Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Mannheimer Anzeiger — 1858

DOI Kapitel:
Nr. 233 – Nr. 259 (1. Oktober – 31. Oktober)
DOI Kapitel:
Nr. 244
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.29921#1135

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ManHtimcr Anzcigcr.

Rr. 244.

Erscheist, Montag» ausgenom-
men, täglich Morgens in 1800
Exempl. und kostet mit dem Unter-
haltungSblatte vierteljährl. 1 st.

Donnerstag, 14. Oktober

Anzeigen werden tu dem „Mann-
heimer Anzeiger" und dem tägli-
chen „Straßenplakat" zusammen
die gewbhul.Zeile berechn, mit T kr.

1838

V Ein Wort
über das Conccssmswcse» für Verstchernngs < WesMschastes.
(Schluß.)
Man könnte vielleicht den EinwaMversuchen, es wäre den
unsoliden Gesellschaften Thor und Riegel geöffnet, wenn man
die Conkurrenz frei gebe! Aber wo sind sie denn, diese unso-
liden Gesellschaften, — wir kennen zur Zeit keine. Und wenn
sie da wären, — dann würde das Publikum sich mündig genug
zeigen, um die richtige Auswahl zu treffen. Denn heutzutage
leben wir, gottlob! in Verhältnissen, die ein schlechtes Treiben
für die Dauer unmöglich machen. Jeder Einzelne weiß den
Weg, aus welchem er zu seinem Rechte gelangt, und da, wo die
Natur der Sache den formellen Rcchtsspruch nicht gestatten sollte,
hat Jeder die Mittel und Wege ganz nahe, durch welche er seine
Mitbürger mündlich oder durch die Presse vor Schaden warnen
kann. Eine solche Warnung haben wir selbst kürzlich in diesen
Blättern ergehen lassen, und finden wir eine gleiche in der
„Bank- und" Handels-Zeitung" über die Schrift des vr. Küh-
nert: „Wie sorgst Du für Deine und der Deinen Zukunft?"
Auch andere öffentliche Blätter haben diese Schrift in warnen-
dem Tone beleuchtet; so hauptsächlich die von uns schon öfters
benützte „Rundschau der Versicherungen". Es liegt darin der
schlagendste Beweis, daß das Publikum es recht gut versteht,
selbst seine Interessen zu wahren. Wenn einer Regierung die
Sorgen dieser Art überlassen bleiben sollten, so könnte man fol-
gerichtig auch verlangen, daß jeder Unterthan von ihr erfahre,
bei wem er guten Caffee, ächten Kattun u. dergl. m. bekomme;
mit anderen Worten, es müßte jeder Verkäufer — also der
Banquier, welcher Geld, der Kaufmann, welcher Maaren, so gut
wie die Assecuranz-Gesellschaft, welche ihre Versicherungen verkauft
— ganz gehörig überwacht werden. Daß dieses aber der unheil-
vollste Weg zur materiellen Förderung, und sogar zur sittlichen
Hebung der Interessen aller Unterthanen sein würde, brauchen
wir nicht erst zu sagen. Man lasse Jeden Geschäfte machen,
mit dem, welchem er traut. Je mehr eine Regierung ihrem
Volke dessen Sorge für seine materielle Wohlfahrt selbststän-
dig überläßt, desto mehr wird sie den lohnendsten Erfolg ernd-
ten, welcher darin besteht, daß das Land in materieller
und sittlicher Hinsicht stets mehr und mehr seiner
Vollkommenheit entgegen reift.
Wie sehr man die Wahrheit des eben Gesagten in außer-
deutschen civilisirten Ländern einsieht, dafür sprechen die Verhält-
nisse in Frankreich, England, Belgien, Holland, Norwegen und
Schweden, allwo eine Concessionirung resp. Ausschließung einzel-
ner Versicherungs-Gesellschaften gar nicht besteht. Auch in
Deutschland huldigen einige Regierungen dem Prinzipe der freien
Concurrenz im Versicherungswesen, so z. B. die 4 freien Städte,
denen man doch ebenfalls eine richtige Benrtheilung der Frage
zutrauen darf. Nur die Schweiz und einige der italienischen
Staaten haben das System der Concessionirung nachgeahmt,
welches in Deutschland so vielfach zu finden ist. — Eine Ver-
sicherungs-Gesellschaft, die schlechte Grundsätze befolgt, wird durch
sich selbst bestraft; das Publikum wird Nichts mit ihr zu thun
haben wollen, — ihre Gegenwart im Staate kann daher für
Niemanden schädlich sein.
Wir wiederholen also: Die freie Conkurrenz' im
Versicherungswesen ist ein wahrer Segen für das Pu-
blikum. Unreelles Gebühren Seitens einer oder der anderen
Gesellschaft, wo es etwa Vorkommen sollte, kann leicht unterdrückt
werden: Jede Regierung besitzt die Mittel dazu, die wir nicht
erst zu bezeichnen nöthig haben. Man läßt ja doch die Lebens-
mw die Transport-Versicherung frei, und doch haben diese

