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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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8. Heft
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Anwand, Oskar: Der Bismarck am Rhein
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August Junkermann
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https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0241

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MODERNE KUNST.

daß es Bismarck in einem Bismarck-Denkmal nur innen einge-
schlossen und sitzend sehen kann. Wenn es zu seinen Helden
beten oder ihn vor sich erstehen lassen will, sö geht es nicht
in ein stilles Kärnmerlein. Wozu stellt man das Bismarck-
Denkmal gerade an den deutschen Rhein als heraus-
forderndes Wahrzeichen, wenn es dann ein hellenisch-
renaissancehaftes Pantheon wird, das den Deutschen gleich-
sam als Heiligen verkapselt. Man mag Zeus, man mag
Goethe so darstellen, Bismarck nicht! Hier kommt die
Hinneigung mancher moderner Künstler wie gerade
Hugo Lederer zu wuchtender Schwere recht unglück-
lich zum Ausdruck. Daß aber von dieser sitzenden
Gestalt innerhalb des tempelartigen Raumes eine feier-

liche geweihte Stimmung an und für sich ausgehen wird, sei gern
zugegeben. Auch hat sich Lederer bemüht, seinem Bismarck ein
gut Teil der hieratischen Steifheit zu nehmen, die er in dem
ersten Entwurf hatte. Weil aber die sitzende Haltung geblieben
ist, war Wilhelm Kreis bei seiner Umarbeitung weit glück-
licher als er. Überhaupt sei es noch einmal erwähnt, daß
sich gegcn die Schönheit seines Baues an und für sich sehr
wenig einwenden läßt und man Kreis nach diesem Werk
noch höher einschätzen muß. Nur das Bildnis und Gleich-
nis, das sich ein ganzes Volk — und darum handelt
es sich hier — bei diesem Tempel von Bismarck
machen wird, bleibt dürftig. Man hätte also etwas Aus-
drucksvolleres finden müssen. Dr. Oskar Anwand.

August

n den Annalen dcr Theatergeschichte findet man
wohl selten Daten verzeichnet, wie sie die Lebens-
und Künstlerlaufbahn des Königlich Württembergischen
liofschauspielers August Junkermann aufzuweisen haben. Am
15. Dezember feiert der greise Kiinstler seinen achtzigsten Geburts-
tag und sein sechzigjähriges Künstlerjubiläum, und diesen Ehrentag
verbringt der Unermüdliche in seinem Beruf. Er folgt der Einladung
der Königlich Württembergischen Theaterintendantur zu einem Gastspiel in seiner
Glanzrolle als „Inspektor Bräsig“. Zudem hat der berühmte Reuterinterpret, wie

alljährlich, sich zu einer An-
zahl plattdeutscher Rezita-
tionen in den verschiedensten
Gegenden Deutschlands ver-
pflichtet. Emsig arbeitet er
noch weiter an seinem
Lebenswerk, Deutschlands
größtem Humoristen, Fritz
Reuter, allerorten alte Ver-
ehrer zu erhalten und neue
zu erwerben. Den Reuter-
Apostel hat man Junkermann
genannt und mit Recht. Seine
Mission führte ihn in aller
Herren Länder, ja, wieder-
holt übers Meer, um dem
großen Mecklenburger über-
all Verständnis und Aner-
kennung seiner Werke zu
verschaffen. Und unendlicher
Mühe und regen Fleißes be-
durfte es, diese für die
meisten Hörer in einem
fremden Idiom geschriebe-
nen Werke verständlich zu
Gehör zu bringen. Oftmals
mußte Junkermann zur

August Junkermann als Schmied Snut aus „Hanne Nüte“.

Verhochdeutschung einiger
Wörter greifen. Es ist ihm diese „Vergewaltigung des Dialektes“ oft zum Vorwurf
gemacht worden, ebenso die Dramatisierung der Reuterschen Dichtungen. Aber
heiligte auch hier nicht der Zweck die Mittel, und spricht nicht der außerordent-
liche Erfolg ein entscheidendes Wort? Junkermann schrieb in seinen Memoiren
hierüber: „Bremen hatte den größten Einfiuß auf meine Entwicklung als Reuter-
Interpret. Waren auch Fritz Reuters Schriften mir schon früher in Fleisch und
Blut übergegangen und gleichsam mein Evangelium für alles, was Gemüt und
Humor heißt, geworden, ihre Wirkung auf das Publikum konnte ich erst hier
studieren. Ich war der Erste, der die lebensvollen Pointen der Reuterschen
Gedichte durch lebende Bilder illustrierte. Dann schritt ich zur Uebertragung
Reuterscher Gestalten für die Bühne. Freilich mit den damals unvermeidlichen
Couplets. Guter Fritz Reuter, ich habe mich anfangs hart an Dir versündigt.
Aber ich glaube, ich habe es wieder gutgemacht.“

