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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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7. Heft
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Zobeltitz, Fedor von: Das erspielte Land: ein Reiseerlebnis
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https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0196

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9 1

'as erspielte l^and.

Ein Reiseerlebnis von Fedor von Zobeltitz.

E^sjls ich auf einer Indienreise in Rangoon ein paar Tage Aufenthalt hatte,
traf ich in Sarkies Strandhotel einen deutschen Landsmann, der mir
gut gefiel. Es war ejn stattlicher Mann mit gebräuntem Gesicht, in
dem helle, tapfere Augen standen. Der ganze Mensch war stark und rank, und
es war etwas in seinen Zügen, das an den Typus des norddeutschen Adels
erinnerte. Da ich nun am Hoteltische neben ihm saß, nahm ich die Gelegenheit
wahr, mich ihm vorzustellen.

„Dalmitz“, erwiderte er und fügte lachend
hinzu: „Also auch Deutscher, wie Sie an dem
Namen hören werden. Aber seit dreizehn Jahren
halber Siamesc.“

„Dahnitz“, wiederholte ich fragend. „Der
Name ist mir nicht fremd. Mit. einem Herrn von
Dalmitz, ic.h glaube, er war Elfter Ulan, habe ich
die Bänke der Kriegsschule gedrückt.“ f

„Das war ein X'etter von mir. Ich habc dcn
Adelspartikel fallen lassen. Hicr unten nützt
einem das Ding nicht viel. An dcn Grenzen von
Indochina wird man überhaupt nur selten gefragt,
wie man heißt.“

„Aber Sie waren doch sicher auch cinmal
preußischer Offizier? DcrTypus ist unverkennbar.“

„Ja — das war ich einmal. Aber es ist so
lange her, daß ich es beinah schon wieder ver-
gessen habe. Kürassier. Bei
mciner Figur gings nicht an-
ders. Bloßein paar Jährchen.

Dann machtc ich Dumm-
heiten, und da wurde ich
denn kurzerhand über Bord
geworfen. — Die alte Ge-
schichte ..."

Bei einer Flasche Pom-
mery, die in Birma gerade
so gut schmeckt wie bei uns,
vetterten wir uns an. Bei
dieser einen Flasche blieb
es natürlich nicht; Dalmitz
gab die zweite, und da man
so gemütlich nebeneinander
saß, kappten wir aucli noch
eine dritte. Und bei dieser
letzten erzählte er mir seine
Geschicbte.

„. . . . Na also“, sagte
Herr von Dalmitz, „ich mußte
den Abschied nehmen, sonst
hätte ich ihn bekommen.

Fragen Sie nicht erst, warum.

Eine Bagatelle war die Ur-
sache, bei der ein Frauen-
zimmer die Rolle der Intri-
gantin spielte. Schulden ka-
men dazu — aber die hätten
bezahlt werden können. —

Immerhin hielt man es für

besser, mich fortzuschaffen — und ich wollte auch fort. Ich war damals ein
unruhiger Kopf.

Aber wohin? Nach Amerika natürlich. Gott bewahre — daran dachte ich
nicht. Zum Kellner oder Barkeeper hielt ich mich vorläufig noch für zu gut.
Nun hatte ich einen Freund, der war Instruktor in Siam gewesen, und der riet
mir, ich sollte doch geradeswegs nach Bangkok fahren und dort einmal ver-
suchen, bei der Armee oder der Verwaltung anzukommen; tüchtige Europäer
würden da immer gesucht. So schoß ich denn los: ganz wie ein moderner
Conquistadore und in der festen Überzeugung, daß ich doch noch mit einem
guten Finish abschließen würde.

Vorläufig aber kam ich bloß bis Singapore. Das wollte ich mir ein bischen
ansehen und wohnte in Raffles Hotel an der Beach Road. Sie kennen Singa-
pore und wissen, daß da ein verdammt liederliches Leben herrscht. Schon am
zweiten Tage war ich mitten drinnen, und am dritten saß ich am Spieltische
des Herrn Shao-ying, eines würdevollen chinesischen Spitzbuben, der im Cam-
pong Saigon unter den Augen der löblichen Polizei, wenn auch nicht mit deren
Einwilligung, ein kleines Monte Carlo etabliert hatte. Spielhöllen gibt es ja


[Nachdruck verboten]

massenhaft in Singapore, doch die Shao-yings galt als die vornehmste, weil da
am wenigsten betrogen wurde.

