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Mannheimer Anzeiger — 1858

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Nr. 129 – Nr. 153 (1. Juni – 30. Juni)
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Nr. 149
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https://doi.org/10.11588/diglit.29921#0643

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Rr. 14S

Erscheint, Montags ausgenom-
men, täglich Morgens in 1800
Exempl. und kostet mit dem Unter-
haltungsblatte Vierteljahr!. »-L kr.

Freitag, 25 Juni

Anzeigen werden in dem „Mann-
heimer Anzeiger" und dem tägli-
chen „Srrästcnplakat" zusammen
die gewöhnt. Zeile berechn, mit E kr.

1858.

Schwurgerichts-Verhandlungen.
V" Mannheim, 24. Juni. Die Sitzungen des zweiten
Quartals schlossen heute mit der Anklage wegen eines Vergehens
gegen die Sittlichkeit. Die Verhandlungen waren geheim- Sie
endeten mit einer Verurtheilung des 19jährigen Lumpensamm-
lers Isaak Frank von Untergimpern zu einer Zuchthausstrafe von
5 Jahren (in Einzelhaft 3'/^ Jahre), geschärft durch 30 Tage
Hungerkost.

Mannheim, 24.Juni. Nach dem „Schwäbischen Mer-
kur" erregt hier das Vorschreiten der Mainz-Darmstadt-Aschaffen-
burger Eisenbahn neben der stehenden Rheinbrücke mancherlei
Besorgnisse, denn der Handel nach Osten und Südwesten, welcher
von hier, als Endpunkt der Rheinschifffahrt, vermittelt wurde, ist
gewaltig bedroht. Man richtet darum auf das baldige Zustande-
kommen der Heidelberg-Würzburger Bahn sein Augenmerk, denn
nur diese kann unsere drohenden Verluste abwenden. Daß solche
auf Staatskosten gebaut wird, möchte keinem Zweifel unterliegen.
Man steht nun überdies den Besuch des Königs von Bayern in
Baden als ein günstiges Zeichen dafür an, daß die beiderseitigen
Regierungen eine Verständigung bezüglich mancher materiellen
Fragen und darunter vor Allem die Erbauung fraglicher Eisen-
bahn erzielen werden. Auch bringt man weiter in Zusammen-
hang die Anwesenheit des bayerischen Ministerpräsidenten v- d.
Pfordten in Wien, welcher eine Ausdehnung der bayerischen Ost-
bahnen herbeiführen soll, wovon jedenfalls die Fortsetzung der-
selben an den Rhein die nächste Folge sein muß. — Die Fort-
setzung der Bahnen an den Rhein bedingt vor Allem eine stehende
Brücke zwischen Mannheim und Ludwigshafen. Schon oft
wurde in diesen und andern deutschen Blättern auf die Noth-
wendigkeit der Erbauung einer steinernen Brücke hier über den
Rhein hingewiesen und deutlich genug gezeigt, wie allein dadurch
dem unserer Stadt in Aussicht stehenden unberechenbaren Scha-
den vorgebeugt werden kann, indem der bisherige Transithandel
von Frankreich nach Deutschland Mannheim für immer entzogen
zu werden droht. Das materielle Wohl der ersten Handelsstadt
am Oberrhein, das auf's innigste mit dem des ganzen badischen
Landes verknüpft ist, gebietet ein schnelles Handeln und fordert, daß
mit dem Beginne des Baues einer steinernen Brücke bei Kehl, auch
der Bau einer solchen bei Mannheim in Angriff genommen werde.
Wir sind von unserer Negierung vollkommen überzeugt, daß die
Erbauung einer festen Brücke zwischen Kehl und Straßburg in
der Absicht geschieht, dadurch der Staatsbahn den Transithande!
von Havre nach Oesterreich in höherem Maße zu sichern. Wir
find aber auch ebenso überzeugt, daß die rühmliche Umsicht un-
serer hohen Staatsregierung durch die sorgfältigste Wahrung der
Landeöinteressen nach allen Seiten hin, sich mit der Errichtung
einer stehenden Brücke zwischen Mannheim und Ludwigshafen
vertraut macht. Die erste Handelsstadt des Landes ist durchaus
einer stehenden Brücke zwischen Mannheim und Ludwigshafen
benöthigt zur Behauptung ihrer natürlichen Lage als Haupthan-
delsplatz am Oberrhein.
(D Mannheim, 24. Juni. Se. Majestät König Ludwig
von Bayern stattete heute Vormittag dem Herrn Hoffammerrath
Kladt in seiner Wohnung einen längeren Besuch ab.
ff Mannheim, 24. Juni. Stand der Fremden hiesiger
Stadt vom 23.—24. Juni: 370 Personen.
* Aus Baden. Mit der Versendung deS neuen evange-
lischen Kirchenbuchs ist der Anfang gemacht. Dasselbe zerfällt
in 3 Theile: Hauptgotteödienfte, Nebengottesdienste und heilige
Handlungen. Den Formularen voraus geht eine Gebranchsan-
leituug für Geistliche, Gemeinden, Organisten u- s. w. Die Art
und Zeil der wirklichen Einführung soll erst später bestimmt wer-
den. — Am 4. Oktober finden in Karlsruhe die medizinischen

