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Mannheimer Anzeiger — 1858

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Nr. 103 – Nr. 128 (1. Mai – 30. Mai)
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Nr. 126
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https://doi.org/10.11588/diglit.29921#0549

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Rr. 126

Erscbelut, Montags ausgenom-
men, täglich Morgens in 1800
Exempl. und koste: mitdemUntrr-
hattungsblatte vierteljäbrl. LL kr.

Freitag, 28. Mai

Anzeigen werden in dem.Mann-
heimer Anzeiger" und dem tägli-
chen „Strätzenplakat" zusammen
die gewohnt.Zeile berechn, mit K kr.

1858..

Auf den „Mannheimer Anzeiger"
DH" und das „Unterhaltungsblatt" kann inan
für den Monat Juni noch für 18 Kreuzer
abonniren bei den Postanstalten, den Boten der Umgehend und
bei der Expedition, Lit. IV 2 Nr. 9 in Mannheim.

Badisches Sänger Fest.
Vierter Brief.
Baden-Baden, 25. Mai.
2 Ubr Mittags
Und wieder rief heute früh 5 Uhr die Tagreveille „Wachet
auf" zu neuen Thaten. Wäre nur dieser letzte Tag vom Him-
mel in Schutz genommen worden, allein es regnete unaufhörlich
und stimmte dadurch die frohen Gemächer noch tiefer herab.
Um 10 Uhr bewegten sich die verschiedenen Vereine mit ihren
Fahnen in einzelnen Abtheiiungen nach der Festhütte, und um
halb 1l Uhr begann der Wettgefang. Neun Vereine hatten sich
daran betheiligt und das Loos bestimmte die Reihenfolge. ES
regnete so stark und ohne Unterbrechung, daß die fünf crstsingen-
den Vereine einen schweren Standpunkt in Len Pianos hatten,
denn sie mußten überhört werben, da der in die Festhütte fallende
Regen einem „plätschernden Bächlein" ähnlich alle Aufmerksam-
keit auf sich zog.
Der „kühne Herold" rief nach dem Trompeten-Stoß:
Nr. 1. Lahr. Es ist jo eine'Lache, das Erstsingen. DaS
große lauschende Publikum verlangt viel. Die Lahrer waren,
wie viele Andere, sehr angegriffen, hatten eine unverständliche
Composition und ließ der Vortrag viel zu wünschen übrig.
Nr. 2. Mannheimer Sing-Verein. Ein kleines
Häuflein tüchtiger Säuger. Der Verein hat unter seinem jetzigen
Direktor große Fortschritte gemacht. Das Lied war klein, herz-
innig, rein und korrekt vorgetragen und verdiente den gewordenen
Applaus.
Nr. 3. Karlsruher Liederhalle. Sie sangen das
„Kirchlein" von Becker recht brav. Uns wäre ein drängenderes
Tempo, wie selbst die Liedertafel in Würzburg es einhält, lieber-
gewesen.
Nr- 4. Freiburg. Die Concordia trug einen schweren
Chor mit Tenor-Solo vor; sein nüancirt und wacker gesungen.
Nr. 5. Karlsruher Liederkranz vul§o Fulder. Ihr
Vortrag „Liebe und Wein" war durch die 3tägige Schlacht sehr
angegriffen. Das Solo sang „ein Mitglied des Karlsruher Hof-
theaters," welchem sich noch mehrere im Chor attachirt hatten.
Wir finden bei Wettgesängen diese Zuthaten, gelinde gesagt, un-
billig, da nur Dilettanten zulässig find.
Nr. 6. Mannheimer Sängerbund. Lachner's eben
so schwere als schöne Composition ,/Hymne an die Kunst" wurde
mit Feuer und Kraft vorgetragen. Die feinen Abstufungen, der
reine verständliche Vortrag, das Schließen in der Tonart, fand
reichen Beifall, eine wohlverdiente Anerkennung.
Nr. 7. Mannheimer Liedertafel, sang mit Gefühl
und Kunst „Harfners Lied" von Zimmermann. Eine so schöne
und so gediegene Composition kann man immer und immer lieber
wieder hören. Der warme und korrekte Vortrag machte sich des
ersten Preises würdig.
dir. 8. Offenburger Männergesang-Verein. Die
sonderbare Wahl „der Hahnemann" mußte allgemein auffallcn.
Der Verein gab sich alle Mühe zu ercelliren, konnte aber nicht
durchdringen.
Nr. 9. Heidelberg. Lachner's bekannter schöner Chor
„Rheinlied" wurde feurig vorgetragen. Der letzte Vers mit fei-
nen schwierigen Biegungen und ungewohnten Accvrden ging vor-
trefflich und erwarb sich Anerkennung.
Mit diesem Ne. 9 schloß der Wettgesang. Die fünf Herren

