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Mannheimer Anzeiger — 1858

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Nr. 28 – Nr. 51 (1. Februar – 28. Februar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.29921#0179

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1888

Erscheint, Montags ausgenom- Anzeigen werden im „Mannhei-
men, täglich Morgens nud kostet nier Anzeiger" und dem täglichen
mit dem Untcrbaltungs - Blatte » O„Straßenplakat" die Zeile berech-
vietteljährlich L-L kr. net mit 'S kr.

Karnevals-Rundschau,
n
Versprechen macht Schulden; Schulden aber drücken das
Gewissen- Im wirklichen Besitze des zarten Gewissens eines Zei-
tungsherausgebers , drückt^ uns die Schuld unseres Versprechens,
eine Rundschau des berühmten MannheimerKarnevals zu schreiben,
noch ärger darnieder, als die Zölle die Rheiuschifffahrt. Und doch
ist die Rheinschifffahrt noch viel besser d'ran als wir; denn sie
hat wenigstens noch die Hoffnung der Erlösung und den Dampf
zu ihrem Fortkommen. Uns aber könnte nur Einer helfen; die-
ser Einzige Eine ist der berühmte „Ruudschauer" des „Hallischen
Stadt- und Landboten". Herr Professor Leo aber hat gegen-
wärtig so viel mit dem „Bösen" zu thun, der anhaltend Unkraut
unter seinen Walzen säet, daß er sich nicht um die Mannheimer
„Narren" bekümmern konnte. Indem wir uns deßhalb ganz
ergeben unserm Schicksale fügen, bitten wir nur noch unsere Le-
ser, geduldig und ohne Murren das Wasser unserer Beredsamkeit
über sich ergehen zu lassen. Der Strom wird hoffentlich nicht
so großartig ausbrechen, daß eine förmliche Sündfluth zu befürchten
wäre. —
Am letzten Freitage, dem ersten freien Tage der Narrheit,
besuchten sich die bestehenden drei Gesellschaften, um an den drei
großen Tagen eine einzige Einheit zu bilden. Der ewige Frieden,
der hier geschlossen wurde, dauerte in der That 36 Stunden.
Der Karnevals-Vorabend, der sich durch Wind und Wetter
auszeichnete, war wirklich ein erhabener zu nennen. Die Sterne
am Himmel konnte man aus dem Grunde nicht zählen, weil der
Fackelzug sie förmlich verdunkelte. Die türkische Musik bewegte
sich mit deutschen Riesenschritten langsam durch die Straßen.
Einige weinrothen Nasen irrten dem Zuge nach wie abgeschmackte
Philisterseelen, die den Weg zum Paradiese nicht finden können-
Trotz dem Gedränge aber und der großen Neugierde des „schönen
Geschlechts", das sich oft gar sehr vorwagte, wurde weder ein
Zopf abgeschnitten, noch ein Witz umgebracht. Das Publikum
verlief sich endlich, als die Fackeln ihren Geist und die Trompe-
ten ihre Märsche ausgehaucht hatten, und steckte sich, in der
Hoffnung, daß es noch nicht aller Tage Abend sei, in die
Eiderdaunen..
Kaum aber hatte die rosenfingerige Eos die Wangen der
Tageskönigin geschminkt, als dumpfer Trommeljchall und kräftiger
Paukenwirbel in die Ohren der Schlafenden schmettert und die
Siebenschläfer schon um 6 Uhr des frühen Morgens aus den
Pfühlen treibt.
Welch' ein Leben! welch' ein Treiben! Welch' ein Wogen
durch die Straßen und Gassen! Held Karneval ist zwischen
Tag und Dunkel in Mannheim eingezogen. Schnell wie der
Sturmwind fliegen die Offiziere der Ranzengarde auf neutralen
Hengsten über das Pflaster hin und verkünden das frohe Ereig-
niß- Die Ranzengarde warf sich so schnell als möglich in Wichs,
steckte die Säbel zu sich, zog sich die Patrontaschen um, verließ
Weib und Kind, und war auf das Aeußerste gefaßt.
Die Lieben und Getreuen des Helden Karneval befolgen
den Muth ihres viel bewunderten Vorbildes und schlupfen allent-
halben aus allen Ecken und Winkeln hervor, um sich an den
Orten zu versammeln, von wo aus alle diese irdischen Herrlich-
keiten ausgehen.
Ein Glück ist's unterdessen, daß sich an den^ Thoren der
Stadt keine Thore befinden; denn die Weisen der angrenzenden
Dörfer strömen in solcher Anzahl durch die Thore der Stadt,
daß man die Thoren unter der Masse nicht sieht. Auf den
Straßen steigt auf einmal die seit fast 23 Jahren sich eigensinnig
gleichbleibende Bevölkerung der Stadt auf das Doppelte. Die
Menge harrt geduldig der Dinge, die da kommen sollen, und
unterhält sich unterdessen gemächlich mit Rippenstößen.
Doch jetzt aufgeschaut! Der Zug beginnt!

