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Mannheimer Anzeiger — 1858

DOI Kapitel:
Nr. 233 – Nr. 259 (1. Oktober – 31. Oktober)
DOI Kapitel:
Nr. 247
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https://doi.org/10.11588/diglit.29921#1153

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Rr. 247

Erscheint, Montags ausgenom-
men, täglich Morgens in 1800
Exempl. und kostet mit dem Untcr-
haltrmgsblatte Vierteljahr!. 1 fl.

Sonntag, 17. Oktober

Anzeigen Verden in dem „Mann-
heimer Anzeiger" und dem tägli-
chen „Straßenplakat" zusammen
die gewöhnl.Zeile berechn, mit T kr.

18Z8.

„ A"» stria."
(Fortsetzung.)
Swan Petersen, Seefahrer von Schweden, der 17Jahre
in den Ver- Staaten war, und Herrmann Randers von
Schweden, sagen aus: Sie nahmen Passage in Hamburg und
verließen am 4. ds. Abends, Southampton. Außer dem bereits
erwähnten Unglücksfall beim Aufziehen des Ankers, ereignete sich
nichts von Bedeutung. Am 12. Sept. Morgens starb eine
Frau im Zwischendeck; den 13. Mittags nach 2 Uhr, waren
wir unterm 450 0U Breite und 400 4.T Länge und befanden
uns am Deck, da alle Passagiere herauf gerufen worden waren,
um das Zwischendeck auözurauchern. Das Wetter war gut bei
leichtem Westwind. Wir hörten Feuerruf und sahen sogleich
starke Rauchwolken aus dem Zwischendeck hervordrmgen; wir
bemühten uns, die Boote loszumachm, doch dies war unmöglich,
da sich zu viele Menschen hineindrängten; während wir damit
beschäftigt waren, kam Capitän Heydtmann heran, und wir
zeigten ihm zwei Segelschiffe, die sich nordwestlich sehen ließen
und forderten ihn auf, den Dampfer in jene Richtung gehen zu
lassen. Zapitän Heydtmann aber rang die Hände und rief:
„Macht die Boote los"; er schien von Schrecken gelähmt und
alles Bewußtseins beraubt. Wir stürzten die Boote endlich über,
aber sobald eins hinabkam, war es gefüllt; wir gingen auf das
Nordertheil und warfen alle Taue über Bord, damit sich die
Menschen an denselben herablaffen konnten, darauf ging Petersen
zu seinem Schwager und seiner Schwester und fragte sie, ob sie
mit ihm über Bord gehen wollten; sie antworteten, daß sie
bessere Hoffnung an der Steuerseite hätten, wo sie einen Balken
hinabließen und sich an denselben zu klammern suchten, es kamen
aber so viele Menschen nach, daß endlich alle sanken. Petersen
und Randers ließen sich endlich, als sie es wegen der andrins
genden Flammen nicht mehr am Deck aushalten konnten, an
herabhangenden Tauen ins Wasser; sie suchten sich zuerst am
unteren Ende zu halten aber die nachfolgende, Menge nöthigte
sie bald, ihren Halt fahren zu lassen, um sich den Wellen zu
übergeben.
Unter den Personen, die sich an denselben Tauen herabließen,
waren besonders viele Frauen, deren Kleider brannten, und die
unter herzzerreißendem Schreien in's Wasser fielen. Es gelang
den beiden Erzählern, sobald sie ihren Halt verloren, schwimmend
eines der Boote zu erreichen, welches noch an den Seilen hing.
Das Boot war überfüllt mit Menschen, es ging das Schiff
entlang und Hs es zur Schraube kam, wurde es von dieser
gefaßh umgestürzt und in 3 Stücke zerschlagen; als sie von der
Schraube loskamen, klammerten sich noch "7 Personen an den
Trümmern, wovon noch oi beim Umdrehen der Stücke verloren
gingen, jo daß 4 übrig blieben. Diese hielten sich 4 Stunden,
aber um 6 Uhr Abends gaben sie alle Hoffnung auf. Das
brennende Wrack war beiläufig 4 Meilen entfernt, und keine
Hoffnung auf Rettung blieb Da entdeckten sie die französische
Bark, und alle-4 strengten ihre Lungen, an um sich bemerkbar
zu machen. Dres gelang endlich, und diese 4 waren die Letzten,
dre von der Maurice au;genommen wurden. Die Unglücklichen
waren auf s Aeußerste erschöpft und würden sich kaum eine halbe
stunde länger haben halten können. Am andern Abend trafen
sie die Bark Lotus. '
Von Morgenstern wurde gesehen, wie er in den Maschinen-
raum hinabsticg, um vielleicht die Maschine zu stellen, und wurde
nicht wieder gesehen-
Als das Magazin erplodirte, waren sie bereits 9 Meilen
entfernt. .-,.7
Carl Hoqnist, seines Gewerbes ein Matrose, 28 Jahre
alt, aus Schweden gebürtig, aber seit mehreren Jahren ein Bürger I

