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Mannheimer Anzeiger — 1858

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Nr. 207 – Nr. 232 (1. September – 30. September)
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Nr. 232
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Erscheint, Montags auSgenom- Anzeigen werden in dem „Mann-
Nr. 232 Donnerstag, 30 September R7IZKLK LL 1888
Haltungsblatte Vierteljahr!. KL kr. die gewöhnl.Zeile berechn, mit T kr.

Drittes mittelrheinisches Musikfest in Wiesbaden,
m.
Wiesbaden, 28 Sept. Gestern Nachmittag 2 Uhr
begann das zweite Coucert, dessen Programm eine schöne Aus-
wahl der besten und interessantesten Werke deutscher Musik dar-
bot, unter der Leitung des rühmlich bekannten Kapellmeisters der
Wiesbadener Bühne, Herrn Z. B. Hagen. Den schonen Rei-
gen eröffnete Glucks Ouvertüre zur „Jphigenia in Aulis", deren
tief ergreifende, ahnungsvolle Klänge eine andächtig ernste Stim-
mung unter den Zuhörern verbreiteten, die in wohl noch größe-
rer Anzahl versammelt waren, als beim ersten Coucert. Ihr
folgten 2 Tonwerke aus alter Zeit, ein Festchoral von Johann
Eccard (1533—1611) und die Motette: „Ich lasse dich nicht
rc." von Joh. Christoph Bach (1732—1795), die, gut gewählt,
als zwei herrliche Proben der dem modernen Publikum fast fremd
gewordenen alten Musik gelten konnten. Wie reich und doch
natürlich drücken diese alten Meister hier die Andacht ihres from-
men Herzens aus, wie viel wärmer betet Eccard, wie viel feuri-
ger lobet Bach, als manche neue Kirchenmusiker, die so oft ihre
Ärmuth an innerer, wahrer Begeisterung unter gekünstelten For-
men zu verbergen suchen.
Darauf entzückte Herr Dionys Pruckner aus München alle
Hörer durch den meisterhaften Vortrag von des großen Beet-
hoven Klaviercoucert in ks-ckw. Sein Pianospiel ist in der
That dieser großen Schöpfung würdig und der stürmische Beifall
der Zuhörer war ein nur schwacher Ausdruck für die allgemeine
Bewunderung des Werkes sowohl, als Dessen, der es so reizend
mittheilte. Mik dem ausgezeichneten Pianisten theilt indessen das
Orchester die Palme dieses Stückes, denn nur solch eine schwung-
volle Orchcsterbegleituug konnte seinem Spiele als würdige
Grundlage dienen.
Auch in dem darauffolgenden 114. Psalm von Mendelssohn-
Bartholdy zeichnete sich das Orchester in der Begleitung des
achtstimmigen ChoreS aus- Wie schön wurde die herrliche musi-
kalische Malerei dieses Meisters wiederqegeben, mit welchem Feuer
erscholl der jauchzende Schluß dieses LobgesangS.
Den zweiten Theil eröffnete die schöne Sinfonie in O-clnr
von Franz Schubert, in der sich das Orchester eine neue Krone
Wand. Dann folgte nach dem Programm, als einziges Mo-
zart'sches Werk, der Priesterchvr aus der „Zauberflöte", was um
so mehr überraschte, als Mozart schon in Mannheim sehr stief-
mütterlich behandelt worden war.
Bei der Aufführung aber gab man der Arie für Sopran
aus der „Iphigenie auf Tauris" von Gluck, den Vortritt, wo-
rin Fräulein Lehmann die günstige Meinung, die man im ersten
Concerte von ihr fassen mußte, aus's Glänzendste bestätigte.
Als würdiger Schluß der m'isikalischen Aufführungen er-
tönte das großartige Halleluja aus Händel's Messias, das aber-
mals die Menge zu jubelndem Beifall hinriß. Nock unteren
Eindruck dieser ergreifenden musikalischen Feier sprach Herr Dr.
Petn ewige gute, sinnige Worte über Wesen, Zweck und Zu-
kunft der mittclrheiuhchen Musikfeste, worauf er alle Freunde und
Verehrer der musikalischen Muse zu enger, eifriger Betheiligung
an dem großen, ächt nationalen Werke ermunternd, die Anwe-
senden zu einem donnernden Hoch auf das Wachsthum und die
Blüthe desselben aufforderte.
DaS Concert endete um halb 6 Uhr. Es war also gerade
noch Zeit, sich auf den um 8 Uhr beginnenden Festball innerlich
und äußerlich vorzubereiten. Doch obgleich man sowohl in dem
großen Kursaale, wie in dem Reunionssaale tanzte, war der
Raum zu beschränkt, um dem gewaltigen Andrange zu genügen,
so daß sich Viele von Hitze und Gedränge verjagt, mit wehmü-
thlgen Gefühlen von dem lieblichen Damenflore losrissen, um in

