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Mannheimer Anzeiger — 1858

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Nr. 233 – Nr. 259 (1. Oktober – 31. Oktober)
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Nr. 254
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https://doi.org/10.11588/diglit.29921#1199

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Rr. 2S4

Erscheint, Montag» ausgenom-
men, täglich Morgens in 1800
Exempl. und kostet mit dem Unter-
baltungsblatte vierteljährl. 1 st.

Dienstag, 28 Oktober

Anzeigen werden in dem „Mann-
heimer Anzeiger" und dem tägli-
chen „Straßenplakat" zusammen
die gewöhul.Zeil: berechn, mit iS kr.

1838.

V" Zur gewerblichen Frage.
Von den öffentlichen Bestrebungen, zur Realisirung der ent-
deckten Wahrheiten und Anbahnung einer entwicklungsfähigeren
Lage des handwerklichen Betriebes, zur Aufbesserung des gewerb-
lichen Wesens überhaupt, machte sich, neben den fortgesetzten
Tätigkeiten der verschiedenen, bestehenden Gewerbevereine, be-
sonders der „volkswirlhschastliche Congreß zu Gotha" und der
Aufruf „Eins, das ganze Deutschland soll es sein", erlassen von
der Direktion des Gewerbvcreins zu Frankfurt a. M., bemerk-
bar. Beide Erscheinungen fanden, wie es nicht anders zu er-
warten war, Beachtung, und schloß der Congreß zu Gotha, nach
einer über Erwarten erfolgten Theilnahme und erschöpfenden Be-
handlung von Seiten der ganzen deutschen Presse — während
der Aufruf des Frankfurter Gewerbevereins und der auf den 25.
Okt. d. I in Aussicht gestellte Congreß zu Frankfurt, obwohl
auch von vielen Seiten beachtet und in der Tragweite erkannt,
sich nicht die günstige Beurtheilnng und Zustimmung der Presse
bis jetzt erworben hat Es ist diese Thatsache eine auffallende
Erscheinung, und muß eine so rasche Verurtheilung des „Aufru-
fes" und seines Wollens sehr befremden, besonders da dieselbe
von Seiten erfolgt ist, die auf Autorität in wirtschaftlichen Fra-
gen Anspruch machen — und weit eher das Anstreben, oder doch
den ausgesprochenen Willen eines zu beginnenden Strebens, hät-
ten anerkennen und erfassen, zu lenken und zu leiten versuchen
dürfen. Enthalt der „Aufruf" vielleicht nicht das richtige Pro-
gramm; grebt er vielleicht nicht die richtige Art und Mittel an,
welche die vorgesteckten Ziele erreichen sollen; zeugt er vielleicht
mehr von einem warmen guten Gefühle, als kalter, ruhiger und
sicherer Berechnung-, so hätte ihm doch allgemeinere Beachtung
durch den ausgesprochenen Gedanken werden dürfen, der am Ende
nicht neu ist, doch mit warmer Erregung ein schönes Zusammen-
streben, eine mögliche Einheit predigt und zu verwirklichen sucht-
Gerade hätten die Autoritäten dieses Anstreben als das Mittel
ergreifen sollen, ihren gesammelten Schatz von Erfahrungen der
selbst thätig werdenden Massenvcrbindung mitzutheilen, und die-
selbe für die Wahrheiten empfänglich zu machen, welche gewiß
nur dann im Stande sind das richtige Prinzip zu begründen
und zu verfolgen, wenn sie allgemein entdeckt sind, das
heißt, wenn sie in die Masse eingedrungen sind und dieselbe
erfüllen. Alle unsere Gewerbvereine beschäftigten sich aus wei-
sen und bekannten Gründen seither stets mehr mit den technischen
Fragen; sie suchten weit mehr auf die Entwicklung zur techni-
scheu Fertigkeit und erhöhten Anschauungsweise , durch Mitthei-
lungen und Selbstlösungen einzmvirkeit, als sie sich mit berWirth-
schaft, mit den Fragen der Form, befaßten und auch befassen
konnten. Sie hatten alle einen mehr oder weniger, doch immer
schwierigen Voden: bis denn der Höhepunkt der jetzigen Zustände
eingetreten zu sein scheint, und ein lebendigeres, ein dem Fühlen
und Denken so vieler Einzelner entsprechendes Vorangehen er-
laubt. Der Vorwurf des Festhaltens oder des Glaubens an den
starren Zunftzwang ist deswegen ebenso ungerecht und un-
gerechtfertigt, als der Glaube ein wahrer ist, daß es nur der
Predigten von den Lehrstühlen der Volkswirthschast bedürfe, um
den alten eingewurzelten Zopf abzuschneiden, und den neuen Zu-
stand, wie ein über Nacht gefertigtes Kleid, an einem schönen
Morgen dem Körper der gewerblichen Thätigkeit anzuziehen.
Dieses verlangt wohl noch eine ziemliche Anstrengung, und setzt
man dann Zweifel in die Macht und den Willen des Bundes,
die vorschwebenden Ziele durch ihn zu erlangen; glaubt man nicht
daran, daß die verschiedenen Negierungen eine Oktroirung sich
gefallen oder überhaupt zur Einführung neuer Formen und Ein-
richtungen sich bestimmen lassen, ehe sie selbst es für gut halten:
dann möchte eS doch die Frage sein, ob nicht eine Aufklärung der !