Preisrichter zogen sich in die „Unglückskammer" zurück und nach
20 Minuten kehrten sie mir dem Wahrspruch wieder zu den Har-
renden.
Der „kühne Herold" verlas mit lauter Stimme den be-
kannten Spruch der Zuerkennung. AllgemeinerJubel; beiUeber-
gabe des ersten Preises an die Mannheimer Liedertafel sprach
eine der Badener Jungfrauen herzlich und vernehmbar; und
manchem der gereiften Länger mag es warm um's Herz ge-
worden sein! Unter jedesmaligem Jubel und Tusch empfingen
auch die andern preisgekrönten Vereine mit einer süßen Ansprache
ihre Preise und nahmen nach dieser Ceremonie in langem Zuge
die Rückkehr zur Stadt, zunächst an's Conversationshaus, wo
Badens Jungfrauen und das Fest-Counts sich aufgestellt hatten
und die Sängerschaar im Defiliren durch Hochrufen gleichsam ihr
„Lebewohl!" gab.
Mit diesem Akte war das schöne Fest zu Ende. Kann in
der weiten Welt nicht Alles eben sein, so ließe sich doch mit gu-
tem Willen Vieles zum Bessern umändern. Es gehören hiezu
die Wagen 3ter Klasse der badischen Staats-Eisenbahn, welche
ein Vorbild lieferten von der Festhütte in Baden, denn es reg-
nete so durch Vas Dach, daß man zum „Heinrich" seine Zuflucht
nahm. In Baden waren wir gut aufgehoben, allein es ist doch
eine theure Geschichte: die Tasse Kaffee sollte dort bei ähnlicher
Gelegenheit im Couversaüonöhauö nicht 12 kr. sondern 6 kr. ko-
sten. Die Diners waren „Festessen," allein bei,. 3- und 4maliger
Wiederholung für viele Sänger eine bedeutende Ausgabe, da ohne-
hin die Oartn a nmnA-er tüchtig gesalzen war. An einem Weg-
weiser für die Fremden fehlte es" total und Jeder konnte seinen
Weg wandeln, wohin es ihm gefällig war- Die Barbiere müs-
sen dort eigene Monopole besitzen, denn 9 kr. weisen sie zurück,
da die Tare 12 kr- betrage; da sind unsere Mannheimer Ver-
fchönerungs-Rälhe doch galantere und billigere Freunde. Allein
das soll nicht böse gemeint sein. Wer ähnlichen Festen als Fest-
ordner schon vorgestanden, der weiß, welche kolossale Schwierig-
keiten zu überwinden sind, und wie trotz aller Vorsicht und Um-
sicht Böcke geschoben werden! Darum „keene Feendschast" nicht!
Sehen wir uns nächstes Jahr in Heidelberg, so laden wir die
fremden Sangesbrüder zu einem Bierbanquett in dem hiesigen
Schloßgarten unter die alt-ehrwürdige Kastanien-Allee, dort sol-
len sie Wunder erleben! — Um 4 Uhr Ul Minuten Abends
ging ein ungeheurer Zug nach dem Oberlande und Unterlande
ab und mit einem warmen Händedruck für „liebe Gastfreund-
schaft" wurde von dem freundlichen Baden geschieden!
Berichtigung. Im dritten Brief in Nr. 125 Zeile 9 von
oben lese man kolossal statt solosatt.

* Mannheim, 27. Mai. Das Regierungsblatt Nr. 22
enthält: Unmittelbare allerhöchste Entschließungen Sr. K. H.
des Großherzogs: 1) Verordnung über Dienst- und Besoldungs-
verhältnisse der mit Staatsdiener-Eigenschast bekleideten Oberbe-
amten der Zollverwaltung. 2) Ordensverleihungen. Se. K.
Hoheit der Großherzog haben dem Oberhosmeister Frhrn. von
Gemmingen-Michelfeld den Stern zu dem bereits innehabenden
Kommandeurkreuz des Ordens vom Zähringer Löwen, und dem
k. würtembergischen Kammerherrn und Hostheater-Jntendanten
Frhrn. v. Gall das Kommandeurkreuz mit dem Stern des Ordens
vom Zähringer Löwen zu verleihen geruht 3) Dicnsteönachrich-
ten. (Lchon mitgetheilt.)
* Mannheim, 27. Mai. Nach dem „Schwab. Merkur"
werden die Pionniere des 8. deutschen Armeekorps vom 1. Aug.
an auf dem Rheine gemeinsame Pvnlonuierübungen haben. Zu
diesem Zwecke würde Ende Juli eine vollständige Compagnie
württembergischcr Pionniere von Ulm hier einrreffen, und voraus-
sichtlich einen Monat hier verweilen.
 
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