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Mannheimer Anzeiger — 1858

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Nr. 154 – Nr. 180 (1. Juli – 31. Juli)
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Nr. 170
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Nr. 179.

Erscheint, Montags ausgenom-
men, täglich Morgens in 1800
Exemvl. und kostet mit dem Unier-
hottungsblatte vierteijäbri. AL kr.

Dienstag, Ist. Juli

Anzeigen Werden in dem.Mann-
heimer Anzeiger" und dem tägli-
chen „Dträßenvlakat" zusammen
die gewöhnl.Zeile berechn, mir kr.

1838.

^'Mannheim, 19. Juli. König Ludwig verließ heute
frühe seine Villa Ludwigshöhe und reiste über Mannheim nach
Bad Brückenau. Von Brückenau begibt sich dersebe nach 'Aschaf-
fenburg und von dorten zur 700jahrigen Jubelfeier nach München.
Mannheim, 19. Juli. Heute Nachmittag um 3 Uhr er-
trank das 11-^4 Jahr alte Söhnchen Peter des Taglöhners Jo-
hann Bergner, derzeit in der Zuckerfabrik beschäftigt, in der so-
genannten „Rheinmühle" auf dem Jungbufch.
* Mannheim, 20. Juli. Gestern Nachmittag war Gar-
nisonökriegsgericht über einen der Insubordination und Wider-
setzlichkeit gegen Vorgesetzte angeklagten Soldaten des hiesigen
Infanterieregiments. Derselbe wurde zu 3 Jahren Zuchthaus
und Verlust der militärischen Ehre verurtheilt. welches Urtheil
heure Vormittag vor versammeltem Regiment auf dem Zeughaus-
platze veröffentlicht wird.
Ul« Mannheim, 19. Juli. Der Sängertag zu Heidelberg
am 18. Juli 1858, gestiert zum Besten der vertriebenen Schlcs-
weg-Holsteiner har alle Erwartungen übertroffen: das erhebende
Fest hat größere Dimensionen angenommen, als dre ursprünglichen
Veranstalter zu hoffen sich unterfangen haben. Es trug aber
auch Alles dazu bei. Schon die Julisonne, die Morgens am
Hellen Firmamente aufstieg, füllte die Sanger mit der frohen
Hoffnung, daß ihr Unternehmen ein ersprießliches Gedeihen finden
werde. Als sie dann so überaus zahlreich in dem herrlichen Fleck
deutscher Erde, dem altberühmten Heidelberg, sich zusammenfanden,
als sie sich so Herzlich begrüßt sahen, da schlugen alle Pulse ra-
scher und in gehobener Stimmung, geleitet von den Klängen einer
trefflichen Musik, begann ihr Einzug in die festlich geschmückte
Musenstadt. Seeschlangenartig bewegte sich der ünponirende Zug
durch die Hauptstraße den Berg hinauf in die Ruinen. Manch'
holdes Angesicht grüßte dabei die Tätiger mit freudigem Zurufe
und es wuchs die Begeisterung m allen Gemüthern, die natürlich
vom Bewußtsein eines edlen Wirkens bereits sür alles Schöne
empfänglich gestimmt waren. Eine rasche energische Probe der
Gesammtchöre verschaffte sofort die frohe Zuversicht, daß das deutsche
Lied in dem altehrwürdigen Meisterbaue in würdigster Weise er-
tönen werde. In einem dreifachen Hoch dankte am Schluffe die
Sängerschaar dem Dirigenten, Karl Boch aus Mannheim, Di-
rektor des Heidelberger Liederkranzes, der es verstanden hat, in
der ersten Stunde sich Aller Vertrauen zu gewinnen. Nach Ab-
haltung einer kurzen Elfuhrmesse gings hinunter zum Mittagessen
in „Prinz Mar", wo sich bei dreihundert Sänger einfanden.
Dieses fidele Durcheinander hätten Sie sehen und hören sollen-
Schlechte Witze, gute Lieder und köstlicher Unsinn würzten reich-
lich das gute Mahl, als plötzlich wieder das Signal zum Auf-
bruch ertönte. Mit ihren Fahnen zogen, unter Vorantritt der
Musik, die Vereine freudig erregt wieder auf das Schloß, um-
wogt und von den Fenstern herab gegrüßt von einem zahlreichen,
freudvollen Publikum. In norpores waren dabei: der Lieber-
kranz von Bruchsal, der Gesangverein von Eberbach, der Lieder-
kranz und die Liedertafel von Heidelberg, der Gesangverein von
Speyer und der Mannheimer Sängerbund. Durch Deputationen
waren vertreten: die Sänger von Frankfurt (die sich unter Ueber-
reichung eines Scherfleins von 45 fl. wegen ihres Ausbleibens
entschuldigen ließen!), der Sängerbund von Worms, die Vereine
von Karlsruhe, Ludwigsburg und andere. Auch von den übrigen
Mannheimer Vereinen hatten sich einzelne tüchtige Sänger ein-
gefunden, die bei den Gesamnuchören wacker mitwirkten- Und
so fiel denn das Concert äußerst gelungen aus. Dicht gedrängt
süllte die geneigte Zuhörerschaft den ganzen, kolossalen Schloßhos
und selbst in den Fensternischen der gewaltigen Mauern hatten
Viele noch Stand genommen. Durch die Fensteröffnungen des
Ottobaues, dem Standpunkte der Sänger, in dem effektvoll ge-
zierten Hofe des Rupprechtbaues gegenüber, lachte der heiterste
blaue Himmel, und so war es kein Wunder, daß die Sänger,