Masse, eine verbreitete Kenntniß der Zustände, eine errungene
Ueberzeugung von Sein und Werden, am geeignetsten sein dürfte,
dieses den Regierungen am ehesten zu empfehlen; ohne von der gewiß
dadurch schon mittlerweile erzielt werdenden Bessergestaltung nur re-
den zu wollen. Mag die Autoritätenschaft der Volkswirthschast, des
Verkehrs und des Thätigkeitswesens von der Reelität ihrer An-
sichten durchdrungen sein, mag dieselbe noch so sehr auf Con-
gressen denselben Nahrung und weitere Begründung durch Aus-
tausch der Meinungen geben: mag sie noch so sehr mit Erlassen
von Denkschriften re bemüht sein ihre Absichten zu realrsiren, sie
wird mit der endlichen Erreichung nur das halbe Werk voll-
bracht haben, wenn sie nicht zugleich den Körper für die kom-
mende Lage und Zustände vorbereitet hat. Aus diesem Grunde
dürfte der angeregten Absicht des Frankfurter Gewerbevereins
Raum gegeben werden. Es dürfte der gegebene Gedanke erfaßt
und auf richtige Weise angewendet werden, um, neben unausge-
setztem Verfolgen des Prinzipes, eine Thätigkeit in dem Körper
selbst zu erwecken. Dio ganze Masse würde in kräftigende Be-
wegung gesetzt werden; sie würde durch die Einwirkung des
mächtigen Centralpunktes, helfen mitarbeiten an dem Werke und
zugleich für dasselbe vorbereitet und demselben gesund und taug-
lich gemacht; es würden chie Vorarbeiten schon lohnend und das
vollendete Werk ein seg/nbringendes werden.
Professor Philipp Rappenegger.
(Nekrolog.)
.*- Mannheim, 25. Okt. Gestern ist in hiesiger Stadt
ein biederer Mann aus dem zeitlichen Leben geschieden, welcher
36 Jahre in gesegneter Wirksamkeit hier zubrachte, und der Freund-
schaft, Bekanntschaft und Dankbarkeit von Vielen sich erfreute:
— es ist dies der geistliche Rath, Professor Phil. Rappen-
egger.
Geboren zu Vöhrenbach auf dem Schwarzwalde am 6.
April 1788, begann er seine Studien auf dem Lyceum zu Vil-
lingen, Vas unter der Leitung der Benediktiner stand. Im Jahre
1807 bezog er vie Universität Freiburg, um sich dem Studium
der Theologie zu widmen, nach dessen Vollendung er in daS
bischöfliche Seminar zu Meersburg ausgenommen wurde, und im
April 1813 die Priesterweihe erhielt. Der erste Schauplatz sei-
ner geistlichen Wirksamkeit war Radolphszell am Bodensee , wo
er während der Jahre 1813—1817, theilö als Cooporator, theils als
Pfarreiverwalter die Seelsorge ausübte. Noch in späteren Jah-
ren sprach R. gerne von den Erlebnissen während der Kriegs-
trnppenmärsche in jener Gegend. — Bei der großen Vorliebe
für die philologischen Studien, und bei dem regen Eifer, mit
welchem er dieselbe auf der Universität betrieben hatte, wünschte
N. in's Lehramt einzutreten, und wurde,'nach wohl erstandener
Prüfung im Jahre 1817 nach Konstanz berufen, wo er in ver-
schiedenen Classen des dortigen Lyceums mit gesegnetem Erfolg
Unterricht ertheilt.
Das Jahr 1822 führte ihn an das hiesige Lyceum, wo er
als Hauptlehrer der Oberquarta bis zum Jahre 1854 thätig
war, aber auch als Religionslehrer, so wie als Lehrer der Ge-
schichte, seine gründlichen Kenntnisse und reichen Fähigkeiten zum
Besten seiner zahlreichen Schüler verwendete Nebenbei leistete er
in der Jesuitenkirche Aushilfe im Gottesdienste und jeden Sonn-
tag sah man ihn zur bestimmten Stunde am Altäre Gottes.
Im Herbst 1854, also nach einer angestrengten, aber geseg-
neten Thätigkeit von 41 Jahren, die er größtentheils der intellek-
tuellen, moralischen und religiösen Bildung der studirenden Ju-
gend gewidmet hatte, wurde er auf sein Ansuchen in den wohl-
verdienten Ruhestand versetzt; verblieb aber in Mannheim, das
ihm nach so langem und angenehmem Aufenthalte zur zweiten
Heimath geworden war.
 
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