Nun will ich Sie nicht lange mit meinen Erlebnissen am grünen Tisch auf-
halten. Ich spielte mit wechselndem Glück, bis ich in einer denkwürdigen Nacht
die Bank sprengte und nicht wußte, wohin ich alle die juxigen Straitsdollars
stecken sollte. In der folgenden Nacht sollte ich Mister Ballinger Revanche

geben. Das tat ich denn auch
und hatte abermals einen
riesigen Dusel. Wir spiel-
ten Macao, und die großen
Schläge hagelten nur so.
Mister Ballinger war schließ-
licli völlig ausgebeutelt —
und da pumpte er mich na-
türlich an.

„Hören Sie, Mister Dal-
mitz,“ sagte er in seinern
wie gekaut klingcnden Eng-
lisch, „Sie müssen mir fünf-
hundert Dollar leihen. Ich
gcbe Ihnen als Unterlage
meinen Antcil an der Chieng
Ilai-Company der ist das
Dreißigfache wcrt — und
tausche ihn morgen früh im
Hotel wieder ein . . .“

Ballinger wohnte auch
bei Raffles, und ich hatte
nicht den leisesten Grund,
ihm zu mißtrauen. Ich gab
ihm die gewünschte Summe
und steckte das abgegriffene
zusammengefaltete Papier,
das er mir reichte, in die
Brusttasche. Er verspielte
auch noch die fünfhundert
Dollar im Handumdrehen,
grinste mit seinen gelben
Zähnen und empfahl sich mit
den Worten: „Morgen wirds
anders, Mister Dalmitz. Gute
Nacht.“ Damit war er weg.

Ich hatte jetzt noch fünf
Spieler gegen mich, zwei
Engländer, einen Plolländer,
einen verlumpten Deutschen
und einen reichen Chinesen.
Aber mit dem Augenblick,
da Mister Ballinger gegan-
gen war, wandte sich rnein
Glück. In drei Stunden ver-
jeute ich alles, was ich hatte.
Der Chinese war der Haupt-
gewinner; den Deutschen
warfen wir vor die Tür, weil
er rnogeln wollte.

Nun hatte ich auf der Deutsch-Asiatischen Bank noch einen Kredit von
dreihundert Dollar. Die hob ich am nächsten Morgen ab und erkundigte mich
dann irn Plotel nach Mister Ballinger, um ihm seinen Fetzen Papier wiederzugeben
und dafür die gepumpten fünfhundert Dollar einzukassieren. Aber Mister Bal-
linger war schon in aller Frühe abgereist, und kein Mensch wußte wohin. Er
wird wiederkommen, sagte ich mir, und wartete, bezahlte vorsichtshalber meine
Hotelrechnung und ging mit dem Rest meines Mammons arn Abend wieder in
die Spielbude Shao-yings. Da ließ ich denn nun meinen letzten Notgroschen
und hatte am nächsten Morgen noch gerade so viel, daß ich Raffles Hotel mit
einem gewissen Anstande verlassen konnte.

Ein anderer an meiner Stelle hätte sich vielleicht totgeschossen. Aber ich
bin eine elastisehe Natur.

Ich versetzte und verkaufte nach und nach von meinen Sachen, was ich
nicht unbedingt brauchte, hungerte hierauf ein paar Tage und wurde dann
Kohlenträger an der Johnston Pier. — Später stieg ich gesellschaftlich
höher: ich ritt einem indischen Prinzen die Pferde zu, war Austräger in einer
Korbstuhlfabrik, Portier in einem Tingeltangel, Gehilfe in einer Gärtnerei und

Oberbayrische Bauerntheater: In der Garderobe.
 
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