* Mannheim, 17. Febr. Die Kritik in Nr. 38 unseres
Unterhaltungsblatteö über die erste Vorstellung des Drama's:
„Die Fiammiaa" erregte eine außergewöhnliche Aufmerksamkeit.
Namentlich will man darin gegen Fräulein Ra urenberg Deu-
tungen finden, die durchaus nicht darin enthalten sind. Die
Redaktion weiß auf's Bestimmteste, daß dem Rezensenten Persön-
lichkeiten überhaupt ferne liegen. Die gemachten Bemerkungen
beziehen sich einzig und allein auf die Sache. Nur im Interesse
des Anzuges auf der Bühne überhaupt wurde diese Bemerkuug
gemacht. Möglicherweise dürfte hier eine andere Fassung des
Gesagten besser am Platze sein. Eigentlich ist die Regie für die
änßere Erscheinung der Auftretenden verantwortlich. Mit dieser
Erklärung verbinden wir auch den Ausdruck unserer vollkommen-
sten Hochachtung für Fräulein Rautenberg. Die Redaktion hofft
hiermit diese Sache abgethan.
* Mannheim, 17. Febr. Aus der 29. Sitzung der hohen
zweiten Kammer haben wir noch nachzutragen, daß unser Abge-
ordneter, Herr Artaria, die unpassende Oertlichkeit des hiesigen
Amtsrevisvrats zur Sprache brachte, woraus der Herr Präsident
des Justizministeriums erwiederte, es seien bereits Erhebungen
über diesen Gegenstand ungeordnet, und es werde, wenn die Be-
schwerde sich als begründet erweise, Abhülse erfolgen.
* AuS Baden. Alle Lokalblätter des ganzen Landes be-
richten von Karnevalsvergnügungen. Ein interessanter Schluß
dürfte wohl die Ausführung einer Wette am Aschermittwoch sein.
Jakob Hartmann aus Pfortz wird an diesem Tage, Nachmittags
2'/? Uhr, bei Knielingen durch den Rhein bis zum bayerischen
Ufer hindurch gehen in der eigentlichen und ganzen Bedeutung
des Wortes. — Maler Dürr in Freiburg hat ein großes Oel-
gemälde, das heilige Abendmahl, vollendet, welcheß von der Kritik
sehr gelobt wird. — Auf dem Schwarzwalde mehren sich die
Bestellungen auf Holzstämme, namentlich aus Frankreich und
Holland, in außergewöhnlicher Weise. — Am 30. Jan. brannte
die Schraubenfabrik zu Falkau bei St. Blasien ab, wodurch
dem Besitzer ein Schaden von etwa 20,000 fl. verursacht wurde.
In diestn Tagen sind zwei übelberüchtigte, kaum der Schule ent-
lassene Buben, als der Brandstiftung bezüchtigt, bei dem Amts-
gericht Neustadt eingebracht worden. — In Vi Hingen fand
am 16. Febr. auf der Stadtamtskanzlei eine Versammlung der
Bürgermeister des Amtsbezirkes statt, um eine Petition zu bera-
then und zu beschließen, in welcher Gr. Staatsministerium um
Errichtung einer badischen Hagelversicherungsanstalt gebeten wer-
den soll. — In Konstanz veranstalten sie auf einer in Folge
des niedern Wasserstandeö sichtbar gewordenen Insel des Rheines
ein großartiges Ehr- und Freischießen. — In der neuesten Num-
mer des badischen Schulboten schreibt der Preisaufgaben-Verein
badischer Volksschullehrer die vierte Preisaufgabe zur Bewerbung
aus. Dieselbe lautet: „Wie kann und soll der Lehrer patrioti-
schen Sinn und Geist in seinen Schülern anregen und stärken ?"
Für die besten Beantwortungen dieser Frage sind 4 Preise im
Betrag von 4, 3, und 2 mal 2 Dukaten ausgesetzt. Es können
sich um dieselben jedoch nur Lehrer bewerben und müssen die be-
treffenden Abhandlungen unter Beobachtung der bei solchen Preis-
ausschreiben üblichen Förmlichkeiten bis längstens 1. Nov. d. I.
an die Redaktion des „Schulboten" in Pforzhei m eingesauvt sein.
München, 15. Febr. In herkömmlicher Weise sand heute
der Umzug der Metzger und der Metzgcrsprung statt, dem trotz
Schnee und Regen eine große Menschenmenge beiwohnte. (Pf.Z.)
Neustadt, 15. Febr. Der Hauptaufzug unseres Karneval-
vereines ging heute Nachmittag unter dem Zudrange einer sehr
großen Menichenmasse, welche Straßen und Häuser erfüllte, in
schönster Ordnung an uns vorüber. Das Ganze und Einzelne
war sinnig geordnet, das Costüme und die Attribute waren ge-
schmackvoll erdacht und auSgefübrt. Der Hauptgegenstand war
der vaterländischen Geschichte aus der Zeit des französischen Van-
 
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