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Mannheimer Anzeiger — 1858

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Nr. 103 – Nr. 128 (1. Mai – 30. Mai)
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Nr. 113
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https://doi.org/10.11588/diglit.29921#0495

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Rr. 113.

Erscheint, Montags ausgenom-
men, täglich Morgens und kostet
mit dem Unterhaltungs - Blatte
vierteljährlich S-S kr.

Donnerstag, 13. Mai

Anzeigen werden im „Mannhei-
mer Anzeiger" und dem täglichen
„Straßenplakat" die Zeile berech-

net mit Z kr.

18S8

- Mannheim, 13. Mai. Ihre Kaiserliche Hoheit die
Frau Großherzogin Stephanie traf gestern Abend nach langer
Abwesenheit in Nizza und Paris wieder hier ein. Von den
Großh. Civil- und Militärbehörden empfangen, brachte Ihrer
Kaiserlichen Hoheit die Musik, unseres Infanterie-Regiments eine
Serenade. 'W
* Mannheims 12. Mai. Die Weinheimer Ret-
tungs-Anstalt hat m diesen Tagen ihren zweiten Bericht aus-
gegeben. Derselbe schließt sich an den ersten 1854 ausgegebenen
Bericht an. Im Allgemeinen gedenkt er des stillen Wirkens der
Anstalt, die im Verborgenen sich zu immer gedeihlicherer Ausdeh-
nung entwickelt. Zu Anfang des Jahres 1854 befanden sich in
dem Hause 42 Knaben, zu welcher Zahl seitdem 36 ausgenommen
wurden. Von diesen 78 Zöglingen sind 12 vor Vollendung
ihrer Erziehung aus der Anstalt entnommen worden; 1 Knabe
mußte als unverbesserlich weggeschickt werden; 33 wurden als
gebessert entlassen, von denen 30 in dem Hause konfirmirt, wäh-
rend 3 bereits konfirmirt in dasselbe gekommen waren; 32
Zöglinge befinden sich noch gegenwärtig in der Anstalt. Ueber
die Resultate der Anstalt sagt der Bericht, je nach der Indivi-
dualität der Zöglinge, Gutes und Schlimmes; doch sollen die
meisten der Zöglinge der Besserung vollständig anheimgegeben
sein, so weit menschliche Voraussicht dies bestimmen kann. Der
Bericht spricht ausführlich über die leitenden Grundsätze der An-
stalt, über die Vorwürfe und die Lobeserhebungen, die man
ihr mache, und kommt zu dem Schluffe, daß Rettungshäuser, im
Geiste des Evangeliums geleitet, in Manchem ihr Gutes haben.
Die Weinheimer Rettungs-Anstalt zeichnet sich dadurch von den
meisten ähnlichen Anstalten des südwestlichen Deutschlands aus,
daß sie vorzugsweise tief Gesunkene zur Besserung aufnimmt,
während die übrigen Anstalten mehr darnach trachten, ihre noch
unverdorbenen Zöglinge in ihrer Sittenreinheit und Unverdorben-
heit zu erhalten und zu bestärken. Eine solche Anstalt trägt
jedenfalls den Keim natürlicher Fortenrwiklung in sich selbst. Was
Strafanstalten bei aller zweckmäßigen Einrichtung ost nicht vermögen,
ist einer solchen Anstalt möglich, wo auf Besserung der verdorbenen
Jugend alle Zwecke gerichtet sind. Da das jährliche Kostgeld nur
72 Gulden beträgt, welches für dürftige Gemeinden auf 60 Gul-
den herabgesetzt werden kann, so dürfte diese Anstalt recht viel zu
benutzen sein. Die Gesammteinnahme von 1854 bis Ende 1857
betrug an Kostgeld, Geschenke und Erlös verkaufter Produkte
und Fabrikate der Anstalt 16,990 fl. 21 kr.; die Gesammtaus-
gabe 17,801 fl. 37 kr., wornach ein Defizit von 811 fl. 16 kr.
verbleibt. Die Anstalt bittet um Liebesgaben zur Deckung ihrer
Verbindlichkeiten, zur Erhaltung und Ausdehnung ihres Zweckes.
* Aus Baden. Erschiene es nicht zweckmäßig, für jeden
der 4 Kreise unseres Großherzogthums eine Handels- und Ge-
werbekammer zu errichten? Veranlassung zu dieser Frage, be-
ziehungsweise Vorschlag geben uns die vielen Stimmen, die sich
mißbilligend äußern über die endgiltige Entscheidung in Angelegen-
heiten, die ausschließlich vor das Forum des Handels gehören
und zwar in neuerer Zeit hauptsächlich der Eisenbahnen. Wir
kennen in dieser Richtung z. D- die zahlreichen Klagen der
Fabrikstädte Lahr und Pforzheim; wir sehen den bleibenden,
versteinerten Vorwurf Mannheims, unseres größten Handels-
platzes, in der Brücke bei La den bürg; wie wir hören den
Angstruf der ausschließlich auf Handel und Gewerbe angewie-
senen Städte Eberbach und Wertheim vor drohender Bei-
scitesetzung. Für ein Handels-Ministerium, dessen Wohl-
thaten größere Staaten preisen, ist unser Land zu klein;
aber der Errichtung von Kreishandelskammern unter einer lei-
tenden Zentralbehörde könnte nach unserer Ansicht die gr- erleuch-
tete Regierung eben so wenig ihre qutheißende Zustimmung ver-
sagen, als ihrer Zeit der Gründung der landwirtschaftlichen
Bezirksvereine und deren Zentralstelle, in dankbarer Anerkennung

