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Mannheimer Anzeiger — 1858

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Nr. 233 – Nr. 259 (1. Oktober – 31. Oktober)
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Nr. 248
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Rr. 248

Erscheint, Montag» ausgenom-
men, täglich Morgens in 1800
Exempl. und kostet mit dem Unter-
haltungSblatte Vierteljahr!. L st.

Dienstag, IS. Oktober

Anzeigen werden in dem „Mann-
heimer Anzeiger" und dem tägli-
chen „Straßenplakat" zusammen
die gewöhul.Zeile berechn, mit S kr.

1838

„ A u fit r i a."
(Fortsetzung.)
Hr. Alfred Vezin berichtet: Ehe ich über Bord sprang
sah ich Frau Jegel mit ihrem Kinde, sie schien ziemlich gefaßt.
Herr Sondheim rief seine Familie zusammen und klagte laut.
Herr Rosenthal war unmittelbar vor Ausbruch des FeuerS im
Rauchzimmer und spielte Karten, ich habe ihn später nicht mehr
auf dem Deck gesehen.
Aussage des Fritz Thompsen aus Kappeln in Schleswig.
Ich war früher bereits 6 Jahre in Californien und hielt
mich während der letzten 3 Jahre bei meinen Verwandten in
Schleswig-Holstein auf, von wo ich am 1. September mit der
Austria nach Amerika zurückkehren wollte. Am 13. Sept- ging
ich nach Tisch auf das Deck, um etwas von meinem Zeuge zu
reinigen, da hörte ich, daß der Steuermann alle Personen aus
dem Zwischendeck heraufbeorderte, da ausgeräuchert werden sollte;
darauf begab ich mich hinab in das Zwischendeck, um meine
Sachen in den Koffer zu legen, und hier sah ich, wie der Boots-
mann mit einem Theereimer und der Steuermann mit einem
glühenden Eisen herabkamen; ich verließ hierauf das Zwischendeck
und ehe ich die letzte Stufe an der Treppe erreichte, wurde unten
Feuer gerufen, ich wandte mich um und es kam mir ein dicker
Theerdampf entgegen. Als ich das Verdeck betrat, stürzte der
Capitän herbei, fuhr mit den Händen durch die Haare und rief:
„Wir sind Alle verloren", darauf sagte ich ihm: Capitän es sind
zwei Schiffe in Sicht, wir können sie vielleicht erreichen und
gerettet werden, er aber antwortete nicht und ging nach Hinten,
ich sah ihn nicht wieder.
Es stürzte nun Alles nach den Booten und drängte sich in
dieselben, das erste wurde mit 16 Mann herabgelassen, worunter
der erste Offizier war, dieses erreichte die Maurice. Ich sah
bald, daß cs unmöglich war, in einem der überfüllten Boote
Platz zu finden, und ich drängte mich daher nach dem Vorder-
theil des Schiffes, welches von einem dichten Menschenknäuel
bedeckt war, Alles stürzte dahin, wodurch die Vordersten über
Bord gedrängt, und zu 10 bis 15 auf einmal in die See fielen.
Ich stand in der Mitte dieses Meuschenknäuels und wir konnten
kaum so viel Platz gewinnen, um die Taue, welche den ersten
Mast hielten, zu kappen, damit dieser nicht auf uns falle.
Wir verblieben so durch 2 Stunden, die Flammen breiteten
sich immer weiter aus und setzten unsere Kleider in Brand. Wir
vermochten nichts dagegen zu thun; gleich Anfangs unternahm
ich es mit -1 Andern, im Rauche vorzudringen, um die Wasser-
eimer zu holen; wir erreichten sie auch, fanden sie aber ange-
schloffen und mußten mit leeren Händen zurückkehren, später ban-
den wir Kleider zusammen, tauchten sie in's Wasser und suchten
dem Vordringen der Flammen zu steuern.
Wir konnten nicht sehen, was auf dem Hiutertheile des
Schiffes vorging, da die Mitte des Schiffes in Rauch und Flam-
men gehüllt war. Ich sah während dieser ganzen Zeit, außer
Amfangs den Capitän und ersten Offizier, Niemand von der
Maingchaft, noch hörte oder merkte ich kein Commando. Nach
Stunden waren bereits 2 Drittheile der Menschen vom Vor-
dertheue über Bord gedrängt, die Flammen rückten so weit vor,
daß man sich nicht mehr am Deck aufhalten konnte. Ich ver-
mochte mich nun nicht länger am Verdeck zu halten und ließ
mich an emem Tau, welches ich zu diesem Zwecke an einen
Rmg an der Außenseite des Schiffes festband, herab, an dem
untern Ende hatte ich eine Schlinge gemacht, in die ich meinen
Fuß setzte, und mit den Händen hielt ich das Tau fest. Kaum
aber war ich überm Wasser angelangt, so kamen 4 bis 5 Men-
schen auf einmal dasselbe Tau herabgerutscht. Sie klammerten
sich an meinen Kleidern fest, wurden aber durch frische Nachkömm-