August Junkermann gelangte erst auf Umwegen in das Reich der Kunst.
Seine Knabensehnsucht galt dem Offiziersrock. Doch als er später als Offizier-
Aspirant in ein Artillerieregiment eingestellt wurde, fiel all der erträumte Glanz
von ihm. Sein Artilleriegaul war kein Pegasus, der ihn über alle Mühen, die
der königliche Dienst erfordert, hätte wegtragen können. Der Dienst bedrückte
den armen Marsjünger, nur seine Betätigungen an gelegentlichen Theaterauf-
führungen bei Regimentsfestlichkeiten brachten ihm Lob und Anerkennung seines
Majors. Das wurde ihm zur Parole, umzusatteln. Er stieg vom Kriegsroß und
spannte sich vor den Thespiskarren. Aber auch hier kam er nur mühselig
vorwärts. Die beifallklatschenden Artilleristenhände fehlten ihm bei seinem Auf-
treten, ja die Kritiker verhielten sich in geradezu entgegengfesetzter Art, wie

Junkermann.

einst seine braven Kameraden. Da warf ihm der Zufall die
Rolle eines erkrankten Komikers zu. Er debütierte darin und
errang großen Erfolg. Nun hatte er sein „Fach“ entdeckt!
Aber kein dauerndes Engagement. Nach längerem Umherirren
fand er endlich ein solches in Bremen und folgte später einem
Engagementsantrag an das Stuttgarter Hoffheater. In seinem Ver-
bande blieb er 16 Jahre und gehört ihm heute noch als Ehren-
mitglied an. Allerdings fand Junkermann in Stuttgart beim ersten Auftreten in
seinen Lieblingsrollen aus Reuters Werken wenig Anklang. Man lehnte „Onkel
Bräsig“ kühl und entschieden ab und fand auch in den anderen Werken des
mecklenburger Dichters nicht den geringsten Humor. Selbst die Kritik ging mit
eisernem Schweigen über diese Vorstellungen hinweg. „Unkel Bräsig“ wurde
erbarmungslos vom Spielplan abgesetzt. Erst nach seinem großen Erfolg in
Wien durfte er auch in Stuttgart wieder vor der Rampe erscheinen. Junkermann
wurde bald der Liebling des Publikums und nur die Sorge um seine Zukunft
veranlaßte ihn später zum Scheiden. Die Intendantur wollte sich nicht dazu ver-
stehen, ihm eine Alterspension zuzusichern, auch keinen alljährlichen längeren
Urlaub, der ihm ermöglicht hätte, durch Gastrollen sein Einkommen und somit
seine Ersparnisse zu vergrößern. Die wenige freie Zeit, die ihm verblieb, hatte
er zu sehr erfolgreichen Gastspielen in Wien und andern Großstädten ausgenutzt
u. a. auch in Wiesbaden, wohin ihn der alte Kaiser Wilhelm berief, um ihn in
seinen Bravourrollen aus „Hanne Nüte“, „de Franzosentid“, als „Bräsig“ u. a. zu
sehen. Der greise Monarch verblieb bei diesen Vorstellungen stets bis zu Ende
des Stücks im Theater, zeichnete Junkermann, so oft er ihm begegnete, durch
leutselige Ansprache aus und schenkte ihm zur Erinnerung eine kostbare Perlen-
garnitur. Auch der damalige Großherzog Friedrich Franz von Mecklenburg-
Schwerin ehrte den fleißigen Reuterinterpreten durch ein Anerkennungsschreiben,
dem er als Zeichen seines Dankes die Verdienstmedaille in Gold mit dem Bande
beifiigte. Ebenso erteilten ihm auch andere regierende Fürstlichkeiten sichtbare
Beweise ihrer Aner-
kennung.

Unzählige Male
stellte Junkermann
seine Kunst in den
Dienst der Wohltätig-
keit. Als er zur Zeit
des Russisch - Japani-
schen Krieges zum
Besten der russischen
Verwundeten einen
plattdeutschen V ortrag
gehalten hatte, über-
sandte ihm die Kai-
serin von Rußland die
Rote - Kreuz-Medaille.

Längst schon hat
der greise Künstler
die Höhe erreicht,
wo die am Pfade der
Kunst sonst so üppig
wachsenden Dornen
keinen Boden mehr
finden, wo nur der
Lorbeer gedeiht, auf
dem der verdiente
Altmeister der Kunst
der Ruhe pflegen
könnte, doch er hat bei
seiner Rüstigkeit noch
immer keineZeit müde
zu sein. E!. O-F.

August Junkermann.

August Junkermann als Onkel Bräsig.
 
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