Rr. 118
Erscheint, Montags auefleuom-
mcn, täglich Morgens in 1866
Exempl. und kostet mit dein Umer-
haliungsblatte vierteljährl. L-L kr.
Mittwoch, 19. Mai
Anzeigen werden in dem „Mann-
heimer Anzeiger" und dem tägli-
chen „iNtraßenplakat" zusammen
die gewöhn!.Zeile berechn, mit Ä kr.
1838.
Der Invalide der Industrie.
Für die Entwicklung des Menschen gibt es gewiß kein grö-
ßeres Hinderniß als das materielle Mißbehagen, die Armuth in
verschiedenen Gestalten und Verzweigungen. Einer der Haupt-
vorzüge und einer der Hauptkaraktere unserer Zeit aber ist, daß
sie die Bedeutung dieser Erscheinung im gesellschaftlichen Leden
immer wahrer und tiefer zu erfassen strebt, und daß sich in ihr
nach und nach die Ueberzeugung befestigt, daß, wenn die gesell-
schaftlichen Verhältnisse wirklich nachhaltig gebessert werden sollen,
nicht blos auf den geistigen Fortschritt der Massen, sondern auch
auf den materiellen hingewirkt werden müsse, weil jener am be-
sten und vielleicht nur durch diesen zu erreichen und zu sichern
sei- Lenken wir unsere Blicke zunächst nach Norden, und sehen
wir, wie dort ein hochherziger Kaiser materielle Reformen irr al-
len Zweigen des öffentlichen Dienstes rasch aufeinander folgen
laßt, und die mit einer Energie durchgeführt werden, von der
man in diesen Ländern früher keinen Begriff hatte! Was ist
nicht minder in Deutschland, und insbesondere in unserem engern
theuern Vaterlande nach dieser Richtung schon vieles Gute ge-
schehen? — Aber wir dürfen, wir sollen nicht Alles vom Staate
erwarten, auch das Individuum hat die Pflicht selbst für sich zu
sorgen, wenn ihm namentlich hiezu Gelegenheit dargeboten ist.
Und doch wird dieses in einem sehr wichtigen Punkte noch von
einer großen Mehrzahl unterlassen! Der Staalsdiener, der Krw-
ger, der seine Dienste und sein Leben dem Vaterlande widmet,
erhält mit allem Rechte eine Ruheversorgung durch den Staat;
nicht so der Invalide der Industrie, und zwar mit demselben Rechte,
weil seine Dienste nicht der Allgemeinheit, sondern den Sonder-
Verhältnissen gelten. Es ist sonach seine heilige Pflicht, bei Zei
ten für sich selbst und seine Familie zu sorgen, und hiezu bieten
die verschiedenen auf den lieberalsten Bedingungen aufgebaulen
zweckmäßig geleiteten Lebensversicherungs-Gesellschaften mit ihren
Renten-Anstalten, Kinderausstattungsvereinen u. s. w. dem Ge-
werbsmanne, dem Arbeiter, die beste und zugleich äußerst billige
Gelegenheit. Mit einer geringen, regelmäßig zu leistenden, kaum
verspürbaren monatlichen Einzahlung kann man sich den Lebens-
abend sorgenlos, und selbst noch nach dem Tode der hinterlasse-
nen Familie einen süßen Nothpfenning bereiten, der sie vor Elend
und Verzweiflung zu schützen, dem Mitleiden seiner Nebenmen-
schen zu entziehen und die dankerfüllte Liebe noch über das Grab
fortzupflanzen vermag.
Darum Ihr Männer aus dem Bürgerthum, Ihr Arbeiter,
die Ihr das Vaterland mit dem Schweiße Eurer Stirne befruch-
tet, versäumet nicht, für Euren Ruhegehalt selbst zu sorgen! Be-
denket Vas wohlthuende Gefühl, wenn Zhr nach vollendetem
Tagewerk Euerer Lebensarbeit, im Hafen der sorgenlosen Ruhe
und glücklichen Zufriedenheit mit freudiger Erinnerung auf die
Vergangenheit und ihr Wirken zurückblicken und damit die der-
einstige Gegenwart beseligen könnet, — dann werdet Zhr von
dem uebel, welches die Zukunft vielleicht in ihrem Schooße birgt,
Wenig oder Nichts zu fürchten haben. (K. A.)
7 Mannheim, 19. Mai- Die gestern Abend im Aula-
Saale stattgefundene Probe der vereinigten Männergcsang-Vereine
Mannheim's, in welcher Kücken's imposanter Chor: „Wachet auf!„
studiert ward, war so vorzüglich, daß uur noch eine Hauptprobe
stattfinden wird. Diese ist auf Freitag, Abend 8 Uhr, anberaumt
und der Zutritt Jedermann gestattet, welchen Genuß wir hiermit
den Freunden des deutschen Männergesanges nicht vorenthalten
wissen möchten.
