für sich arbeiten
zu lasten, welcher ihnen gefällt. Ob ein Mensch zu der Verrich-
tung, welcher er sich unterzieht, tüchtig sei, kann sicher der Beur-
theilung derer überlassen werden, welche seine Arbeit gebrauchen,
da es thr Interest? so unmittelbar und so nahe angeht. Die
Besorgnisse des Gesetzgebers, daß sie eine unrechte Wahl treffe«
möchten, find eben so unnöthig, als die Anstalten, durch welche
er dies zu verhüten sucht, drückend sind." Bei der Frage: was
leistet die Gewerbefreiheit in gewerblicher Hinsicht? macht der
Verfasser darauf aufmerksam, daß auf den verschiedenen Weltaus-
stellungen sich das Zurückbleiben der deutschen Handwerker im
Vergleich zu dem Handwerk gewerbfreier Länder klar herausge-
ftellt, während die Maaren unserer Fabriken theilweise in erster
Linie standen. Bei der Frage: waö leistet die Gewerbefreiheit

in sittlicher Beziehung? wird daran erinnert, daß vom alten Cor-
porationsgeift der Zünfte fast nur noch die Begriffe „Privilegium,
Schutz der Privilegien, Abwehr der Nichtprivilegirten und ihrer
Maaren" übrig geblieben sind. Es wird dem Verfasser schwer-
lich zu widersprechen sein, wenn er sagt, daß die Thätigkeit der
Zünfte keine nach innen kräftigende, sondern eine nach außen ab^
wehrende, von der Selbsterkenntniß und Selbstverbesserung ab-
führende sei. Wo sind die Beweise, daß eine Zunft als solche
ihr Gewerbe weiter fördert, daß sie über Verbesserungen im Be-
trieb des Gewerbes beräth, daß sie Maschinen zur Erleichterung
der gemeinsamen Arbeit anschafft, daß sie Zeitungen, Muster,
Modelle, Bibliotheken zur Fortbildung der Meister und Gesellen
und Lehrlinge hält? Und sollte es nicht von einem liebevollen
genossenschaftlichen Geist sehr entfernt sein, wenn die Zunft sich
vorzugsweise damit abgibt, armen „Bönhaseu," deren einziges
Vergehen die Arbeit war, eifrig aufzupasseu, sie zu verfolgen
, und'sie von dem Emporringen zu einer bessern Existenz abzuhal-
ten? Noch kein großer Gedanke, keine patriotische Idee ist aus
den jetzigen Zünften hervorgegangen. Und wo bleiben die Er-
findungen? Professoren wie Liebig, Bunsen, Arago, Wöhler und
andere haben die Industrie von ihren Laboratorien und Lehr-
stühlen aus weiter gebracht, als Hunderttausende von Zunftmei-
stern. Die größten Erfinder seit Schwarz und Gutenberg bis
Watt oder Arkwright waren eigentlich „Pfuscher" im technischen
Sinn der Zunftsprache. (Forts, folgt.)

V" Mannheim, den 2 Nov. Der christliche Friedhof, wie
er nach vorausgegaugener Einweihung am 14. Juli 1842 er-
öffnet wurde, umfaßt 12^ badische Morgen Land. Bis jetzt,
nach i6 Jahren, fanden aufdemsesben 9110 Persouen ihre letzte
Ruhestätte und nur eine Reihe ist noch auf dem großen Raume
zu weiteren Begräbnißplätzen frei. Da nun die Bodeneigen-
schaft eine Benützung von vornen an noch nicht gestattet,
so erwarb die Gemeinde 8 Morgen Land weiter, welches dem
Friedhöfe einverleibt wurde und heute die kirchliche Weihe erhielt.
Eine unzählige Menge hatte sich auf dem Friedhöfe eingefundcn,
um theils die Gräber ihrer Lieben und Angehörigen zu besuchen,
als der Feierlichkeit der Einweihung des weiteren Theiles beizu-
wohnen. Von der evangelischen Kirche aus fand die Weihe ihren
Ausdruck in der Rede des Herrn Dekanatsverweser vr. pllil.
Schwarz, und gab von katholischer Seite Herr Dekan Vfohl,
nach vorausgegangenen Cermonien, der Bedeutung der Weihe
belehrende Worte, worauf die Einsegnung stattfand.
* Die Saison in Baden-Baden ist beendigt. Die Zahl
der Gäste erreichte die Ziffer 47,698; sie blieb hinter der vorig-
jährigen Zahl zurück.
* Dr. Bücheler, Privatdozent in Bonn, würde an die Stelle
des nach Wien abgegangenen Dr. Vahlen zum außerordentlichen
Professor der Philologie in Freiburg ernannt.
Zweibrücken, 1. Nov. Ernst Moriz Arndt ist wegen
Preßvergehens vor die nächsten Assisen der Pfalz verwiesen Die
Anklage lautet dahin, in seinem, auch in der Pfalz verbreiteten
Werke: „Meine Wanderungen und Wandelungen mit dem
Reichs-Freiherrn Heinr. Carl Friedr. von Stein", Facta erzählt
zu haben, welche, wenn sie wahr wären, für den Feldmarschall
Grafen v. Wrede, so wie für die von demselben kommandirten
bayerischen Truppen, und namentlich deren Offizieren, in hohem
Grade schimpflich und entehrend wären, und daß davon nament-
lich alle jene königl. Offiziere und Militärbeamteu, und zwar
nicht die Privatpersonen, sondern das von ihnen bekleidete Amt,
betroffen werden, welche von jener Zeit her noch am Leben sind.
Demgemäß wird E. M- Arndt durch Urtheil der Anklagekammer
des k. Appellationsgerichts der Pfalz, vom 30, Okt. , wegen der
 
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