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Mannheimer Anzeiger — 1858

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Nr. 260 – Nr. 284 (1. November – 30. November)
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Nr. 278
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https://doi.org/10.11588/diglit.29921#1351

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Erscheint, Montag« ausgenom-
27^ meu, täglich Morgen« in 1800 DitEllllk 23
Exempl. und kostet mit dem Unter-
Haltungsblatte vierteljährl. 1 st.

November

Anzeigen werden tu dem „Mann-
heimer Anzeiger" und dem tägli-
chen „Straßeuplakat" zusammen
die gewöhnl.Zetle berechn, mit S kr.

1838.

Stehende Nheinbrücke und Odenwaldeisenbahn.
Mannheim, 22. Nov. Die „Karlsruher Zeitung", Nr.
273 vom 20. November, bringt die königlich württembergischen
Gesetze bezüglich der mit den Ständen vereinbarten Erweiterung
des Eisenbahnnetzes in Württemberg. Auf Staatskosten wird
von Heilbronn aus nach dem Hohenlohischen, von Cannstatt aus
durch das Nilsthal nach Wasseralfingen, behufs einstigen An-
schlusses an die bayerische Bahn bei Nördlingen, und von Plo-
chingen wird nach Rottenburg gebaut werden. Zugleich ist für
den Fall, daß in Baden eine Odenwaldbahn erbaut wird, ein
Anschluß von der Nordbahn (Neckarsulm) bis Neckarelz bei Mos-
bach, und für den Fall, daß Baden eine Verbindung mit der
Schweiz durch den Seekreis herstellt, die Fortsetzung der Südost-
bahn von-Rottenburg bis an die badische Grenze, und zwar diese
beiden Anschlüsse gleichfalls auf Staatskosten, in Aussicht ge-
nommen, und vorerst für die Budgetperiode 1858 -1861 ein
Kredit von 16,900,000 fl. zu diesen Bauten verwilligt worden.
Aus den Zeitungen ersehen wir zur nämlichen Zeit, daß
die Kölner Rheinbrücke im nächsten Sommer fertig werden wird;
in Kehl werden bereits die Brückengrundpfähle eingerammt und
in Mainz haben nur sortificatorische Rücksichten rind Gründe
brs jetzt die definitive Beschlußfassung wegen der Erbauung einer-
festen Brücke verzögert.
Angesichts dieser Thatsachen erscheint es als Pflicht unserer
Lokalpresse, öfter und eifriger als bisher geschehen, ihre Aufmerk-
lamkeit zwei Gegenständen zuzuwenden, die für die merkantile
und sociale Zukunft *der Stadt Mannheim brennende Lebensfra-
gen find, nämlich „die Erbauung einer stehenden Nheinbrücke
dahier" und „die Erbauung der Odenwaldeisenbahn mit Anschluß
an Bayern."
1) Angesichts der ungeheueren Fortschritte der Wasserbau-
kunst, gegenüber dem Umstande, daß Strome die Völker nicht
trennen, sondern zu ihrer nahen Verbindung beitragen sollen,
mochte es schon lange schwer erklärlich sein, weßhalb nicht hier
zur Erbauung einer stehenden Brücke als Band zwilchen zwei,
früher staatlich, jetzt aber durch den regsten Eifer des Verkehrs
zusammenhängenden Gebietstheilen geschritten wurde. In der
That hatten schon vor zwei Deceunien eine Reihe hiesiger Män-
ner, an ihrer Spitze ein erlauchter deutscher Namen, den Plan
zu einer festen Brücke gefaßt, für Beischaffung der Mittel war
durch Zeichnung schon fast gesorgk; da scheiterte der Plan aus
uns unbekannten Gründen. Seit jener Zeit bleiben die beiden
Ufer im strengen Winter getrennt, die Passage in kleinen Boo-
ten ist nur für Menschen und selbst für diese oft mit Lebensge-
fahr, möglich, und auch, wenn die Schiffbrücke steht, kann sie
nicht nachhaltig mit den schweren, massigen Gütern befahren
werden, die jetzt, namentlich mit den Fortschritten des Maschinen-
baues, im Verkehr kursiven. Trotz allen diesen Hindernissen er-
reicht das an der Rheinbrücke erhobene Brückengeld schon jetzt
eine solche Höhe, daß es gewiß einen bedeutenden Theil der
Zinsen des Baukapitals für eine stehende Brücke ertragen würde.
Drängt sich aber schon aus lokalen Gründen die Nothwen-
digkeit einer stehenden Brücke uns'auf, so wird die Errichtung
derselben zu einer unabweisbaren Forderung gegenüber dem dabei
betheiligten großen Verkehr. In Mannheim münden zwei Eisen-
bahnen aus, Ludwigshafen ist Kopfstation dreier Eisenbahnen,
und diese fünf Verkehrsadern würden an Bedeutung, Frequenz
und Rentabilität unberechenbar gewinnen, wenn sie untereinander
in direkter Verbindung ständen. Von welcher Bedeutung wäre es
für die Unternehmer der Saarer-Steinkohlenwerke einerseits, für
Vie Industriellen des rechten Rheinufers andererseits, wenn die
Produkte jen r Werke ohne Umladuug auf das diesseitige Ufer

