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Mannheimer Anzeiger — 1858

DOI Kapitel:
Nr. 28 – Nr. 51 (1. Februar – 28. Februar)
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Nr. 43
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https://doi.org/10.11588/diglit.29921#0183

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Maniibciiiicr


Nr. 43

Erscheint, Montags ausgenom-
men, täglich Morgens und kostet
mit dem Unterboltungs - Blatte
vierteljährlich LL kr.

Freitag, IS. Februar

Anzeigen werden im „Mannhei-
mer Anzeiger" und dem täglichen
„Straßenplakat" die Zeile berech-
net mit T kr.

1838.

* Karnevals-Rundschau.
m
Die Gesellschaft der „Ertra-Narren" aus 0er „Schweiz"
im „Prinz Mar" führte in Verbindung mit der „Narrhalla" und
„Ranzengarde" diesen Zug ans. Diesen langen Zug in seinen Ein-
zelnheilen zu besprechen, würde sich zu sehr in die Länge ziehen. Im
Ganzen aber darf gesagt werden, daß derselbe sinnig geordnet, in
seinen Gruppirungen richtig zusammengestellt und witzig arrangirt
war. Die Gesellschaft der „Ertra-Narren" fetzte in diesem Zuge
ihren bekannten Mutterwitz in das beste Licht. Einzelne Gruppen
erregten viele Heiterkeit. Das Gesammtbild dieser Abthcilung
des Zuges war ein befriedigendes; der dabei zur Schau getragene Witz
ein natürlicher und von effektreicher Art war- Die „Ran.zengarde"
reihte sich dem Zuge der „Ertra-Narren" an, und erregte durch
die Kühnheit ihrer Offiziere und die kriegerische Haltung ihrer
muthigen Gardisten allseitig die beifälligste Aufmerksamkeit. Mit
väterlichem Swlze schauten die unerschütterlichen Krieger auf die
jugendliche „KlepperGarde" herab, in der süßen Hoffnung, aus
dieser vielversprechenden Schaar würdige Nachfolger zu erhalten.
Der Gesammtzug bewegte sich einige Stunden lang durch die
Straßen der Stadt nach allen Richtungen hin, überall begleitet
von einer unzählbaren Menschenmenge. Alle Fenster und Herzen
waren weit geöffnet, um die glorreiche Erinnerung in das tiefste
Innere aufzunehmen.
Die Gesellschaft „Walhalla", die diesmal keinen Umzug ab-
hielt, gab an dem Abende dieses berühmten Tages im großen
Saale des Hoftheaters einen glänzenden Kappenball. Die Spitzen
der Civil- und Militärbehörden beehrten den Ball mit ihrer Ge-
genwart und verweilten lange Zeit in den fröhlichen Räumen,
auf's Freundlichste an dem allgemeinen Vergnügen Theil nehmend.
Die Vorsteher der sämmtlichen geselligen Vereine Mannheims
entsprachen ebenfalls den an sie ergangenen Einladungen durch
gefällige Teilnahme. Die Damenwelt entfaltete einen reichen
Glanz der Toilette, während die bunte Narrenkappe die Ballan-
züge der „Walhaüesen" zierte. Eine Produktion des „Singverein"
erfreute sich so sehr des allgemeinen Beifalls, daß stürmisch eine
Wiederholung verlangt wurde. Zn der großen Pause überreichte
die Gesellschaft „Walhalla" durch 11 Jungfrauen unter entspre-
chenden Feierlichkeiten ihrem Präsidenten, Herrn August Wunder,
als Zeichen der Anerkennung, einen prächtigen silbernen Pokal
auf einer dazu gehörigen Platte nebst einem Weihegedichte. Ge-
tragen von der erhöhten Stimmung dieser Feierlichkeit, schloß der
Ball am frühen Morgen unter allgemeiner Zufriedenheit. Die
Erinnerung an diesen Kappenball der „Walhalla" zählt sicher
zu den würdigsten Festen der Wintersaison der ganzen Stadt.
Der Fastnachtmontag schleppte sich zwischen Scyn und Nicht-
seyn dahin, um alle Hoffnungen auf die Herrlichkeiten des Diens-
tag zu vertrösten. Nur die Ranzcngarde machte interessante Vor-
bereitungen für diesen großen Tag. Die gelieferten Gefechte
waren in Anlage und Ausführung eben so großartig als ergiebig,
und die Beute nach ruhmvoll bestandenem Kampfe eine unübersehbare.
Unter solchen Verhältnissen brach am Dienstage frühe der
große Morgen an. Die „Ranzengarde" leitete den letzten Fa-
schingstag durch einen musikalischen Zapfenstreich ein, und bezog
unter großer Theilnahme des Volkes ihr Lager, das sie in den
Tagen vorher durch ihre Genietruppen hatte erbauen lassen.
Von der Mittagsstunde an bewegte sich der Maskenzug der
„Ertra-Narren" abermals durch die Straßen der Stadt, bis zum
späten Abend den zahlreichen Neugierigen angenehme Unterhaltung
gewährend. Diesmal war der „ertra-närrische" Zug bedeutend
vergrößert und durch neue Gruppen vermehrt. Außerdem hatten
sich demselben mehrere Ehrenmitglieder angcschlossen. Durch die
größere Muse der Beschaulichkeit war die angenehmste Gelegen-
heit geboten, sich die einzelnen Masken dieses Zuges genauer an-