linge verdrängt und abgestreift. So ging es beiläufig 3 Stun
den. Während dieser Zeit fielen beständig Menschen, theils halb-
verbrannt, auf uns herab und sanken nach kurzem Kampfe in
meiner Nähe, Kohlen und brennende Balken überschütteten mich,
und da meine Kräfte schwanden, ließ ich endlich das Tau fah-
ren, und schwamm nach der Richtung, in der ich das Segelschiff
vom Deck aus gesehen hatte.
Nach langem Schwimmen wurde ich von einem Boote der
französischen Barke ausgenommen; als ich an Bord kam, waren
bereits zwei unserer Passagiere da, welche die Bark direkt erreicht
hatten; mit mir wurden sieben Personen an Bord gebracht, dar-
unter Herr Eisfeld, der in der Nähe des Schiffes ausgenommen,
beinahe leblos und ohne Bewußtsein war. Am andern Morgen
kannte er noch Niemand, und als wir die Maurice verließen,
war er etwas besser, aber noch nicht bei vollem Verstände. Zwei
Boote gingen nun wieder fort, das Bugspriet und alle daran
hängenden Ketten und Tauen waren übersäet mit Menschen.
Die Boote konnten sich nicht bis unter dieselben wagen, da sonst
zu Viele auf einmal herabgesprungen, und die Fahrzeuge umge-
stürzt wären; sie konnten sich blos dem Dampfer nähern und
die Schwimmenden ausfiichen. Die Bark Maurice blieb noch
2 Stunden in unmittelbarer Nahe, während welcher Zeit beide
Boote ab- und zufnhren. Der Dampfer war nun überall in
Flammen, und Niemand war mehr an Deck zu sehen. Am näch-
sten Morgen segelten wir dicht am Wrack vorbei, konnten aber
kein lebendes Wesen sehen. Eine Meile davon, sahen wir eine
norwegische Bark, und eines ihrer Boote fuhr um das brennende
Schiff herum; so viel wir durch das Fernrohr erspähen konnten,
waren zwei bis 3 Personen nebst den Ruderleuten darin; ob
dies Gerettete waren, oder off das Boot bereits mehrere Fahrten
genial) t, konnten wir natürlich nicht unterscheiden.
Dienstag Mittag 2 Uhr wurden 12 von uns an Bord des
Lotus übergesetzt, da dessen Capitän aber keinen Proviant hatte,
wurde das vorbeisegelnde, von Charleston nach Bristol bestimmte
Schiff P. Penelton angesprochen, dessen Capitän uns mit gro-
ßer Bereitwilligkeit mit allem Nöthigen versorgte.
(Fortsetzung folgt.)

h Mannheim, 19. Okt. Stand der Fremden hiesiger
Stadt am 18. Okt.: 415 Personen.
Heidelberg, 16. Okt. Im Laufe dieser Woche wurde
dahier von dem berühmten Or. Gräfe aus Berlin eine Augen-
operation an dem erblindeten Kaufmann L. gemacht. Man
spricht von der Art dieser Operation viel, denn sie ist neu und
der Erfinder derselben, Or. Gräfe, hat darüber anfänglich manchen
Strauß zu bestehen gehabt. Chelius, Vater und Sohn, haben
der Operation beigewohnt. (K. Z,)
Aus dem Ämt Wiesloch, 15. Okt. Der Senat der
freien Stadt Hamburg hat der Unterstützungs - Commission für
die durch Brandunglück so schwer hcimgesuchten Walldorfer, welche
ihren Aufruf um Unterstützung an denselben gesandt hatte, 25
Thlr. übermacht und ihr den Rath ertheilt, sich wegen Einsamm-
lung weiterer Gaben an einen dortigen Privaten oder an den
badischen Consul zu wenden. (F- I.)
Aus dem Amtsbezirk Bühl, 15. Okt. Vor einigen
Tagen fand unter dem Vorsitze des Hrn. Dekans Stratthaus
eine Konferenz von Geistlichen der Diözese Ottersweier in Bühl
statt, woran etwa 50 katholische Priester sich beteiligten. Nach
einer freundlichen Begrüßung von Seiten des erzbischöflichen
Dekans schritt man zur Diskussion der Konferenzfragen, deren
schriftliche Beantwortung durch die Geistlichkeit der Diözese
vorausgegangen war. Den Hauptgegenstand der Verhandlungen
bildete die Lehre äe Natrimoniis clekenLis, welche in 8 ver-
! schiedenen Abheilungen erörtert wurde. (K. Z.)
 
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