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Mannheimer Anzeiger — 1858

DOI Kapitel:
Nr. 233 – Nr. 259 (1. Oktober – 31. Oktober)
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Nr. 253
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Rr. 2S3

Erscheint, Montag« ausgenom-
men, täglich Morgens in 1800
Exempl. und kostet mit dem Unter-
haltungsblatte Vierteljahr!. 1 il.

Sonntag, 24. Oktober

Anzeigen werden in dem „Mann-
heimer Anzeiger" und dem tägli-
chen „Straßenplakat" zusammen
die gewöhul.Zeilr berechn, mit S kr.

1888.

Mannheim's Verkehrs-Verhältnisse.
Mannheim, 21. Okt. Während die Güterzufuhren aus
dem Unterrhein in die hiesigen Hafenanstalten noch fortwährend
sehr lebhaft sind, und nach dem gegenwärtigen Staude der Ver-
ladungen auch noch für die nächste Zeit sehr belangreich bleiben
werden, ist in den herabgekommenen Verschiffungen von hier thal-
wärts keine merkliche Besserung eingetreten. Wenn dieses Ge-
schäft noch einige Bedeutung hat, so ist es nur dem wieder er-
wachten Exporte, der sich damit befassenden Firmen des Platzes
selbst zuzuschreiben. Es sind vornehmlich Cigarren und Wein,
für welche sich auf transatlantischem Markte wieder Begehr zeigt,
und in welchen Artikeln ein sichtbares Wiederaufblühen des Ex-
porthandels wahrnehmbar ist. Damit ist die weiter erfreuliche
Neigung zum Aufhören des frühem Verfahrens verknüpft, die
Güter in Konsignation zu versenden. Dieses Verfahren gehörte
nicht zu der kleinsten der Ursachen, warum die Rückschläge der
amerikanischen Krise für Manchen so fühlbar, ja verderblich ge-
worden sind. Die Sicherheit der konsignirten Werthe hing in
vielen Fällen lediglich von der kleineren oder größeren Dehnbar-
keit des moralischen Zustandes der Kommissionäre ab. Waren
nun auch die hiesigen Exporteure in der 'glücklichen Lage, mit
wenigen Ausnahmen keinen derartigen unangenehmen Erfahrun-
gen ausgesetzt gewesen zu sein, so handeln sie doch vernünftiger,
bei sich erneuernden oder neu anknüpfenden Geschäftsverbindun-
gen auf vorheriger Deckung zu bestehen, was denn auch geschieht.
Bis jetzt sind dadurch noch keine Verkäufe rückgängig geworden,
und wäre es sehr erwünscht, durch eiumüthiges Verhalten die in
England und Holland schon längst bestehende Uebung der Dek-
kung beim Versandt, auch bei dein deutschen Exporthandel in Gel-
tung zu sehen.
Ein Artikel des „Bad. Centralbl." Nr. 41 , „eine Kinzig-
thal - Schaffhauser Bahn" überschrieben, bemerkt zum Schluß:
Baden habe den Anschluß an Württemberg vermöge der Bruch-
sal-Mühlacker Linie bereits bitter bereuen müssen; es tauchten
bereits noch weitere Mißstände dabei auf, die früher nicht vor-
hergesehen wurden, nämlich der Versandt großer Gütermasseu
(namentlich Steinkohlen) auf dem Rhein bis Rheinhausen, um
von dort nach Brnchsal zur Verladung auf die württembergische
Bahn verbracht zu werden; und das Quantum, welches auf
diese Weift der MannheilwBruchsaler Eisenbahn-Linie entzogen
werde, werde auf 4000 Zentner täglich angegeben- Diese Zu-
sammenstellung von Thatsachen, Ursachen und Wirkungen beruht
auf einer irrigen oder vielleicht unrichtig aufgefaßten Mittheilung,
weßhalb Folgendes zur Berichtigung dienen mag. Ueber die
Zweckmäßigkeit oder das Verfehlte der Wahl und Herstellung
einer Verbindung mit Württemberg über Bruchsal-Mühlacker ist
schon so viel geschrieben und gesprochen worden, daß ein wieder-
holter dialektischer Versuch, die Gegner dieser Linie eines Andern
zu überzeugen, wohl vergeblich wäre. Insofern jedoch die Mo-
tlve der Gegner nicht vorwiegend politischer oder örtlicher, also
prinzipieller Natur sind, sondern mehr aus der Meinung beruhen,
E beeinträchtige, die gewählte Linie die Frequenz der badischen
Staatsbahu bezüglich des Transitverkehrs nach der Schweiz, so
wären wohl die Thatsachen geeignet, eine Sinnesänderung zu
bewirken: einmal vaß überhaupt das Transitgut, welches viel-
leicht der Bruchsal - Mühlacker Linie auf Kosten der badischen
Bahn zufiel, nur jenem Zuge angehörte, der sich früher über Of-
fenburg durch das Kmzigthal bewegte, dieser Zug aber früher
schon für Offenburg und Kinzigthal der Heilbronner Konkurrenz
gegenüber nur künstlich, d. h. nur durch Stipulirung eines
Frachtsatzes von hier bis Offenburg erhalten werden konnte, wel-
chem die Taxe von hier bis Bruchsal beinahe gleich kommt. Wenn
also heute Sendungen die badische Bahn in Bruchsal verlassen, >