! der vortrefflichen Leistungen ihrer außerbadischen Schwestern
! Die segensreiche Wirksamkeit der bayerischenKreiöhandelskammern
l zum Theil kennend, treten wir mit obigem gewiß zeitgemäßen
! Vorschlag vor die badische Handels- und Geschäftswelt, Befähig-
j tere bittend, diese Zdee weiter zu verfolgen und zum Segen un-
seres Landes der Verwirklichung entgegen zu führen. — In der
Justizverwaltung werden demnächst einige Beförderungen eintreten;
em Oberhofgerichtsrath in Mannheim und ein Hofgerichtsrath
in Freiburg sollen zu Hofgerichts-Direktoren ausersehen sein. —
Die „Badische Landeszeitung" bestätigt die Nachricht, daß die
Mannheimer und die Karlsruher Bierbrauer sich bei einer
Besprechung in Mannheim über einen gemeinsamen Preis des
diesjährigen Lagerbieres verständigten, und fügt dieser, für das
Publikum eben nicht erfreulichen Nachricht hinzu, daß bei eben
dieser Versammlung beschlossen wurde, am 8. k. M. einen Bier-
brauerkongreß in Karlsruhe abzuhalten, der voraussichtlich
sehr zahlreich beschickt werden wird. Zweck desselben ist Austausch
der Erfahrungen im Braufache, sodann gesellige Unterhaltung. —
Neben den früheren Projekten zur Leitung der Odenwälder Bahn
durch die SkadtHeidelberg, ist eilt neues aufgetaucht, welches
dieselbe durch einen in den Geisberg und Schloßbcrg gegrabenen
Tunnel gerichtet wissen will. — Die Durlach-Pforzheim-
M ühla cker-Eisenb ahn hat dadurch einen Anfang bekommen,
daß auf persönliche Anordnung des Direktors des Wasser- und
Straßenbaues, des Herrn Ministerialrathes Baer, bereits durch
den Gemeinderath in Pforzheim die nöthigen Räumlichkeiten
für mehrjährige Unterbringung einer besonderen Eisenbahn-Bau-
nstpeklion und einer Eisendahn-Bnukasse beschafft werden. — Hof-
rath Gebhard, Direktor des Gymnasiums in Lahr, feierte am
IT Mai seine 40 jährige Dienstzeit.
München, 9. Mai. Die k. Polizeidirektion dahier Hal
durch Ausstellung von zwei Physikatsassistenzärzten die sehr lobens-
werthe Einrichtung getroffen, daß von nun an im Polizeigebäude
zu jeder Zeit, bei Tag und Nacht, für vorkommcnde Unglücks-
fälle rc. ärztliche Hülfe bereit ist, und sofort erlangt werden kann.
— Im abgelaufenen Monat sind 7209 Fremde hier angekommen,
und 6894 abgereist. (A. Z.)
* Bei einer Bücherauction in Augsburg wurde in diesen
Tagen die erste Bibel von Gutenberg und Faust für 2336
Gulden verkauft. Sie kommt in die kaiserliche Bibliothek nach
Petersburg.
* In Wiesbaden, wurden mit dem neuerfundenen Feuer-
löschpulver Versuche angestellt. Dasselbe soll sich für seinen
Zweck nicht als wirksam erprobt haben.
* Der Prinz von Preußen hat für das Luther-Denkmal in
Worms einen Beitrag von 250 fl. und der Prinz und die Frau
Prinzessin Friedrich von Preußen einen solchen von 100 fl. dem
Vereinsausschusse übersenden lassen.
* Köln, 9. Mai. Die Summe, zu welcher die neue Rhein-
brücke veranschlagt worden ist, wird nicht auswichen; man glaubt,
daß der Bau bis zur Vollendung ein Capital von ca. 4 Mill.
Thlr. in Anspruch nehmen dürfte. — Die Criminal-Procedur
l gegen die Wittwe Josephine Brückmann, geborene Bliesing, we-
gen Giftmordes, verübt an ihrem Gatten und einzigen Kinde,
; um ein anderes Subjekt, mit welchem sie bereits zu Lebzeiten
ihres Mannes in unerlaubtem Umgänge gestanden, und welcher
l sich im Laufe der Untersuchung im Arresthause erhenkte, heirathen
j zu können, ist soeben beendet. Der Wahrspruch der Geschwore-
! neu lautete auf Schuldig, und in Folge dessen vcrurtheilte sie der
' königliche Assisenhof zum Tode.
* Bern, 8. Mai. Auf Reklamation des Bundesrathes
' hin sind im Gränzverkehr mit Frankreich etwelche Erleichterungen
! eiugetreten. Zu dem Zwecke werden den Grenzbewohnern wieder,
wie früher, einfache Passirscheine (Iai886r pa8L6n) an der Stelle
des Paffes ertheilt.

(Hiezu eine Beilage.)
 
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