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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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MODERNE KUNST.

eingreifen. Bahr hat wohl bald empfunden, daß ein beträchtlicher Komödienhumor
dazu gehört, diese Figur im feineren Lustspielrahmen durchzuführen und aus
den Widerständen der harten Welt gegen solche prinzipienlose Prinzipienreiterei
helle Geistesfunken zu schlagen — drum ward er der Erfinder einer possen-
haften Handlung, die unsern Apostel in die zweite Reihe drängt und eine erheb-
lich saftigere und drastischere und im groben Sinne bühnenwirksamere Gestalt
zur Protagonistin erhebt: einen drallen, tanzseligen, mutterwitzigen Küchen-
dragoner. Und die Verbindung mit der anfänglichen Komödie? Nun, just auf
dieses nicht mehr in der ersten Jugendblüte prangende weibliche Musterexemplar
richten sich die ersten Liebesgefühle von Doktor Eschs Ältestem, einem prächtig
vorlauten und gefühlsüberschwänglichen Sekundaner. Er teilt seinen Eltern kurz
und bündig seine Verlobung mit der drallen Lene mit, und Doktor Esch, getreu
seinem Prinzip, hält mit Gattin förmlich für ihn bei Lene an. Diese Szene, die
den ganzen zweiten Akt füllt, entscheidet den Erfolg des Stückes, entschied ihn
vor allem im Lessing-Theater; denn sie spielt erstens im Milieu einer blitz-
sauberen herrschaftlichen Küche, und zweitens heißt hier die nicht minder blitz-
saubere Herrscherin in diesern Reich Else Lehmann. Eine Gestalt von zwingender
Lebensechtheit und nicht totzumachendem Humor. Man verargt es Bahr nicht
mehr, daß er hier auf billige Effekte ausging, sondern segnet ihn fast als Ge-
legenheitsmacher für diese Lehmannsche Darstellungskunst, der auch im sonst
ganz versandenden letzten Akte noch ein Höhepunkt gegönnt ist: da die Köchin
in großer Besuchstoilette (wie unser Bild zeigt) bei Frau Doktor Esch erscheint.

getürmt, und auch der fliegende
Händler thront vor einem reich-
haltigen Warenlager. Unser Bild
zeigt, wie eine liebevolle Mutter,
nach typischer japanischer Art den
Sprößling huckepack, für diesen
irgendeine Kleinigkeit bei einem
fliegenden Händler ersteht. F. B.
* *

*

Mlle. Lha B'Jambi', die be-

kannte Pantomimistin und Nackt-

tänzerin, welche gegenwärtig im

Zirkus Busch die Darstellerin

der Hauptrolle in der großen Pan-

tomime „Sevilla“ ist, hat in der

Rolle der Viarda, jener heißblüti-

gen und leidenschaftlichen Zigeu-

nerin, eine vorzügliche Gelegen-

heit gefunden, ihr fast zügelloses

Temperament und ihre Passion

für den Tanz hervorragend zu be-

tätigen. Die schlanke, biegsame

Gestalt der Tänzerin, welche in

weiten Kreisen auch als Salome-

tänzerin und als Schöpferin der

indischen Tänze in dem Sketch

„Die Haremsnacht“ bestens be-

kannt ist, eignet sich vorzüglich zur

Interpretin einer Gitana, d. i. einer

spanischen Zigeunerin. Katzenartig

schnell in ihren Bewegungen, von

bestrickender Liebenswürdigkeit,

weiß dieses Teufelsweib alle

sich ihr im Laufe der Handlung der Pantomime entgegenstellenden Hindernisse

zu überwinden. Was gilt es ihr, wenn Männeraugen brechen! Einer Carmen

vergleichbar, springt sie heiteren Sinnes über zuckende Herzen! Lha B’Jamb'i,

die echte Tochter der Berge, wird schließlich ein Opfer ihrer Leidenschaft

selbst; sie verzehrt sich im eignen Feuer. Sie war es auch, die vor mehreren

Jahren in der Schumannschen Pantomime „Der Seeräuber Golo“ die Hauptrolle

der Tempeltänzerinnen inne hatte und durch die sogenannten „Bluttänze“ damals

viel Aufsehen erregte. Für die Sommersaison hat sich die Künstlerin einen

eignen Sketc'n schreiben lassen, in dem sie als Nackttänzerin auf der Variete-

bühne erscheinen wird. H.

*

Mlle. Lha B’Jambi.

Phot. G. Gerlach & Co., Berlin.