elektrisirt durch die reizende Umgebung. ihre Lieder im höchsten
Schwünge vortrugen, zumal es lauter Kernlieder gediegener Mei-
ster waren, die bereits in den meisten Männergesangvereinen
heimisch geworden sind. Ein schönes Zeugniß der von ihnen be-
reits erreichten Bildungsstufe legten die 4 Vereine dar, welche
durch Vortrag eines Spezialchores die frohbewegten Zuhörer er-
freuten. Es waren dieses die Gesangvereine von Speyer und
Eberbach, der Heidelberger Liederkranz und der Mannheimer
Sängerbund. Sie erndteten reichen Beifall. Diesen Leistungen
entsprechend war das mctallklingende Resulrat des Concertes. Auf
dem patriotischen Opseraltare wurden über 1500 Gulden nieder-
gelegt. Freu' Dich, deutsches Herz! Die noch übrigen Stunden
vor dem Scheiden verbrachten die Sänger in trautem Vereine
bei Rede, Gesang und Trunk in dem gastlich ihnen geöffneten
schönen Garten der „Harmonie." Sie gaben schließlich einer an
sie gerichteten Einladung des Mannheimer Sängerbundes ihre
freudige Zustimmung, und wenn es wahr wird, so werden wir
im Lanfe des August daö Vergnügen haben, ein ähnliches Fest
zu gleichem Zwecke auf dem Bockkeller dahier zu feiern- Das
gebe Gott!
ff Mannheim, 19. Juli. Stand der Fremden hiesiger
Stadt vom 17.—18. Juli: 323 Personen.
* Die württembergische Kammer veranlaßte in ihrer
Sitzung vom 17. Juli das Ministerium zu einem strengen Schutze
für die Singvögel im Besonderen und der Thiere im Allgemeinen.
* Die nassauische Ständeversammlung bewilligte in ihrer
Sitzung vom 17. Juli 25,000 fl. als Zuschuß zur Unterhaltung
des herzoglichen Hoftheaters in Wiesbaden.
In der Bundestagssitzung vom 15. Juli wurde die
dänische Antwort auf den Bundcsbeschluß vom 20. Mai vorge-
legt, und an den für die Angelegenheit der Herzogthümer Hol-
stein und Lauenburg niedergesetzün Ausschuß zur Berichterstattung
überwiesen. Im Allgemeinen erkennt Dänemark an, daß die Ent-
scheidung der Frage, ob die Aushebung der Holstein- und lauen-
burgischen Provinzialverfassung und die Einführung der Gesammt-
staatsverfassung gesetzlich oder ungesetzlich sei, ganz in der Com-
petenz des Bundestags liege. Dabei bemerkt Dänemark aber,
daß cs sich nicht der einseitigen Auslegung dieser Frage durch die
deutschen Großmächte und selbst nickt durch den deutschen Bund
unterwerfen könne; erbietet sich übrigens, auch die von den lauen-
burgischen Ständen unterm 11. Februar l. I. geäußerten Wünsche
in Erwägung ziehen zu wollen, was vorläufig bezüglich des Her-
zogtums Holstein deßwegen nicht stattfinden könne, weil die dor-
tigen Stände sich während ihrer vorjährigen Sitzung nicht da-
rüber geäußert hatten. Dänemark stellt jedoch dabei großmüthig
frei, der Bundestag möge vor oder nach einer Vernehmung der
holsteinischen Stände die bereits früher von denselben geäußerten
Wünsche zur kommissarischen Verhandlung zwischen Deutschland
und Dänemark bringen. Die allgemeine und besondere Antwort
läuft also darauf hinaus, daß der Bundestag die Ehre haben
soll, mit Dänemark über die endliche Festsetzung der verfassungs-
mäßigen Stellung der Herzogthümer Holstein und Lauenburg in
dem dänischen Gesammtstaate mitzuwirken. Mit andern Worten:
Zeit gewonnen, Alles gewonnen.
* Die Landtugswahlen in Preußen beschäftigen fast un-
ausgesetzt alle Schattirungen der politischen Gesellschaft, obwohl
die Wahlen vorerst noch ferne sind. Das Beschäftigen eines
Volkes mit seinen Verhältnissen ist ein erfreulicher Beweis seines
innern Lebens!
* Die englische Presse befaßt sich fortwährend mir den
französischen Rüstungen und ist im Ganzen gegen Frankreich so
feindselig gesinnt, wie die französische Presse gegen England.
Wenn auch anzunehmen ist,- daß die Anschauungsweise der Presse
nicht immer die der Regierungen ist, so scheint eben doch die
Glanzperiode des englisch-französischen Bündnisses vorüber zn sein.
 
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