oft noch viel größere Verbindlichkeiten gegen das Publikum zu
erfüllen! Dieses gilt hauptsächlich von der Lebens-Versiche-
rung, indem der Zweck jeder Police unerbittlich erfüllt werden
muß, während die Feuer-Versicherung 20 oder 30 Jahre die-
selbe Person versichert haben kann, ohne daß derselben je ein
Feuerschaden hätte müssen vergütet werden!
Diesen Punkt heben wir ganz besonders hervor. Die
Feuer-Versicherung kann lange, lange Jahre Prämien ziehen,
und nie in den Fall kommen, einen Schaden zu zahlen. Die
Lebens-Versicherung aber muß unter allen Umständen,
ob früh, ob spät, einmal die versicherte Summe herausgeben.
Soll das Versicherungswesen überhaupt aber von einer Conzession
abhängen, so wäre dieselbe demnach passender bei der Lebens- als
bei der Feuer-Versicherung. Indessen können wir unter keiner
Bedingung das Privilegium im Versicherungswesen billigen.
Jede Regierung sollte dasselbe vielmehr mit allen ihr zu Gebot
stehenden Mitteln hegen und pflegen. Die Geschichte des Ver-
sicherungswesens lehrt, daß, je mehr Conkurrenz darin entstand,
desto mehr versichert wurde. Und das ist eineWohlthat für das
Publikum, dem es oft nur an der Anregung fehlt, seinen wahren
Vortheil zu erkennen.
Wir hören, es stände im Großherzogthum Hessen für 1859
die Freigebung der Feuer - Versicherung bevor. Möge das in
unserem sonst so glücklichen Lande auch recht bald geschehen.
Denn wir wiederholen, was wir schon in der früher abgehan-
delten Frage über die Hauskollekten sagten, daß mit dem zuneh-
menden Bedürfnisse der Versicherung aller Art, auch der Natio-
nal-Wohlstand nothwendig steigen muß! Und endlich — wird
durch die ausgedehnteste Freiheit des Versicherungswesens nicht
— wenn auch auf anderem Wege — das hohe Ziel der Phi-
lanthropie erreicht: Gegenseitige Unterstützung und Hül-
feleistung von Allen an Alle!

* Mannheim, 14. Okt. Der heutige Abend wird un-
sere musikalische Wintersaison würdig einleiten: der Musik-Verein
führt unter der Direktion unseres allverehrten Hofkapellmeisters
Lachner Haydn's „Schöpfung" auf. Wenn die Concerte des
Musikvereins stets das größte Jnterresse verdienen und rechtfer-
tigen, so wird dies heute Abend in einem erhöhten Maße der
Fall sein. Die Ehre unserer musikalischen Stadt wurde in der
Person unseres Hofkapellmeisters in den Referaten der „Kölner
Zeitung" über das Wiesbadener Musikfest durch Professor Bi-
schoff "angegriffen. Heute Abend wird ganz das gleiche Werk
wie in Wiesbaden aufgeführt, und zwar unter der gleichen Di-
rektion. ES darf diese Aufführung daher wohl als Maßstab
eigener Beurtheilung der von Bischoff so sehr gerügten raschen
Tempi angezogen werden. Unterdessen erlauben wir uns einst-
weilen zur Orientirung des Publikums einen Artikel eines sehr
verehrten Freundes aus der „B. L. Z" hier anzuführen. „Bei
Gelegenheit der letzten Aufführung „Oberons" sand vor An-
fang des Stückes eine kleine Demonstration statt. Sie galt un-
serm mit Recht hier so verehrten und geschätzten Kapellmeister
Lachner, welcher in der Köln. Ztg. vom 3. und 4. Okt. von
Herrn Professor Bischoff in Bezug aus seine Direktion bei dem
Wiesbadener Musikseste eben so maßlos, als ungerecht angegrif-
fen worden ist. . Nachdem Ersterer dem vorigjährigen Musikfeste
in Mannheim das größte Lob gespendet, welches sein Freund und
Landsmann Herr Kapellmeister Hiller dirigirte, und, wie er sagt,
Hoffnungen für spätere Feste da mitgenommen habe, wendet er
sich zu dem diesjährigen, dem er, das Arrangement ausgenommen,
gänzlich den Stab 'bricht. Das hiesige Mufikfest war — in
musikalischer Beziehung — allerdings glänzend gelungen, was
wir zu jener Zeit lobend anerkannt und Herrn Hiller die ihm
 
Annotationen