* Mannheim, 18. Mai. Herr Caffieri gastirte, wie be-
reits gemeldet, am 9. und 11. Mai unter großem Beifalle am
Stadttheater zu Breslau als „Raoul" in den „Hugenotten" und
als „Sever" in der „Norma," worauf derselbe engagirt wurde.
Die „Norma" sang an diesem Abende die berühmte Sängerin
Frau Bürde-Ney.
ff Mannheim, 19. Mai. Stand der Fremden hiesiger
Stadt vom 17.-18. Mai: 377 Personen.
" Aus Baden. Wie man vernimmt, soll das Großh-
Armeekorps kommendes Spätjahr bei Villingen zusammengezogen
werden, um daselbst gemeinschaftliche Uebungen vorzunehmen. Auch
die königl. würtembergischen Truppen würden, so hört man, an die-
sen Uebungen Thei! nehmen. — Der vor einiger Zeit in Hei-
delberg gegründete Gewerbvereln erfreut sich eines schönen Fort-
ganges. Die wöchentlichen Versammlungen desselben sind wegen
der interessanten und belehrenden Vorträge, welche in demselben
gehalten werden, zahlreich besucht. Ein Vortrag über die Ent-
stehung und Geschichte des sog. „blauen Montags" dürfte wohl
auch in weiteren Kreisen nicht ohne Znteresse sein, weßhalb des-
sen Veröffentlichung, wenigstens seinen! Hauptinhalte nach, gewiß
wünschenswerth wäre. — Ihre Königl. Hoheiten der Großher-
zog und die Frau Großherzogin wohnten am 15. Mai im Klo-
ster Lichtenthal der feierlichem Installation ver Aebtissin, bisheri-
gen Priorin, an.
* Der k. württembergische Hosschauspieler Grunert ist vom
kommenden I.Oktob. an am Münchener Hoftheater mit einem
Jahresgehalt von 4000 fl. engagirt.
Stuttgart, 17. Mai. Wie wir hören, hat die Finanz-
kommission der Kammer der Abgeordneten mit 13 gegen 2 Stim-
men den Beschluß gefaßt, an die Kammer den Antrag zu stellen:
sie möge die von der königl. Staatsregierung vorgenommene Er-
höhung ver Ausgaben für die Gehalte der Departementöminister
als gerechtfertigt nicht anerkennen. (S. M )
Stuttgart, 15. Mai. In der Kammer der Standes-
herren erklärte Fürst Wallerstein, die Stanoesherren ließen ihre
Beschwerde beim deutschen Bundestage fallen, und die Kammer
trat daraus in die Berathung des Ablösungs-Gesetzentwurfes
ein. ' (A. Z.)
Am 25. Juni werden sich die Mittelrheinischen Gymna-
siallehrer in Auerbach an der Bergstraße zusammen finden,
um über ausgestellte Fragen, Erfahrungen und Anschauungen
sich auszusprechen.
Worms, 16. Mai. Gestern ertränkte sich ein Mädchen
von Neuhausen in den Fluthen des Rheines, in der Nahe von
Rheindürkheim. Unglückliche Liebe soll das Motiv zu diesem
Selbstmorde gewesen sein. (Rh. H.)
Koblenz, 12. Mai. Der Jahresbericht unserer Han-
delskammer, welcher so eben die Presse verlassen, hebt abermals
die Nothwendigkeit der Ermäßigung der Rheinschifffahrtsabgaben
hervor und bemerkt insbesondere, daß mit den gegenwärtigen Be-
lastungen die an beiden Usern des Rheins entstehenden Schienen-
wege geradezu das künftige Bestehen der Rheinschifffahrt in Frage
stellten. Durch Ermäßigung der Rheinzölle würde auch die Ein-
nahme des FiskuS keineswegs verkürzt. Als Beweis wird auf
den Artikel „Baumwolle" hingewiesen, dessen Transport sieb ziem-
lich vom Rhein entfernt hatte, nunmehr aber, seitdem die Rhein-
zollgefälle von der Vi zur Gebühr herabgesetzt worden, wieder
außerordentlich zugenommen habe- Sodann beklagt sich die Kam-
mer über das Versanden der Flußstrecken längs unserer Stadt
sowohl im Rhein als in der Mosel. (A. Z.)
Am 12. d- gingen gegen 200 und am 13. d. 60 Aus-
wanderer beiderlei Geschlechts aus ver Provinz Pommern, mei-
stens dem Bauernstände angehörig, nach Hamburg ab.
* Die Stadt Base! läßt auf der.Schaveizerseite ihre Mauern
und Bastionen entfernen, die Laus- und Lchauzgralxn zuwerfen,
um der anwachsenden Bevölkerung den nöthigen Raum zu ge-
winnen..
Entgegen den Kundgebungen in der dänischen Presse,
die so kriegslustig klingen, wird den Altonaer Blättern aus Ko-