Nr. 27»
Erscheint, Montags ausgenom-
men, täglich Morgens und kostet
mit dem Unterhaltungs - Blatte
vierteljährlich kr.
Freitag 29 Januar.
Anzeigen werden im „Mannhei-
mer Anzeiger" und dem täglichen
„Straßenplakat" die Zeile berech-
net mit T kr.
1858.
-Bestellungen auf den „Mannheimer
Anzeiger" und das „Änterhaltnngs-
blatt" für die Mouate Februar uud März
können für 36 kr. gemacht werden bei allen Postanstalten, den
Boten der Umgegend, den Trägern in der Staat uno bei
der (Expedition.
P V B g K tt-Z M
zu dem feierlichen Leichmbegängniß des in Gott ruhenden Groß-
herzogs Ludwig Königliche Hoheit.
Nach demselben findet die Beerdigung der hohen Leiche des
verewigten Fürsten Freitag, den 29. Januar, Nachmittags 3 Uhr,
statt. Um 2 Uhr Nachmittags ist Trauergottesdienst in der zur
Trauerfeier entsprechend geschmückten Schloßkirche, wobei der Hof-
prediger Bevschlag die Trauerrede hall. Um 2^ Uhr bildet die
Garnison von der Schloßkirche über den Schloßplatz bis zur
Stadtkirche Spalier 6 Kammerherren unter Assistenz von 12
Unteroffizieren verbringen den Sarg in den unter dem Balkon
bereit stehenden Leichenwagen. Unmittelbar hinter dem Sarge
folgt Se. Kgl. Hoh. der Großherzog Friedrich, umgeben von
Höchstseinen Adjudanten, die Prinzen des Großherzoglichen Hau-
ses und Höchst'deren Adjudanten. Vor und nach dem Zuge fol-
gen die dazu Geladenen nach spezieller Anordnung des Gr. Vice-
Oberceremonienmeisterö. Sobald der Leichenzng auf dem Markt-
platze ankommt, wird von der Musik des Grenadierregiments der
Choral: „Jesus meine Zuversicht" gespielt. Die in der Stadl-
kirche versammelte Geistlichkeit beider Konfessionen empfangt die
hohe Leiche und geleitet sie zum Katafalk. Bei dem Eintritt des
Kondukts in die Kirche beginnt das Orgelspiel, und währt bis
zur Niederlegung des Sarges auf den Katafalk, wo sodann ein
Choralgesang einfällt. Nach dessen Beendigung verliest der Hof-
prediger die Personalien und spricht das Gebet. Alsdann wird
der Sgrg in die Gruft versenkt. Nach der Versenkung des Sar-
ges wird ein zweiter Choral gesungen und die Trauerversamm-
kung durch den Geistlichen entlassen. Hierauf begeben Sich Se.
Königl. Hoh. der Großherzog nebst den Großherzoglichen Prinzen
unter Vortritt des Trauermarschalls und der Geistlichkeit in die
Gruft, woselbst der Hofprediger die hohe Leiche einsegnet. Vom
Beginn des Zugs bis zur Ankunft desselben in der Stadtkirche
werden in vorgeschriebenen Intervallen die Kanonen gelöst und
wird mit allen Glocken gelautet.
* Badischer Landtag.
SH. öffentliche Sitzung der zweiten Kammer.
Mittwoch, 27. Januar 1858.
In dieser öffentlichen Sitzung der 2. Kammer der Stände-
versammlung wurden von dem Hrn. Präsidenten des Kriegs-
Ministeriums zwei weitere Vorlagen zu dem ordentlichen Budget
gemacht. Die eine betrifft die Ermächtigung, daß die unter Ti-
tel lil Armeeeorps sich ergebenden Ersparnisse für die Umände-
rung der Schießwaffen, und für die Remontirung verwendet
werden können; die zweite eine Erhöhung des Bezugs der Stabs-
Offiziere in den Altcrszulagen. Hiernach soll die Gage einschließ-
lich derselben bestehen: für den Oberst k. Classe 3100 fl., Oberst
U. Classe 2900 fl., Oberstlieutenant 2900 fl., Major 2100 fl.
Hierauf wurde zur Diskussion des Kataster-Gesetzes geschritten
und dasselbe vollends durchberathen. Die namentliche Abstimmung
ergab das Resultat, daß 33 für und 23 gegen dasselbe stimmten.
