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Mannheimer Anzeiger — 1858

DOI Kapitel:
Nr. 233 – Nr. 259 (1. Oktober – 31. Oktober)
DOI Kapitel:
Nr. 239
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https://doi.org/10.11588/diglit.29921#1093

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Rr. L3S

Erscheint, Montag» ausgenom-
men, täglich Morgens in 1800
Exempl. und kostet mit dem Unter-
haltungSblatte vierteljährl. 1 st.

Freitag, 8. Oktober

Anzeigen werden in dem „Mann-
heimer Anzeiger" und dem tägli-
chen „Strgßenplakat" zusammen
die gewöhnl.Zeile berechn, mit T kr.

18S8

Ein Schiffs-Untergang.
Livorno, 30. Sept. Gestern Nacht fand ein Zusammen-
stoß der beiden französischen, der Messagerie imperiale gehörigen
Dampfschiffe „Aventin" und „Hermus", in der Meerenge von
Piombino bei Elba, statt, wobei das erstere unterging. Ein
Augenzeuge berichtet darüber der „Allg. Ztg." folgendes Nä-
here: Der Aventin setzte sich Mittwoch, Nachmittags 5 Uhr,
von Civitavecchia aus in Bewegung, um nach Livorno und Ge-
nua zu gehen. Das Wetter war herrlich, die Lust still, das
Meer ruhig, der Mond und die klar leuchtenden Sterne machten
fast eine Tageshelle aus der Nacht; die Passagiere, etwa 30 an
der Zahl, worunter 3 deutsche Reisende, erfreuten sich bis 10
Uhr an der Beobachtung des großen, am nördlichen Himmel
sichtbaren Kometen, und die Mehrzahl ging alsbald zu Bette.
Aber bald nachdem dies geschehen war, der Jrssel Elba gegen-
über, im Canal von Piombino, wurde man durch eine furcht-
bare Erschütterung des Schiffes geweckt. Es war ein donnern-
des Krachen, das ununterbrochen gegen eine Minute lang sich
fortsetzte, und die meisten Passagiere theils halb, theils nicht an-
gekleidet vor Schrecken auf das Verdeck rief. Man sah, daß das
eiserne Schraubenschiff Hermus von 360 Pferdekraft, welches
von Livorno dem Aventtn entgegen kam, von vorn gerade auf
den Aventin losgefahren, und mit diesem zusammengestoßen war.
Alle sahen sogleich die Gefahr vor Augen, indessen die Eapitäne
beider Schiffe noch riefen, daß keine Gefahr sei, und der Capi-
tän des Schiffes Hermus, das inzwischen der Länge nach gegen
den Aventin gestellt war, sich sogar weigerte, die Passagiere des
Aventin aufzunehmen. Indessen fing der Aventin schnell an zu
sinken, und man erkannte, daß er in der Mitte gegen den Rad-
kasten halb durchbrochen war, so daß der augenscheinliche Schiff-
bruch Jedem vor Augen lag. Das Rufen und Schreien der
Passagiere, besonders der Frauen, machte die Verwirrung groß;
Alles lief, wie man aus dem Bette gesprungen war, durchein-
ander, und suchte, so lange es ging, von dem Aventin auf den
Hermus hinüber zu springen. Von hier sah man noch eine
Menge Personen, nachdem die Schiffe bereits zu weit von ein-
ander gerückt waren, auf querüber gelegte Bretter steigen, um
vom Aventin auf den Hermus hinüber zu kommen, indessen das
Brett abglitt und mit sämmtlichen darauf befindlichen Personen
ins Meer stürzte. Jetzt dachte man erst daran, die Rettungs-
boote niederzulassen, um die ins Meer Gestürzten zu retten, doch
war nicht zu ermitteln, ob alle Hineingefallenen gerettet worden
sind. An der Stelle des Zusammenstoßes am Dorderende wurde
ein Priester in seinem Lager zerdrückt, und auf der Stelle ge-
lobtet , ein anderer Passagier schwer an Kopf und Füßen ver-
wundet. Der Aventin sank immer schneller in die Tiefe, zuerst
mit dem Vordertheil, während das Hinterende sich hob, so daß
das Schiff alsbald senkrecht im Meer aufgerichtet stand. Als
das Wasser bis an die Gluth der Feuerung der Dampfkessel
drang, entstand ein grausendes Zischen und Kochen und Dampfen
des Wassers, dann aber schoß das ganze ungeheure Schiff, nach-
dem die sprühende Gluth unter Wasser verschwunden, mit Pfeil-
schnelle ins Meer. Man hörte noch ein dumpfes Sausen, und
das Schiff, mit Allem, was noch darin befindlich, war in der
Tiefe begraben! Von diesem Zusammenstoß der Schiffe an, bis
zum gänzlichen Versinken des Schiffes, waren nur ungefähr 5
Minuten verflossen, also an Rettung von Sachen nicht zu den-
ken gewesen. Bei der Tageshelle der Nacht, wo die entgegen-
kommenden Schiffe sich in großer Entfernung sehen konnten,
scheint der Zusammenstoß, und somit die Ursache der ganzen Ka-
tastrophe unzweifelhaft der Schuld der SchiffSkapitäne zuzuschrei-
ben. Auch der Hermus, welcher die Passagiere ausgenommen,
hatte einen Leck bekommen, weßhalb er nach dem Hafen von
Livorno zurückfuhr.