welche dieselbe früher bis Offenburg benützten, so entsteht da-
durch für die badische Staatsbahn keinerlei materieller Verlust,
denn sie nimmt für den Transport auf einer Strecke von
Stunden (von hier bis Bruchsal) fast dieselbe Fracht ein, welche
ihr früher für die dreimal größere Strecke von 25 Stunden
(von hier bis Offenburg) zu erzielen möglich war. Zum Andern
weist auch der direkte Transitverkehr von hier bis Basel, wenig-
stens bis vor kurzer Zeit, keine Abnahme, sondern sogar eine Zu-
nahme nach. Und wenn sich seit ungefähr Jahresfrist ein Aus-
fall bemerkbar macht, so liegt Diefts nicht in dem vermeintlichen
Abzugskanal der Bruchsaler Linie, sondern in dem durch die un-
vernünftige Höhe des „Rheinoktroi's" zum Nachtheit der badischen
Bahn sehr begünstigten Umschwünge in den allgemeinen Ver-
kehrsbeziehungen, Endlich vermag sich Jeder, dem es in dieser
Beziehung um ein unbefangenes Urtheil zu thun ist, durch Beobach-
tung des Verkehrs auf dem Neckar zu überzeugen, von woher
und auf wessen Kosten die Bruchsal - Mühlacker Linie hauptsäch-
lich alimentirt wird.
Aus dem angeführten Versandt von Steinkohlen re. von
hier über Rheinhausen zur Bruchsal-Württemberger Bahn ist nun
aber vollends nicht weniger a s ein Beweis dafür zu folgern,
daß Baden jenen Anschluß bitter zu bereuen habe. Es liegt
vielmehr in dieser Wahrnehmung gerade der entgegengesetzte Be-
weis, nämlich der für die Richtigkeit der gebauten Linie. Daß
der Weg, um mit Gütern zur württemberglschen Bahn in
Bruchsal zu gelangen, von hier über Rheinhausen eingeschlagen
wird, ist allerdings ein Mißstand. Allein er spricht nicht gegen,
sondern für jene Bahnrichtung. Und wenn die Güter nicht hier
schon zur Bahn gebracht werden, so ist nicht die Einmündung
der württembergischeu Bahn in Bruchsal Schuld. Wäre diese
nicht, so würden die betreffenden Güter nach wie vor sich der
Neckarroute über Heilbronn zuwenden. Durch den Anschluß in
Bruchsal ist der badischen Strecke von hier bis dahin dieser Ver-
kehr gewonnen worden. Leider sieht man freilich eine beträcht-
liche Gütermenge sich dieser Strecke nicht bedienen, sondern über
Rheinhausen nach Bruchsal gehen; aber nicht weil, sondern ob-
gleich die württembergische Bahn an letzterem Orte einmündet.
Anstatt hier z. B. Kohlen unmittelbar aus dem Schiffe in den
direkten Eisenbahn-Wagen einladen zu können, sind die Verkäu-
fer gezwungen, die Schiffe nach Rheinhausen verbringen zu las-
sen, dort die Kohlen auf Landfuhrwerke zu laden, die in Bruch-
sal wieder umgelcwen werden müssen, dadurch sich einem doppel-
ten Abmangel durch das Umladen auszusetzen, und so also einen
weit zeitraubendem und kostspieligeren Weg als den mittelst der
Eisenbahn von hier aus zu wählen! Dieser bedauerliche Zustand
liegt aber einzig und allein darin, daß der Mangel an Trans-
portmaterial der badischen Verwaltung im jetzigen Augenblick, d.
h. schon seit Wochen, die Verbringung größerer Quantitäten, wie
z. B- 2000 bis 3000 Ztr. Kohlen an einem Tage von einem
Versender ganz unmöglich macht. Müssen doch kleinere Waaren-
parthien von 200 bis 300 Ztnrn. oft 8 bis 14 Tage lang aus
Annahme zum Versandt bei der Eisenbahn hier warten, wie sollte
denn dieselbe im Stande sein, mehrere Tausend Zentner von
einem Versender allein täglich anzuuehmen! Dieses käme unter
den dermaligen Besörderungsverhältnissen einem vollkommenen
Monopol Einzelner, dem übrigen Handelsstande gegenüber, gleich-
Solche Mißstände sind allerdings beklagenswerth, und wurden
freilich früher nichts weniger als vorhergesehen. Allein die Ein-
mündung der württemberglschen Eisenbahn ist nicht daran Schuld.
Diese wäre vielmehr geeignet, der badischen Eisenbahnstrecke hier
die derselben über Rheinhausen entgehenden Güter zuzuwenden,
wenn der von Zeit zu Zeit sehr fühlbare Mangel an erforderli-
chem Transportmaterial nicht selbst Veranlassung gebe, solche
der Mannheim-Bruchsaler Eisenbahn-Linie zu entziehen. (K. Z>)
 
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