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Mannheimer Anzeiger — 1858

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Nr. 233 – Nr. 259 (1. Oktober – 31. Oktober)
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Nr. 236
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https://doi.org/10.11588/diglit.29921#1070

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begonnen und 1853 vollendet und kostete einschließlich der Er-
werbung des nöthigen Grund und Bodens 34,816 st. 54 kr.
Zur Bestreitung der Kosten wurden die von Hrn. Duchat gege-
benen 20,000 st. verwendet und her Nest aus den vorhandenen
Grundstockkapitalien bestritten. So erfreulich diese Vergrößerung
auch war, so zeigte sie sich doch für den Mittlern Krankenstand
kaum hinreichend und für den Fall eines Ausbruchs von Epide-
mien als durchaus ungenügend, denn als 1854 die Cholera sich
wieder zeigte und besonders im Krankenhause festsetzte, mußten
70 Personen theils im ev. Hospital, theils im städtischen Bau-
hofe und einem anderweit gemietheten Lokal untergebracht werden.
2) Die zweite Verbesserung der Anstalt erfolgte 1855 und
1856 in Folge einer bei edlen Menschenfreunden veranstalteten
Sammlung, welche ein sehr ehrenwetthes Mitglied der Armen-
kommission unternahm, das sich überhaupt durch aufopfernde ge-
meinnützige Weise zur Regelung des Armenwesens, zweckmäßiger
Vertheilung der Unterstützungen und der Hausordnung im Kran-
kenhause große Verdienste erworben hat. Diese Sammlung er-
trug 3800 fl. und wurde zum äußern Anstrich des Hauptgebäu-
des, zur Ausbesserung verschiedener schadhafter Theile und zu
den ersten Arbeiten an der Kolonade zur Verbindung der Hin-
tergebäude mit dem Hauptgebäude verwendet. Zur vollständigen
Herstellung dieser Kolonade bewilligte die Gemeindebehörde einen
Zuschuß von 3229 fl. 27 kr. aus der Stadtkasse.
3) Die dritte und Haupt-Abtheilung der Neubauten umfaßt
den großen gegen Westen gelegenen dreistöckigen Bau und die
Beendigung des Kolonaden- und Verbindungsbaues gegen Osten.
Nach einem Plane des Herrn Architekten Lang von Baden aus-
geführt, wurde der Bau im März 1857 begonnen und unter
Beaufsichtigung des Herrn Architekten Hendrich und in letzterer
Zeit durch Herrn Stadtbaumeister Kieferle, in anderthalb Zähren
ohne Unfall beendet. Zum Ankauf der Häuser zur Gewinnung
des nöthigen Terrains wurden 7800 fl. verwendet, der Bauauf-
wand wurde zu 48,000 fl. veranschlagt, das Ganze, also zu
55.800 fl. Nachdem jetzt die meisten Rechnungen bezahlt sind,
läßt sich mit großer Wahrscheinlichkeit annehmen, daß der Vor-
anschlag nicht überschritten werden wird. Die Summe von
15.800 fl. wurde aus dem Grundstockvermögen zur Bestreitung
der Baukosten flüssig gemacht. Weiter wurden durch lobenswertheS
Zusammenwirken der betreffenden Kommissionen und Behörden
40,000 fl. unter Garantie der Stadtgemeinde durch die Ueber-
schüsse der Sparkasse und Lcihhauskasse herbeigeschafft. Diese
Summe wurde grämlich gegen Verzinsung von 3^ pCt. von
der Sparkasse vorgeschossen und wird mit Benützung des gütigst
bewilligten Theiles aus den jährlichen Überschüssen der Leih-
hauskasse mit 2000 fl. per Jahr verzinst- Auf diese Weise wird
nach dem Tilgungöplan mit Annuitäten jährlich zugleich ein
Theil des Kapitals abgetragen, so daß in längstens 36 Jahren
das Ganze getilgt sein dürfte.
Mit diesen Neubauten erhält das Krankenhaus seinen Ab-
schluß und kann als allen Anforderungen entsprechend und einer
Stadt wie Mannheim würdig bezeichnet werben. Die Mängel
der früheren Einrichtung sind so bekannt, daß man sie füglich
übergehen darf. Oft kam es vor, daß mancher Leidende mit einer
gewissen Abneigung die überfüllten und unfreundlichen Räume
des Hauses betrat. Manches ohnedies umdüsterte Gemüth wurde
dadurch noch mehr niedergedrückt und oft sein Zustand deshalb
verschlimmert. Durch das jetzige freundliche Aussehen des Ge-
bäudes mit den Hellen und luftigen Räumen, verbunden mit einer
freundlichen und theilnehmenden Aufnahme, dürste ein solcher
niederdrückender Zustand nicht mehr Platz greifen. Die Vor-
thelle des Neubaues bestehen darin, daß selbst bei Epidemien keine
Ueberfüllung zu fürchten ist. Ferner, daß alle Zimmer gegen
Osten gehen und somit die Morgensonne haben. Die Gänge
befinden sich nunmehr auf der Straßenseite und ist dadurch dem
Kranken mehr Ruhe gesichert. Mehrere Zimmer sind allein für
Kinder, wieder andere zur Aufnahme einzelner allein zu verpfle-
gender Kranken bestimmt. Für Geisteskranke sind ebenfalls pas-
sende Räume vorhanden und ist dafür gesorgt, daß ansteckende
Kranke möglichst ferne von den übrigen untergebracht werden.
Auch wurde Alles entfernt, was durch unangenehme und unge-
sunde Ausdünstung der Reinhaltung entgegenstand.
Nachdem der Vortheile des Neubaues gedacht, hält der Red-
ner es für heilige Pflicht, derjenigen mit Dankbarkeit zu. gedenken,
welche zur Erreichung dieser günstigen Resultate, durch wilde
Stiftungen und Vermächtnisse bcigetragen und jetzt ihren Lohn
in einer bessern Welt finden. Ferner spricht er den Dank allen

