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Mannheimer Anzeiger — 1858

DOI Kapitel:
Nr. 181 – Nr. 206 (1. August – 31. August)
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Nr. 185
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Manchcimcr Anzcigcr.

Rr. 183

Erschetut, MoutagS ausgenom-
men, täglich Morgens in 1800
Exempl. und kostet mit dem Uuter-
baltungsblatte vierteljäbrl. KL kr.

Freitag. 8. August

Anzeigen werden in dem „Mann-
heimer Anzeiger" und dem tägli-
chen „Straßeuplakat" zusammen
die gewöhnl.Zeile berechn, mit S kr.

1838.

X Mannheim, den 5. August. Zeitungsnachrichten I
gemäß soll nächsten Monat zu Gotha eine Versammlung soge-
nannter Volkswirthe ftattfiiiden, wobei laut dem Programme
namentlich auch die Gewerbesrage in dem Berathungskreise nicht
fehlen wird Insofern als hierbei die Verhältnisse des Handwer-
kerstandes zur Sprache kommen werden, muß es sehr in Verwun-
derung setzen, daß die Einladungen nur au Gelehrte, Fabrikanten,
Handelskammermitglieder und Staatsbeamte gerichtet sind, also
die lebendigsten Elemente der Volkswirthschaft, die Gewerbsm elfter,
die Männer der praktischen Erfahrung, an dem dasigen Ideen-
austausche keinen Antheil haben sollen. Fast scheint es, daß inan
dieser Seite gegenüber eine Niederlage für die Bücherweisheit
und Theorieenreiterei fürchtet, oder daß man, was noch weit schlim-
mer wäre, sich in einer gewissen Geringschätzung der intellektuellen
Kraft des Handwerkerstandes gefällt, welchem Letzterer wegen sei-
ner vermeintlich tieserliegenden Bildungsstufe Verständlich, Glück
und Wohlsein von Außen, durch Professoren u. s. w., oktroirt
werden müsse. Es sieht wie Anmaßung aus, mit Jgnorirnng
der Nichtbetheiligten eine der wichtigsten Zeitsragen behandeln, und
durch Kultivirung abstrakter wissenschaftlicher Sätze aus den Um-
sturz der alten Existenzgrundlagen des Kleingewerbes oder besser ge-
sagt, des gewerblichen Mittelstandes, hinzucnbeiten.
Ueberall da, wo dieser Mittelstand noch in seiner hergebrach-
ten Macht, Berechtigung und soliden Eriftenz bewahrt, und sich
dieser hohen Güter klar bewußt ist, hat sich gegen die doktrinä-
ren, in ihrem letzten Ziele grundverderblichen Bestrebungen sofort
eine energische Reaktion kundgegeben, in Folge deren zum Rück-
züge geblasen und auf norddeutsches Gebiet retirirt werden mußte.
Wir möchten sehen, wie z. B. Frankfurter, Münchener oder Wie-
ner wohlbestellte Handwerksmeister, die ncch nicht unter das Fort-
schrittsjoch der Handelsübersreiheit des Fabrikwesens und der Kapi-
talherrschaft gebeugt sind, sich zu der obengedachten Versammlung
stellen würden, wenn es ans ganz vernünftigen Gründen geschähe,
daß die Handwerks-Zünfte Deutschlands zur Beiwohnung einge-
laden würden. Nicht ernst und eindringlich genug kann aber
jedenfalls die Mahnung au den deutschen Handwerkerstand er-
gehen, seine eigene Angelegenheiten nicht fremden, bevormundungs-
süchtigen Händen zu überlassen, sondern zur Gewinnung der ge-
bührenden Rechte und des benöthigten Schutzes eben solche Wan-
drrversammlungen zu unternehmen, die für so ersprießlich erklärt
werden, daß ein renommirter Schriftsteller sie selbst den Fürsten
Deutschlands zum Heile des Vaterlandes anzuempfehlen sich er-
lauben durfte. Die Bierbrauer haben bekanntlich theilweise da-
mit begonnen. Man erinnere sich des Aufsehens, welches dadurch
erregt wurde.
ck Mannheim, 5. August. Stand der Fremden hiesiger
Stadt vom 4. — 5. August: 379 Personen-
* Aus Baden. In einer Bezirksgemeiude des Amtes
Wertheim ist es jüngst vorgekommen, daß durch unvorsichtiges
Stehenlassen eines Kruges Branntwein Kinder nn Hause darüber
geriethen und für eines derselben, einen neunjährigen sonst sehr
Wackern Knaben, cher Branntwein eine Hirnentzündung und
schnellen Tod herbeiführte. — Se. Ercellenz der Herr Erzbischof
v. Vicari hat für die Brandverunglückten Walldorf's die
Summe von 100 fl. übermacht. — Am 2. August war's ein
Zahr, daß Königsbach durch einen Brand so schwer heimge-
sucht wurde; heute sind fast alle Gebäude wieder neu aufgeführt.
-- Die höhere Bürgerschule zu Ettenheim wurde im Laufe des
eben beendigten Schuljahres von 211 Knaben besucht. Die
Prüfungen fielen sehr befriedigend aus. — I. K. H. die Frau
Großherzogin Stephanie ist von Baden-Baden wieder nach Um-
kirch zurückgekehrt.
* Am 1. August wurden in Neustadt die ersten weißen
und rothen reifen Trauben eingebracht.

