Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

DOI issue:
6. Heft
DOI article:
Froböse, Friedrich Wilhelm: Die erste Sau
DOI article:
Unsere Bilder
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0168

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
76

;J-)ie ersfe %au.

Vön VV. Froböse i'.

“roß war meine Freude, endlich einmal auf Schweine jagen zu dürfen.
Es war eine feuchtfröhliche Gesellschaft, die auszog, weidgerechte Jäger,
sicher im Blick, sicher im Ansprechen des Wildes, gestählt, um Nächte
hindurch zu sitzen. Die Einteilung der Stände wurde vorgenommen und mit einern
gegenseitigen „Weidmannsheil“ und „ Weidmannsdank“ schlug jeder seinen Weg
zum Standorte ein.

Es war um die achte Abendstunde, als ich fix und fertig, zum Schuß bereit,
auf dem Anstand saß. So mochte ich ungefähr eine Viertelstunde gewartet liaben,
als es hinter mir im Holze brach und ein Schwarzroek aus dem Holze trat. Vor
mir rechts war ein umfriedetes Haferfeld, links von dem Haferfeld zog sich
ein Kartoffelstück bis an den gegenüberliegenden V\ 7aldrand. Der Keiler, der
vorsichtig vorgekommen war, gab einen Grunzer von sich, worauf der Reihe nach
eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs bis'sechzehn Schweine ihm folgten. Die Ent-
fernung zwischen uns betrug 200 Meter, so daß ich auf keinen Fall einen sicheren
Schuß abgeben konnte. '

Leichtsinnigerweise ließ ich mich langsam
vom Anstand herunter und kroch auf allen
Vieren bis zur Ecke des Iiaferfeldes, in dem
die Schweine grunzten und achtlos wühlten.

Ich erhob mich auf die Knie und nahm in dem
schwarzen Knäuel das stärkste Schwein aufs
Korn. Die Aufregung war bei mir bis aufs
äußerste gestiegen. Mein Gewehr flog in meiner
Hand, ich setzte es nochmals ab, um es gleich
darauf wieder fester einzulegen. Ein lauter
Knall schallte durch die Natur. Ich sah, wie
das stärkste Stück zusammenbrach.

Die übrigen Schweine stoben zurück zum
Walde, dicht an mir vorbei. Ilätte ein Schwein
mich angenommen, weil ich ihm in derFiucht-
linie stand, so wäre die Schweinejagd mir jeden-
falls übel bekommen.

Nachdem lautlose Ruhe eingetreten war,
pirschte ich rnich an das erlegte Schwein heran.

Zum ersten Male einen Schwarzrock erlegt! Ich
bekenne ganz offen, daß eine gewisse Angst mich
beim Nähertreten an das Schwein beschiich.

Die Dunkelheit war völlig eingetreten, und aus
Furcht, der Schwarzrock könnte noch leben,
zog ich mein Jagdmesser und stieß es, ohne zu
sehen, wohin ich stach, in den Körper des
Schwarzrockes mit aller Wucht hinein. Der
Gedanke, meinen Jagdfreunden mein „Weid-
mannsheil“ zu verkünden, trieb mich, so schnell
ich konnte, "dem Jagdhause zu, wo ich mit einem
„Halloh“ empfangen wurde. „Ich habe einen
Keiler geschossen!“, war meine stoize, sieges-
gewisse Antwort. „Gleich nachsuchen, gleich
nachsuchen!“, tönte es aus aller Munde. Ein paar Laternen wurden angezündet,
und meine Jagdgenossen luhrte ich hinaus in das Dunkel. So durchstreiften wir
Hand in Iland das nahe Haferfeld, aber fanden, obgleich wir dies. wiederholten,

Hugo Voge.l: Oberbürgermeister Dr. Kirschner J
Phot. H. Boll, Berlin.

J [Nachdruck verboten.J

den Schwarzrock nicht. — „Wer wejß, was Sie gesehen und geschossen haben!
Ihre sonst so blühende Phantasie hat Ihnen einen Streich gespielt.“ „Aber, meine
Herren, ich bitte Sie, ich bin doch nicht verrückt, ich habe doch meine fünf Sinne,
15 — 16 Schweine habe ich, richtig gezählt, ins Haferfeld ziehen sehen, habe auf
das stärkste Stück geschossen. Das Schwein muß da sein, ich liabe es mit
meinen eignen Augen ja gesehen, es lag doch vor mir. Wenn das Schwein
nicht tot ist und hier im Haferfeld l’iegt, dann sperren Sie rnich ins Irrenhaus!
Ich habe ihm mit meinern Messer den Fang gegeben!“ Alles lachte. „Schweine
kann man nicht fangen, aber totschießen muß man sie; das heißt, wenn man trifft!“
Die Aufregung hatte bei mir den Siedepunkt erreicht; ja, ich fing schon selbst
an, zu glauben, daß alles, was in der Tat geschehen war, wirklich ein Phantasie-
gebiide gewesen sei —-!