den kühlen duftigen Laubgängen dem guten Vollmond ihr Leid
zu klagen, oder, was bei materiell-gesinnten Gemüthern wohl
noch näher lag, Erquickung bei Bachus und Gambrinus zu
suchen. _

ff Mannheim, 29. Sept. Stand der Fremden hiesiger Stadt
am 27. Sept: 463 Personen.
* Neckargemünd,25, Sept. Dieser Tage hat Herr Alt-
bürgermeister Herpel dem evangelischen Kirchengemeinderath, des-
sen Mitglied er ist, zwei geschmackvoll gearbeitete silberne Kelche,
auf der inneren Fläche stark vergoldet, und eine silberne Kanne
zum Gebrauche beim hl. Abendmahl übergeben. .Diese kirchliche
Stiftung hat ihren Grund in dem dankbaren Gefühle einer glück-
lich zurückgelegtcn 25jährigen Ehe.
* Das Schwurgericht zu Bruchsal verurtheilte am 27.
Sept- den 15 Jahr alten Karl Volkmar von Huchsfeld wegen
Raubs zn einer Arbeitshausstrafe von 3 Jahren. — Am 28.
Sept, wurde der 50jährige Johann Emmerich von Elcheisberg,
wegen Wechsclfälschung zu einer Arbeitshausstrafe von 1^ Jah-
ren und 100 fl. Buße verurtheilt..
* Das junge fürstliche Pcmr von Lein in gen verließ am
27 Sept, das Schloß Amorbach um sich nach einem Besuche
bei der fürstlichen Mutter in der Schweiz an den königlichen
Hof von England zu begeben.
* Aus dem Oberlande, 27. Sept- Nach der „Karls-
ruher Zeitung" ist der flüchtig gewesene prakt. Arzt Habich aus
Achern wieder in die Heimath zurückgekehrt.
Villingen, 27. Sept- Gestern erfolgte, wie öffentlich
bekannt gemacht wurde, der Schluß der ersten Industrie-Aus-
stellung des badischen Schwarzwaldes. Wegen den in hiesiger
Gegend gerade stattfindenden Manövern und weil in jüngsten
Tagen die Witterung nicht besonders günstig war, mußte eine
Einladung an die auswärtigen Aussteller und Comitü-Mitglieder
zur Theilnahme an etwaigen Schlußfeierlichkeiten unterbleiben.
— Am Abend verkündeten Böllerschüsse,. sowie das Geläute
der großen Glocke vom Psarrmünster in Villingen, daß ein wich-
tiger Abschnitt in der Geschichte der Schwarzwälder Industrie zu
Ende geführt ist. Er sei uns Sporn und Trieb, in Gewerbs-
tbätigkeit und Geschicklichkeit mit den Forderungen der Zeit fort-
zuschreiten, aber auch in Eintracht und Patriotismus zu verhar-
ren! Darin liegt die Ehre unserer Heimath, es liegt darin die
Zukunft unserer Industrie. (Sch- W.)
* München. Se. Maj. der König haben allergnädigst zu
genehmigen geruht, daß der Ansiedelung an der Wörther^Knie-
linger Schiffbrücke in der Pfalz mit Beibehaltung des bisherigen
Gemeinde-Verbandes mit Pforz der Namen „Marimilians-Au"
bcigelegt und diese Benennung fortan öffentlich gebraucht werde.
München, ,27. Sept. Vom schönsten Wetter begünstigt,
bewegte sich heute der große Festzug durch die Straßen der hiesi-
gen Stadt. Er stellte" die Hauptmomente aus der Geschichte
Münchens vom 13. Jahrhundert bis zu dem unsrigen dar und
gab zugleich ein anschauliches Bild des gewerblichen und Cultur-
Lebens während dieser Periode. Die Trachten und Costüme wa-
ren genau der jeweiligen Zeit entsprechend und gewährten dadurch
und "durch die künstlerische Anordnung ein großes Interesse. Der
Zug war wohl eine halbe Stunde lang und die prachtvollsten Par-
thien desselben waren aus dem 12. Jahrhundert Heinrich der Löwe
mit Gefolge, aus dem 13. Otto von Wittelsbach — voraus die
Standarten Bayerns und der Pfalz — darin Ludwig der Strenge
und mehrere Gewerbe, Herzog Rudolph mit seinen Edeln, haupt-
sächlich aber Ludwig der Bayer im 14., Chnrfürst Marimilian
1. mit einem Zug von Pappenheimer Kürassieren, und Ferdinand
Maria im 17. Jahrhundert. Dieser" Churfürst fuhr in einem
! Hof-Prachtwagen aus jener Zeit, mit acht herrlichen Rossen aus
 
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