Sodann wurde zur Berathung des Budgets der Badanstalten
geschritten. Die Gesammt-Einnahmen sind zu 312,716 fl. ver-
anschlagt und betragen 21,300 fl. mehr, wie in der abgelaufenen
Periode. Sämmtliche von der Regierung beantragten Ausgaben
wurden mit dem Anfügen genehmigt, daß lOo/g-von dem Brutto-
beträge der Badanstaltenverwaltung bei der Amortisationskasse
zinstragend angelegt werde. Ein weiterer Vorschlag der Budget-
Commission, den Zuschuß zu den Kosten der Erbauung des Thea-
ters bis zu dem Betrage von 80,000 fl. nur unter der Bedin-
gung aufzunehmen, daß der Bau nicht eher begonnen werde, als
bis die ganze Bausumme, wenn dieselbe auch den Kostenüberschlag
übersteigen sollte, durch anderweile Beiträge gedeckt erscheint, und
daß ebenso vollständige Sicherheit für einen angemessenen Betrieb
und für die Unterhaltung des Theaters in der Art gegeben ist,
daß der Zuschuß aus dem Badfond den Betrag von 4000 fl.
jährlich niemals übersteigt; — von der Kammer zum Beschlüsse
erhoben. Gleichzeitig wurde eine Petition wegen Unterstützung
des Bades in Epplingen durch Uebergang zur Tagesordnung er-
ledigt. — Der Präsident lud sodann die Mitglieder zu der feier-
lichen Beisetzung der Leiche des höchstfeligen Großherzogs Ludwig
Kgl. Hoh. auf Freitag mit dem Anfügen ein, daß sie sich im
StändehauS zu versammeln haben.
* M a unheim, 28. Jan. Wenn ein dieser Tage vorgekommener
Fall von Geistesstörung uns Anlaß zu einem Artikel gibt, so ver-
binden wir damit hauptsächlich die Absicht, die spezielle Ursache
erwähnter Geistesstörung, die bayerische Zahlenlotterie, als ab-
schreckendes Beispiel in die Oeffemlichkeit zu bringen.
Ein früher wohlhabender Mann mit gutem und gesicher-
tem Einkommen ergab sich mit Leidenschaft dem Lottospiel, wo-
durch er sein Vermögen einbüßte und über diesen Verlust in
Irrsinn verfiel. Schon vor einiger Zeit, als derselbe die Aeuße-
rung that: entweder müsse ganz Bayern ihm zu Eigenthum ge-
hören,^oder die bayerische Lotterie sein Vermögen bekommen, glaubte
man Symptome von Geistesstörung an demselben wahrzunehmen.
Dieser Tage kam die Krankheit zum Ausbruch.
Möchte dieZahlenlotterie in Bayern doch endlich einmal aufgehoben
werden, wodurch allein der verderblichen Sucht ein Ziel gesetzt wer-
den kann! Schon vor einigen Jahren wurden die strengsten
polizeilichen Maßregeln gegen die Spieler und die sogen. Unter-
kollekteure hier in Anwendung gebracht. Es wurde manche Spiel-
hölle, wo Nummern eingeschrieben wurden, ausgehoben und man-
cher Spieler wurde an der Rheiubrücke mit Nummern in der
Tasche arrelirt und mit Geld oder Gesängniß bestraft. Allein
dem Uebel ist durch keine Polizeimaßregeln zu steuern.
Versuche man ja nicht auf Rechnung des menschlichen freien
Willens dieses bei der bayerischen Zahlenlotterie mit beinahe unbe-
rechbarem Vortheil operireude, besonders auf die unfreiwillige
Leichtgläubigkeit der ärmern Volksklassen spekulirende Saugsystem
zu entschuldigen, sondern verdamme man vielmehr jede sowohl
Staats- als Privat-Spekulation, welche berechnet ist, den freien
Willen der Menschen in Versuchung zu führcu.
Jeden Menschenfreund mußte wohl ein freudiges Gefühl
überkommen, als aus den Berichten des letzten Stuttgarter Kirchen-
tags zu ersehen war, daß die dortige Versammlung der höheren
Geistlichkeit sich energisch gegen das abscheuliche Lotterielaster aus-
gesprochen. Es ist erfreulich, die mächtigen Waffen des Wortes
und die Weihe des Standes für das Wohl der Menschheit an-
gewendel zu sehen. Der Dank vieler tausend Familien lohnt solches
Wollen gern. Regierungen und Stände jener Länder aber, wo
zur Zeit noch derartige Lotterien im Staatsbudget als Einnahms-
guellen aufgeführt sind, werden durch die allgemeine europäische
Entwaffnung und Verminderung der stehenden Heere ganz bestimmt
den Ausfall des Lotterie-Erträgnisses zu decken wissen, wodurch
auch der alleinige Grund fernern Bestehens noch schwindet, die schon fio
oft angestrebte Aufhebung des verdammungswürdigcu Hazarbspiels
durchzuführen. Mögen insbesondere vie Regierungen denjenigen
nicht unbeträchtlichen Theil ihrer Unterthemen dabei in's Auge
fassen, welcher schon durch das Lotterieunwesen zu wahren Bett-
lern gemacht wurde und noch gemacht werden wird!
Derjenigen Klasse von Menschen aber, bei welchen das