Der Förster, der Besonnenste unter uns allen, fragte, wo ich gesessen hätte.
Ich sagte: „Hier, auf diesem Stande; mein Rucksack muß noeh unten liegen, ich

hatte ihn ja liegen lassen!“ Wir gingen aber-
mals dorthin, aber kein Rucksack lag dort,
wiederum ein Beweis, daß es ein Trugbild
von mir gewesen sei. „Haben Sie vielleicht
auf dem andern Stande gesessen?“ frägte
mich der Förster. „Auf welchem Stande?“
fragte ich. „Nun, der von Ihnen aus links
gegenüber liegt!“ — „Davon weiß ich gar
nichts!“ — „Gehen wir mal zu diesem Stande
hin!“ sagte der Förster. Unter allgemeinem
Halioh, Gelächter, Verspotten, Verhöhnen zog
die ganze Gesellschaft zum links liegenden
Stande. Dort war allerdings mein Rucksack,
ich hatte mich verorientiert und die Herren an
den Stand geführt, wo ich nicht gesessen hatte.
Jetzt bildeten wir am richtigen Stand abermals
eine Kette und leuchteten mit den Laternen
ins Haferfeld.

Da lag an der äußersten Ecke, mause-
tot, mein Keiler. Man leuchtete und eine
entsetzliche, mir niemals aus den Ohren
gehende, gräßliche Lache drang aus den Kehlen
meiner Jagdfreunde. Starr stand ich da und
schaute das Entsetzlichste, was meine Augen
je auf der Jagd gesehen haben. — Ich liatte in
meiner Angst, daß der Keiler mich annehmen
könnte, mein Weidmesser ihm tief an der linken
Hinterkeule, beinahe ins Weidloch, hineinge-
stoßen.

Man iud den Keiler auf den Handwagen,
und das „geheiligte Messer“ wurde erst im
Dorf, wo die gesundheitsstrotzenden Schönen
im „Grünen Kranz“ versammelt waren, aus der
gefährlichen Stelle entfernt.

Ich führe das Messer noch. Der Kopf des Keilers schmückt meine Diele
und mahnt mich mit seinen Lichtern treuherzig, wenn ich zur Jagd ausziehe:
„Vergiß nur ja dein Messer nicht!“

Unserc ©ilder*

(Tn

CiJ^en letzten oder doch vorletzten Augenblick einer fröhlichen Tragödie, bei

der die Hifthörner ertönen und Wald und Heide von dem Galoppsprung

der Pferde widerdröhnen, schildert der Franzose Georges Busson in seinem

Gemälde „Die Meute deckt den Keiler“. Über die herbstliche Natur sind

Reiter und Reiterinnen, an ihrer Spitze die Piqueure, dem ausgesetzten Iveiler

nachgejagt, der nun von allen Seiten von den i iuuden umdrängt wird und sich

zu seiner letzten Verteidigung mit Voriiebe ein Wasser oder einen Tümpel aus-

sucht. Sogleich stürzt die Meute über ihn her, aber er schlitzt mit scharfem

Zahn wohl noch dem einen oder andern seiner Angreifer den Leib auf, bis er

von allen Seiten gedeckt ist. Auf deutschen Jagden drängt sich dann der nächste

Reiter durch die Hunde hindurch zu dem Keiler heran und erfaßt ihn an den

Iiinterläufen, bis der Master herbeikommt und ihm mit seinem Weidmesser den

Fang gibt. Auf Gcorges Bussons Bilde dagegen sehen wir einen Piqueur an

den Eber herantreten, den Hirschfänger in der Hand. Fröhliches Halaliblasen

tönt durch den Ilerbstwald, und an die Teilnehmer der Jagd werden die

Brüche verteilt. ,,, *

*

„Im Klubhause“ ist das humorvolle Gemälde Jean Berauds zubenannt,
das sicli durch seine Stimmung von dem Gemälde Bussons mit seinem frisch

pulsierenden Leben aufs stärkste unterscheidet. Die Ruhe der Trägheit und Lange-
weile herrscht hier, so daß ein gewaltiges Gähnen durch den Raum zu gehen
scheint. Einzig das Feuer im Kamin sprüht, während die Zigarre des weißköpfigen
Lebemanns bald ausgegangen sein wird, wenn er erst in Morpheus Armen ruht.

Einen „Nachtspuk“, wie ihn das Auge eines Künstlers in mondhellen,
windbewegten Nächten wohl am Himmel sehen mag, schildert Löon Glaize.
Man könnte an die germanische Sage von dem wilden Jäger denken, der im Sturm
am Himrnel dahinfährt. Nur daß die Fantasie des romanischen Künstlers uns
weit heitere Gestaiten hervorzaubert. Hier jagen nicht Geister in Mordlust daher,
sondern ein haschender Zug von Liebenden, die sich zu umfangen suchen oder
vereint wallen. Mond und Wolken haben den Maler hierzu angeregt.

*

Eine friedliche Ruhepause hat G. Maroniez als Motiv für sein Gemälde
„Unterbrochene Arbeit“ vorgeschwebt. Zwei junge Fischermädchen liegen
am Strande und blicken in das Meer hinaus, das mit ruhigen Wellen zu ihnen
heranebbt. Draußen auf der hohen See werden ihre Brüder oder die, an denen
ihr Ilerzt hängt, durch die Windstille verhindert heimzukehren.
 
Annotationen