denjenigen aus, die vor und während der Neubauten die Ar-
men- und Krankenanstalt unterstützten, insbesondere unserem er-
habenen Landesvater and den anderen hohe Mitgliedern des
großh. Hauses.
Die Unterstützungen, welche in diesem Jahre aus der Mitte
der hiesigen Einwohner der Anstalt, insbesondere zur Bestrei-
tung der laufenden Bedürfnisse, zukamen, waren so zahlreich, daß
dadurch der bekannte Wohlthätigkeitssinn sich aufs schönste neu
bewährte. Bei allen Veranlassungen, freudigen wie traurigen,
wurde der bedrängten und kranken Mitglieder gedacht.
Diese Liebesgaben möchten auch ferner der Anstalt zugewen-
det werden, da neben den bedeutenden laufenden Ausgaben für
Armenunterstützung und Armenpflege, die Voüenduug der inne-
ren Einrichtung des Neubaues noch bedeutmde Ausgaben erfor-
dert und die jährlichen Einkünfte an Zinsen sich vermindert ha-
ben, indem der größte Theil der Grundstockkapitalien zu den
Neubauten verwendet wurde.
Schließlich wird dankend den Herren Architekten gedacht,
welche sich der Entwerfung des Planes und der Beaufsichtigung
des Baues bereitwilligst unterzogen, sowie der ehrenwerthen.Män-
ner aus dem Gewerbstande, welche die Bauarbeiten mit Fleiß
und in verhälmißmäßig kurzer Zeit ausführten.
Dieser Bau möge als ein Denkmal des Wohlthätigkeits-
sinns und der Nächstenliebe der hiesigen Einwohner, als ein
Denkmal aller Derjenigen, welche zu seiner Errichtung mitwirk-
ten, betrachtet, und seine Räume zum Gebrauche des schönen und
edlen Zweckes, der Linderung und Heilung der Leiden unserer
armen und kranken Mitbrüder, übergeben werden. Ehe man die
Räume selbst betrete, erflehe man den Beistand und den Segen
der göttlichen Vorsehung, ohne welche kein Bau gelingen und
keine menschliche Einrichtung gedeihen kann!
Nach Absiugung des Liedes: „Forschen nach Gott!" durch
die „Liedertafel" betrat Herr Dekanatsverweser vr. Schwarz die
Rednerbühne, um ein Weihgebet zu sprechen. Nach dem Vor-
trage des schönen Liedes: „Das ist der Tag des Herrn!" nahm
Herr Stadtpfarrer Pfohl die Einweihung des Neubaues vor,
während welcher das herrliche Lied' „Großer Gott, wir loben
dich", unter allgemeiner Begeisterung gesungen wurde.
Sodann wurde der NeubauJn allen seinen Räumen begangen.
Mit stolzer Befriedigung darf auf dieses neu vollendete
Werk gesehen werden: Es genügt seinem Zwecke nach allen
Richtungen hin aufs Vollkommenste!
V" Mannheim, 4. Okt. Obgleich das Bestreben der
Gewerbvereine und so vieler Einzelnen stets darauf gerichtet ist
und hinausläuft, die Begriffe über die Arbeits-Befugnisse zu
klären und auf den natürlichen Boden zu führen, um endlich aus
dem Wirrsale der alten zopfigen Zunftsatzungen und den Mo-
nopolen egoistischer Absichten und Bestrebungen hinauSzukommen
auf die Grundlage der Gleichberechtigung und freien Entfaltung,
so ist es wirklich erstaunlich, n och Erscheinungen wahrnehmen
zu müssen, die Verordnungen des 16. Jahrhunderts auffrischen
und uns in den Geist desselben zurückversetzen. Ganz analog
mit der Regel der Schusterinnung zu Jena von 1576: „Wel-
cher Meister zum Anfänge und zum ersten auf der Herberge
wirbt, dem soll der Vater auch zum ersten einen Schuhknecht
oder Jungen, was da.kommt, einbringen und also nach einander
versorgen, ihren Werken nach", hat die hiesige Schusterzunst die-
selbe nach dem Beispiele der „Schreinerzunst" eingeführt, und
ist die „Schneiderzunft" jetzt auch diesem Vorantritte gefolgt.
Nur ist man davon abgewichen, daß der Herbergsvater die Ge-
sellen dem betreffenden Meister zuschickt, indem man dafür einen
Sprechmeister aufstellte, welchem diese Ausgabe zur Ausführung
übertragen ist, und von jedem Falle eine Gebühr von 12 kr. zu
erhalten hat. Glaubt man nun auf den ersten Blick in dieser
Verordnung etwas Gutes, eine geordnete und nach dem Rechte
des Erstkommens praktische Einrichtung zu erblicken, so ist sie
dieselbe doch nicht, da sie einmal den Gesellen zu viel Zwang
auferlegt, ohne störende Vorkommnisse vermeiden zu können und
dann die richtige und beabsichtigte Ordnung der Reihenfolge^doch
nickt erzielt wird, was uns der mehrfache Ausspruch von Inte-
ressenten beweis't. Es ist dadurch eine Selbstpolizei geschaffen,
die in die Hände des Sprechmeisterö gelegt wird und ferner nur
das, und auch nur scheinbar erreicht, was man hauptsächlich von
der Schreinerzunft austrebte, daß einem nicht zünftigen Holzar-
beiter die Geselleneinstellung völlig genommen ist. In wie weit
dies nun von dem Prinzipe der Arbeitsgleichberechtigung und
 
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