gelangen, also hier viel wohlfeiler als jetzt beschafft, und deßhalb
in viel größeren Massen bezogen werden könnten! Die Perso-
nen- und Güterbeförderung aus diesen schon jetzt belebten Ver-
kehrsstraßen würden sich wegen der ermöglichten Beschleunigung
des Transportes sicher steigern, und die Baukosten sich bei Er-
hebung auch der mäßigsten Brückenabgabe gewiß decken. Gehen
wir aber auf den größten Verkehr über, ko würden vor Allem
die Passagierzüae von Paris nach Frankfurt und Mitteldeutsch-
land nach wie vor unserer Route sich bedienen, weil sie die kür-
zeste ist, während dieser ganze Verkehr von unserm Ufer gewiß
verscheucht wird, wenn vor Erbauung einer Brücke am hiesigen
Platze Main; dem reisenden Publikum ein allzeit sicheres und
rasches Überschreiten des Rheines bietet. Der große Güterver-
kehr, der immer den kürzesten Weg aufsuchen muß, wird gleich-
falls unserer Route verloren gehen, und die badische Bahn, wie
die Mainneckarbahn in dieser Richtung den Charakter bloßer Lo-
kalbahnen erhalten, während sie jetzt noch ansehnliche Glieder im
Weltverkehr sind. Nur durch Errichtung einer stehenden Brücke
dahier können diele Bahnen dauernd ihre Bedeutung und Ren-
tabilität beibehalten.
2) Wenn aber außerdem auch noch rasch an Erbauung der
Odenwaldbahn gegangen würde, so müßte sich die Bedeutung
unserer hiesigen Stadt, als Hauptknotenpunkt des Verkehrs, un-
endlich heben. Haben wir nämlich von Heidelberg ausgehend
eine Bahn durch den Odenwald nach der bayerischen Staats-
bahn , und die Frequenz dieser Bahn im Rücken gedeckt durch
eine feste Rheinbrücke bei Mannheim, so erhalten wir nicht nur,
wie oben erwähnt, den nächstenWeg von den französischen Bah-
nen nach Frankfurt und Mitteldeutschland, sondern auch nach
Bayern und Oesterreich. Man wollte zwar behaupten, die letz-
tere Route sei für die badischen Interessen weit besser durch den Weg
über Kehl und Bruchsal gesichert, aber zwei kurze Betrachtungen
werden uns vom Gegentheil überzeugen. Ein Blick auf die Eisen-
bahnkarten genüg', zu dem Ergebniß zu führen , daß der Weg
von Kehl bis Stuttgart eines der spitzigsten Dreiecke^rst, die mit
langen Flügeln in unfern Eisenbahnnetzen Vorkommen, während
die Paris-Mannheimer Route in fast gerader Linie bis Würz-
burg fährt, und damit in das große bayerische Eisenbahnnetz ein-
lenkt. Dazu kommt aber noch, daß unsere badische Staatseisen-
bahn nach ihrer ganzen Richtung offenbar nur für die Beförde-
rung von Süden nach Norden und umgekehrt bestimmt ist, und
nur zufällig auch der Querrichtung von Westen nach Osten
wird dienen können. Es ist daher eine unnatürliche Behauptung,
daß die badische Bahnstrecke Kehl-Bruchsal für den Verkehr nach
Osten naturgemäß bestimmt sei, indem dieser Verkehr selbst vom
specifisch-badischen Standpunkte viel eher einer Odenwaldbahn
anvertraut werden muß. Unsere Staatsbahn von Nord nach
Süd verödet gewiß nicht durch diese Abzweigung, da ihr noch
immer ein großes Absatzgebiet bleiben wird Auf der andern
Seite aber wird unferm Odenwald endlich die heißersehnte Auf-
nahme in das große Verkehrsnetz zu Theil, und unser Mann-
heim wird mit Nothwendigkeit, wie es auch seine glückliche Lage
fordert, ein Hauptstapelplatz des Verkehrs.
Neber den Kostenpunkt der zwei Bauwerke, über die Frage,
ob sie auf Staatskosten zu errichten sind oder nicht, werden wir
uns später aussprechen.
Die deutschen Einwanderer in Brasilien.
(Schluß.)
Kann der Einwanderer nicht Grund und Boden kaufen,
hatte er vielleicht gar nicht einmal das Geld zur Ueberfahrt, so wird
er und seine Arbeitskraft Eigenthum eines Pflanzers. Ein so!-
 
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