zusehen, wodurch sich das allgemeine Urtheil der gesummten Be-
friedigung auösprach.
Die „Ranzengarde" war diesmal nicht beim Zuge; dieselbe
unterzog sich mittlerweile mit bewunderungswürdiger Ausdauer
der massenhaften Vertilgung dessen, was Küche und Keller in
Hütte und Fülle Ausgezeichnetes boten. Der Vorstand der
„Walhalla" und viele Mitglieder dieser Gesellschaft waren durch
die Regimentsmusik der „Ranzengarde" zu diesem Festmahle ab-
geholt worden. Ebenso beehrten die Spitzen der Civilbehörden
das Lager mit ihrem Besuche. Zn ungemein heiterer Stimmung
und in der geselligsten Ordnung bot das Lager bis zum späten
Abende ein frohes Bild eines angenehmen Karnevallebens. Der
Abend sah die Gesellschaften in ihren Lokalen, während der übrige
närrische Theil der Stadt sich auf dem großen Maskenballe in
den Sälen des Hoftheaters zusammen fand-
Der Mittwoch kam mit Katzenjammer und Geldüberfluß im
Gefolge. Denn die „Ertra-Narren" hielten noch ein splendides
Essen im „letzten Heller" und die „Walhalla" bewirthete die
„Ranzengarde" bei einem noblen Nachtessen im „Badner Hofe."
Es waren schöne Tage, Tage angenehmer Erinnerung!
Mögen sie glücklich wiederkehren, um die Menschen in einigen
Tagen sür Wochen und Monde der Mühen und Lasten zu
entschädigen!
Der Mensch hat ein Recht an die Freude; Volksfeste aber
gehören zum naturgemäßen Leben des Volkes!

Heidelberg, 16. Febr- Was schon seit einigen Wochen
zu befürchten war, ist heute leider eingetreten. Der ehrwürdige
Nestor der hiesigen Universität, Geh. Rath vr. Creuzer, ist in
einem Alter von beinahe 88 Jahren aus diesem Leben geschieden.
Die Theilnahme an seinem Hinscheiden ist hier allgemein, da er
eben so hoch als Mensch, wie als Gelehrter hochgeachtet und
verehrt war. (K. Z.)
* München, 14. Febr. Gestern haben die hiesigen Künst-
ler eine „italienische Nacht", als Faschingsfest, gefeiert. Der
schöner Feier hatte auch der Hof beigewohnt.
Stuttgart, 11. Febr- Heute wird den Gläubigern eines
der falliten Bankhäuser (Weiß jun.) das Ergebniß der Vermögens-
ausnahme mitgetheilt werden; dasselbe ist traurig genug, da etliche
500,000 fl. reiner Verlust bei diesem Hause allein sich darstellen.
Verloren wird auch der Fond des Kepler-Denkmals sein, welcher
seit längerer Zeit zur Errichtung eines Monuments für den großen
Astronomen in dem Heimathorte desselben, Weil der Stadt, ge-
sammelt wurde, und welcher bei Weiß deponirt war. Ebenso hat
die Gemeinde Gschwend, im vorigen Sommer durch einen Brand
heimgesucht, 7500 fl. von den für sie gesammelten Unterstützungs-
geldern bei dem Bankhaus deponirt, welche nun auch größtentheils
verloren sind. (N. C.)
* Stuttgart, 15. Febr. Endlich bekommen wir Wasser.
Seit 36 Stunden regnet es unaufhörlich. Es war hohe Zeit!
* Mainz, 17. Febr. Seit heute früh ist die hiesige Schiff-
brücke wieder aufgesahren.
* Worms, 1. Febr. Das heute erschienene I.Verzeichniß
der Beiträge zum Lutherdenkmal seit Erstattung des Jahresbe-
richtes zeigt wieder 2175 fl. an, die vom 19. bis 31. Jan. l. I.
eingelaufen sind.
Worms, 17. Febr. Der Maskenzug, der den 16. d.
Nachmittags von den Mttgliedern der Narrhalla ausgeführt wurde,
hat sich vermöge seiner logischen Anordnung und charakteristischen
Ausstattung (das Sujet war nämlich: „der Auszug der Kräh-
winkler") vorthcilhaft ausgezeichnet und errang sich den unge-
theiltesten Beifall des Publikums. Dieses Schauspiel zog aus
nah und fern große Schaaren von Landleuten in die Stadt und
hat somit dem geschäftlichen Theile der hiesigen Bewohner neben-
bei auch manchen Nutzen cingebrachl. (Rh. H.)
 
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