Vorprüfungen statt. Diejenigen, welche daran Theil nehmen, ha-
ben sich bis 1. September bei Gr. Sanitälskommission in Karls-
ruhe zu melden. — Nach einer Mittheilung der „Karlsruher
Zeitung" sind für die Folge alle Bureaur von Agenten auswär-
tiger Regierungen untersagt, die bisher nur zwei befreundeten
Regierungen erlaubt waren, um ihre in der Schweiz angeworbenen
Rekruten auf badischem Gebiete anzunehmen, zu untersuchen und
- zu instradiren. — Am 16. Juni wurde in Walldorf die feier-
liche Grundsteinlegung einer neuen evangelischen Kirche vorge-
nommen. — Dieschonzu viel besprochene Ra statt er Besatzungs-
frage wird täglich noch unerquicklicher sortbesprochen und der ein-
fache Sachverhalt je nach Parteinahme verdreht. Baden wünscht
eine Vermehrung der Besatzung. Preußen will nur unter der
Bedingung seine Zustimmung hiezu geben, daß seine Truppen die
Garnison verstärken. Baden wird seine guten Gründe haben,
darauf zu bestehen, in Friedenszeiten die Besatzung nur von Oester-
reich gestellt zu sehen, während in Kriegszeiten Preußen die Ver-
stärkung stellen soll- Daö Unangenehmste bei dieser Frage ist
das gehässige Ausbeuten derselben zu Parteizwccken. Solche das gute
Einvernehmen der beiden deutschen Großstädten störenden Ver-
hältnisse schaden stets nur dem Ansehen Deutschlands. — In
Pforzheim tritt ein freiwilliges Feuerwehrkorps von 350 Mann
an die Stelle der früheren Pompiers. — Daö Gewitter vom
17. Juni verhagelte fast den ganzen Crndteertrag der ziemlich
unbemittelten Gemeinde Schöllbronn, Oberamt Pforzheim. —
Die Elberfelder Feuerversicherungs-Gesellschaft hat sich in Bret-
ten dadurch eine ehrende Anerkennung verdient, daß sie den Scha-
den in der dortigen Kirche, verursacht durch das Gewitter am
17. Juni, obwohl durch einen kalten Schlag angerichtet, auf
sehr zuvorkommende Weise vergütete. — Der Fürst Karl zu
Löwenstein-Wertheim-Rosenberg "ist vor einigen Tagen von seiner
neum.ionatlichen Reise im Orient gesund und glücklich wieder in
seinem Schlosse zu Heubach a. M eingetroffen. Außer andern
Denkwürdigkeiten hat der Fürst auch ein Krokodill mitgebracht,
welches er selbst auf dem Nil erlegte. Mit Besvrgniß entließen
den jugendlichen Herrn seine Verwandten; um so größer war
aber die Freude über die glückliche Rückkehr von der beschwer-
lichen Reise, die ohne irgend eine Gefahr ablief.
Auf der Oehlert'schen Tuchfabrik Schönthal bei Neu-
stadt fiel am 23. Juni Nachmittags ein im Bau begriffenes 50
—60 Fuß hoheö Kamin der Länge nach um und traf mehrere
dabei beschäftigte Arbeiter. Ein Mann blieb augenblicklich todt,
ein zweiter starb bald an seinen Wunden, sechs Personen wurden
außerdem verwundet, darunter 2 oder 3 lebensgefährlich. Mehrere
Maurer und ein 14jähriger Knabe, der mit ungefährlichen Wun-
den davon kam, retteten durch Geistesgegenwart ihr Leben.
* Die Cigarrenfabrikantcn der Pfalz eröffnen allmahlig
wieder ihre Thätigkeit; ein Beweis des auch in diesem Artikel
wicderkehrenden Vertrauens.
* Das Darmstädter Oberconsistorinm hat zur Förderung
der Karechismuslehre in einem Erlaß vom 27. April d. I. em-
pfohlen, daß die weltlichen Mitglieder der Kirchenvorstände, wenn
auch nicht alle zugleich, doch wenigstens ein Mitglied um das
andere, nach einer bestimmten Reihenfolge den sonntäglichen Ka-
techisationen beiwohnen.
* Die ersten Probefahrten der Rhein-Na hebahn fielen
sehr befriedigend aus. Man glaubt, daß zwischen Bingerbrück
und Kreuznach Mitte Juli die Bahn fahrbar ist.
* Der bekannte freisinnige Hofprediger Dr. Schwarz in
Gotha wurde zum Oberhofprediger und vortragenden Rath im
Consistorium befördert.
* Der hannöverische Generalissimus Halket mußte wegen
i seiner Augenkrankheit aus dem aktiven Dienste scheiden. Die
l Kammer bewilligte ihm auf Regierungsantrag seinen vollen Ge-
l halt als Pension.
 
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