Straßenbilder aus Japan: Beini Zuckerbäcker.

um ihr verschämt zu gestehen, daß sie doch auf die Ehre verzichten möchte,
ihre Schwiegertochter zu werden. Sie will nämlich ihren Oberkellner mit der
Aussicht auf eine rentable Gastwirtschaft heiraten, und man hat die Über-
zeugung, daß beide prächtig zu einander passen. k.

* *

BeimZuckerbäcker injapan. Japan wird nicht mit Unrecht das Paradies
rler Kinder genannt, denn im Lande der aufgehenden Sonne dreht sich alles um
die dortige Kinderwelt. Das hängt in erster Linie mit dem Familiensinne der
Japaner zusammen. Das eigentliche Junggeseilentum
ist in Japan unbekannt. Es gehört zur Lebensaufgabe
des Japaners, einen Hausstand zu gründen und auf eine
Nachkommenschaft bedacht zu sein. Bleibt die Ehe
kinderlos, so adoptiert der Japaner einen fremden Sohn,
um das Aussterben seiner Familie zu verhindern. Diese
Adoptionen kommen sogar im kaiserlichen Hause vor.

So stammt der jetzige Kaiser Yoshihito nicht aus der
Ehe des Kaisers Mutsuhito mit der Kaiserin Harunoko,
sondern er ist ein Sohn einer der Nebenfrauen des ver-
storbenen Kaisers. Der bevorzugten Stellung des ja-
panischen Kindes entspricht seine Behandlung. Das
Kind wächst in völliger Ungebundenheit auf, und nur
selten wird ihm von den Eltern ein böses Wort zuteil.

Daher sind die japanischen Kinder gerade keine Muster-
exemplare. Vor allem werden sie von den Eltern mit
Spielsachen jeder Art förmlich überschüttet; ja, es sind
sogar besondere Knaben- und Mädchentage festgesetzt
worden, die gesetzliche Feiertage und nur für Belusti-
gung und Spiel der Kinderwelt bestimmt sind. Z. B. der
„Drachentag“ der Knaben und der „Puppentag“ der
Mädchen. Daß die Liebe der japanischen Eltern für ihre
Ivinder einen großen Einfluß auf die japanische Spiel-
warenindustrie ausübt, ist schon aus der Unzahl der
Spielwarenläden und fliegenden Händler ersichtiich.

In den Läden sind wahre Berge von Spielsac.hen auf-

Eine eigenartige Blumenspende. Eine höchst originelle und eigen-
artige Ueberraschung ist der bekannten Opernsängerin Nellie Melba jüngst bei
einem ihrer großen Konzerte, das den lebhaftesten Beifall des Publikums fand,
in der Albert Hall zu London bereitet worden. Die Künstlerin erhielt ein Blumen-
arrangement in Gestalt eines Känguruhs aus braunen Chrysanthemen, das mit Recht
als ein technisches Meisterwerk der Blumenbiridekunst bezeichnet werden darf.

Welch eine Fülle von Blüten ist hier mit geschickter Fland an-
einandergelügt worden, damit das Ebenbild des grotesken Tiers
in natürlicher Größe entstehen konnte! Auf den ersten Blick er-
innert diese Blumenspende an die Schöpfungen der
Gartenkunst, die zur Zeit Ludwigs XIV. bestrebt war,
dem Pflanzenwuchse die verschiedenartigsten Formen
zu geben. Die Gärten von Versailles zeigen noch heute
eine große Menge solcher Kunstwerke, an denen die
Schere unausgesetzt arbeiten muß, damit die oft recht
komplizierten Figuren und Formen in ihrer Regelmäßig-
keit erhalten bleiben und nicht von den jungen Trieben
überwuchert werden. Eins der schönsten Heckenwerke
dieser Art sind die von Lenötre geschaffenen Lauben-
gänge in den Parkanlagen des Schlosses zu Versailles.
Auch bei uns finden wir eine ganze Anzahl ähnlicher
Gartenanlagen, die dem französischen Einfluß entstam-
men. So weisen die königlichen Gärten in Sanssouci
verschiedene Baumgruppen auf, die in kunstvoller Weise
beschnitten sind, im einzelnen
aber doch stets kulissenhaft
und unnatürlich wirken. Für
Naturbühnen, wie sie z. B. noch
in Flerrenhausen bei Hannover
vorhanden sind, sind solche
Heckenanlagen, zu denen vor
allen Dingen Buche, Buchs-
baum und Taxus Verwen-
dung fanden, ganz besonders
zweckmäßig. —n.

Eine Blumenspende für Nellie Melba. Phot The Gramophone Go.,
 
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