Aloys Negrelli.
Wien, 3. Oct. Aloys Negrelli Ritter v-Moldelpe, Ritter
der eisernen Krone 3. Classe und mehrerer fremden Orden, k k.
Ministerialrats) und Generalinspector der österreichischen Eisen-
bahnen, ist am 1. Okt. in seinem 60. Lebensjahr nach schweren
Leiden gestorben. Heute um halb 4 Uhr Nachmittags wurde
das Leichenbegängniß in der Pfarrkirche zu Mariä Verkündigung
in der Roßau abgehalten, und die Leiche auf dem St. Marrer
Friedhof im eigenen Grabe des Verewigten zur Ruhe bestattet.
Die Verdienste Negrelli's um das österreichische Eisenbahn- und
Verkehrswesen wurden bereits während seiner thatenreichen Lebens-
zeit gewürdigt. Auf dem Gebiet des Telegraphen-, Straßen
und Eisenbahnbauwesens leistete Negrelli außerordentliches. Kttne
wichtige Unternehmung dieser Art wurde ohne sein vorheriges
Gutachten hierüber ins Leben gerufen. Auch außer Land, z. B
in der Schweiz und bei der Suezfrage, galt er in obiger Be-
ziehung als eine der ersten Autoritäten Europa's. Rücksichtlich
des Suezcanals erhielt bekanntlich Negrelli's Plan die meisten
Anhänger. Sein Schwanengesang war die in den letzten Num-
mern der Oest. Ztg. veröffentlichte Polemik des Verewigten mit
dem englischen Ingenieur Stephenson über die Suez-Canali-
sirunq. Bei der Suez-Commission galt Negrelli's Wort als
Orakel. (A. Z.)

* Mannheim, 8. Okt. Einer freundlichen Einladung
folgend, reist der „Mannheimer Singverein" morgen frühe nach
Saarbrücken ab, um an dem großen Gesangfcste, das daselbst am
Sonntag den 10. d. M-, abgehalten wird, Theil zu nehmen.
Wir werden nach Zurückkunst der Sänger etwas Näheres unfern
Lesern mittheilen.
ff Mannheim, 8. Oktober. Stands der Fremden hiesiger
Stadt am 7. Oktober: 257 Personen.
Am 3. d. M- feierte der Bezirksmissionsverein Mosbach
sein Jahressest in der dortigen Stadtkirche Nachmittags 2 bis
^5 Uhr; das große, schöne Gotteshaus war dicht mit Festgästen
angefüllt. (O. B.)
Aus dem Dekanate Wertheim, 4. Okt. Im Jahr 1854
wurde in Folge eines Ausschreibens der großh. obersten evange-
lischen Kirchenbehörde eine Kollekte zum Baue einer neuen evan-
gelischen Kirche in Bettingen erhoben. Die Beiträge kamen reich-
lich zusammen und machen in ihrem Gesammtbetrage 1800 fl.
aus, wozu Se. König!. Hoheit der Großherzog ein Gnadengeschenk
von 200 fl. beifügte. Auf diese Weise ist nun die hohe Kirchen-
behörde bei ihrer unermüdeten Sorge für die Herstellung des
Baues in den Stand gesetzt, denselben in fester, bei aller Einfach-
heit würdiger Weise ausführcn zu lassen sind zwar im Rundstyl,
aus rothem Sandstein, mit gewölbter Decke. (B. Lztg.)
München, 4. Okt. Mitten unter ihren schönsten Töch-
tern, den Gewerben und der Kunst, hat seit gestern die ehrsame
würdige Mutter Aller, die Landwirthschaft, im Glaspalast ihren
Prunksaal aufgeschlagen und ihre Schätze zur Ausstellung ge-
bracht. (A, Z.)
* Die „Weimarische Ztg." bespricht die Auflösung der bay-
rischen Abgeordnetenkammer in folgender Weise: „Was wird
nun geschehen? Man weiß, daß die Regierung damit umging, dem
Landtage den Entwurf eines veränderten Wahlgesetzes vorzulegen.
Dieser Entschluß bezeugte schon, daß man man mit einer Landes-
vertretung auf der Basis des bestehenden Wahlgesetzes fortzure-
gieren schwierig sand. Jetzt löst man die Kammer auf, muß also,
verfassungsmäßig, doch wieder auf Grund des bestehenden Wahl-
gesetzes Neuwahlen auordnen. Kann man von solchen eine füg-
samere Kammer erwarten, nach solchen Conflikten und einer so
I entschlossenen Haltung der eben aufgelösten und noch dazu in
 
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