von Santa Cruz in Californien, sagt: Seit unserer Abfahrt von
Southampton fiel nichts Ungewöhnliches vor; das Zwischendeck
war sehr rein und gesund und es war kein Grund zur Räu-
cherung vorhanden. Ich lag am 13. gegen 2 Uhr Nachmittags
auf dem Vorderkastell, da das Wetter sehr schön war. Auf einmal
schreckte mich der Ruf „Feuer;" ich sprang auf und eilte nach
hinten, als schon die Flammen durch alle Oeffnungen im Verdeck
hervorbrachen. Keine Ordnung herrschte und Jeder war auf
seine persönliche Rettung bedacht, Ich lief auf eins der Boote
zu, um bei dem Niederlassen behülflich zu seim Das Boot
konnte aber seines Gewichtes und des großen Andranges wegen,
nicht niedergelassen werden; ich ging deßhalb auf das Vorder-
theil zu, woselbst ich in den s- g. Forechains mehrere Stricke
anband. Ich wollte mich dann in einem Boot hinablassen,
verfehlte es aber, fiel ins Wasser und sank. Als ich wieder
unter dem Boote hervorkam, fand ich mich in den Mizzen Chains,
woselbst ich ein Tau ergriff und fesihielt. Passagiere, darunter
mehre mit brennenden Kleidern kamen über die Seite gesprungen
und suchten das Tau zu greifen; ein Life Preserver war in
meiner Nähe, den ich mir sicherte und das Tau einem Herrn
überließ. Ein glücklicher Sprung brachte mich aus dem verderb-
lichen Bereiche des vom Dampfer aufgewirbelten Wassers.
Zwischen 4 und 5 Uhr erspähte ich ein von einem Taschentuche
gemachtes Signal eines Bootes der Austria eine halbe Meile
entfernt, und nach bedeutender Anstrengung erreichte ich dasselbe,
ward aber durch den Zustand, in welchem ich dieses Boot fand,
sehr entmutbiqt: es war voll mit Wasser und schien jede Minute
zu sinken.
Mein Life Presirver verschaffte mir aber eine günstige Auf-
nahme in das schon mit Passagieren überfüllte Fahrzeug. Ich
gelangte in dasselbe und zählte 23 Passagiere (wovon einer erst
nach dem Tode eines anderen, an Brandwunden Gestorbenen,
ausgenommen worden war) unter Führung des ersten Offiziers,
Herrn Hahn. Dieser ließ meinen Life Preserver in 2 Stücke von
je 1Hz Fuß schneiden, um ihn zum Ausfchöpfen zu gebrauchen.
Zu diesem Zwecke hatten wir die Passagiere in das Wasser zu
lassen, um Raum zu bekommen. Wir konnten dies aber nuc
nach vieler Mühe bewerkstelligen, indem wir die Ruder kreuz-
weife überkdas Boot legten. Der erste Steuermann und ich schöpf-
ten das Boot aus, worauf wir die im Wasser befindlichen Leute
wieder einnahmen. Dieses war gegen Sonnenuntergang, und
wir ruderten auf die inzwischen bis auf 3 Meilen herangekom-
mene Bark Maurice zu, wo wir freundschaftlichst empfangen
wurden. Unterwegs nahmen wir einen Qnartermeister der Au-
stria aus. Wir sahen das brennende Schiff die ganze Nacht
hindurch. Ich reiste in der „Earonia" nach Europa, aber sah
nie bei dem Räuchern irgendwie Vorsichtsmaßregeln ergreifen.
Unter den Verunglückten erkannte ich ein „Kunigunde" genann-
tes Mädchen, welches in Flammen gehüllt, in die See sprang
und zwischen dem Bug des einen Boots und Hintertheil des
anderen ertrank. (Fons, f.)

* Mannheim, 16. Okt. Die Huld Sr. K. H. unseres
Großhcrzogs hat einen um das allgemeine Wohl unserer Stadt
hochverdienten Mann, Herrn Jakob Andriano, ehrenvoll aus-
gezeichnet. Es ist bekannt, was Herr Andriano für unsere
Armen-Anstalten, für Waisenschulen und wohlthätige Stiftungen
seit mrer Reihe von Jahren in uneigennütziger Weise segensreich
gewirkt hat. Die wohlthätigen Wirkungen dieser edlen Wirksam-
keit leben in den dankbaren Herzen der Allgemeinheit fort. Eben
so bekannt ist es, was Herr Andriano auch als Custos der Samm-
lungen unseres Vereins für Naturkunde gewirkt hat. Jeder Be-
sucher freute sich der musterhaften Ordnung in diesen wissen-
schaftlichen Rgumen. Nachdem Herr Rcgimentsarzt Dr. Weber
 
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