* Graf v- Giech wurde vom Bezirksgerichte zu Bayreuth
zu 10 fl. Geldstrafe verurteilt, weil er bei der letzten General-
synode eure Interpellation in Druck gab, die ohne Beisetzung des
Namens des Druckers ausgegeben wurde.
* In Stuttgart zapfen sie jetzt aller Orten 2 Kreuzerbier
und Groschenwein —um leere Fässer für den zu erwartenden rei-
chert Herbstsegen zu bekommen.
* In Eßlingen herrscht so große Wohnungsnot!), daß das
Stadtschultheißenamt genöthigt ist, viele Familien, die bei dem
letzten Ausziehtermine an Jakobi ohne Wohnung blieben, auf
eigene Kosten einzumiethen.
- Die sächsische erste Kammer hat für die Erbauung einer
neuen Porzellan-Manufaktur in Meißen 300,000 Thlr. be-
willigt.
* Die Verheerungen durch Wasser in ganz Sachsen sind
grauenhaft in ihrer Zusammenstellung. In Zwickau ist die
Mulde in der Nacht vom 30.—31. Juli um 5 Ellen gestiegen
und hat den größten Theil der Stadt, so weit er niedrig gelegen,
unter Wasser gesetzt. Bis Nachts 2 Uhr ist das Wasser am 31.
Juli immer gestiegen, von da an aber bis früh 8 Uhr um etwa
I V-Ellen gefallen, seitdem aber in gleicher Höhe geblieben. Seit
1694 ist eine so hohe Überschwemmung* nicht dagewesen. Der
ganze Stadtgraben, auch der hochgelegene südliche Theil, ist ganz
mit Wasser gefüllt und läuft über. In einigen Häusern sind
im Parterre die Mauern theils weggerissen, theils erweicht und
eingestürzt und die Bewohner haben dieselben verlassen müssen-
Am schlimmsten sind die Bewohner der nieder« Vorstadt daran;
noch am 1- August, Morgens, ertönten Nothschüsse. Vom Holz-
anger ist sämmtliches Holz fortgeschwemmt worden. Ein Privat-
schreiben aus Zwickau vom 2. August meldet von dem Wasser-
schaden in dem niederen Theile der Stadt, wo bereits Häuser
eingestürzt sind und andere mit dem Einsturz drohen. Bockwa
und Schedewitz hatten außerordentlich zu leiden, die steinerne
große Muldenbrücke in Bockwa war gesperrt und schwer beschä-
digt, ebenso eine hölzerne in Kainsdorf; sogar die vor 2 Jahren
erbaute eiserne Brücke der Kohlenbahn ist unfahrbar und aller
direkte Verkehr nach oben gehemmt. Mit Ausnahme zweier sollen
alle Kohlenwerke am rechten Muldeufer zum Stillstände gekom-
men sein, die größeren Werke auf dem linken Ufer sind nicht
bedroht. — Nach einer Correspondenz der „D. Allg. Ztg " aus
Zwickau sind die Bockwaer Schächte fast alle ersoffen und da-
durch Tausende von Arbeitern brodlos geworden, denn es wird
lange währen, ehe man wieder Kohlen fördern kann. Auch die
Oberhohndorser Schächte müssen von untenher bedeutend Wasser
erhalten haben. — Ebenso sind in Chemnitz fast alle Vorstädte
von dem Chemnitzflusse überfluthet, der in fortwährendem Steigen
war. Am schlimmsten aber ist die Noch in Glauchau; dort
steht die von über 3000 Menschen bewohnte Vorstadt, der Wehr-
digt, ellenhoch unter Wasser; Menschen sind verunglückt, Häuser
sogar eingestürzt. Die am Orte gänzlich fehlenden Rettungsmit-
tel, Kähne u- s. w. sind mittelst Ertrazuges von Dresden über
Leipzig nach Glauchau transportirt worden. In einem zweiten
Zuge sind demselben zwei Abtheilungen Pioniere und Pontoniere
gefolgt, denn einige Tausend Menschen, die sich in die oberen
Räume der umflutheten Häuser geflüchtet haben, schweben in der
größten Lebensgefahr. Vom Gebirge sind wir ohne Nachricht,
da man nur bis zur Bockwaer Brücke kommen kann und der
Telegraph dahin seine Dienste versagt. So viel steht fesV daß
die Schwarzenberger Eisenbahn sehr gelitten hat und auf längere
Zeit nicht wird befahren werden können. Auch auf die Kohlen-
preise wird dieses Ereigniß einwirken, da die Bockwaer Schächte
fämmtlich ersoffen sind und deßhalb lange stille stehen werden. —
Das Dresdener Journal vom 2. August bringt weitere Nach-
richten über die Neberschwemmung in Glauchau. Dieselbe ist
 
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