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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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19. Heft
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Friedrich, Paul: Richard Wagner und die Frauen
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Richard Wagner als Schriftsteller
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https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0577

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MODERNE KUNST.

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gehen und darauf hoffen, daß die ;/Nibelungen“ dereinst eine würdige Stätte irn
Vaterland finden würden.

Und in dieser bedeutungsvollen Zeit seiner dritten Lebenswende fand er
endlich in Cosima von Bülow, der Tochter seines treuen Freundes Franz Liszt,
die Frau und Gattin, die in sich die positiven Fähigkeiten der beiden andern
Frauen vereinigte. Im endlichen Besitz eines geliebten Weibes, endlich heimisch
in der ihm bis dahin so feindlichen und fremden Welt, führte er sein großes
Lebenswerk zum schönen Ende. Und um sein Glück vollzumachen, schenkte
ihm die teure Gattin auch den Sohn und Erben, den er im überströmenden Ge-
fühl des Dankes gleich dem Sonnenhelden seiner Nibelungen-Tetralogie Sieg-
fried nannte. An ihrer Seite durfte der greise Meister noch die Verwirklichung
seiner Nationalidee in Bayreuth erleben, und wie die Sonne vorm Scheiden noch

einmal purpurn glüht, so schenkte er noch seiner Bayreuther Schöpfung für
drei Jahrzehnte als ausschließliches Eigentum und Erbe das Lied von der welt-
überwindenden Liebe, die schon Religion und Glaube geworden ist, den „Par-
sifal“.

So schwer und notvoll auch sein herkulisches Leben war, so bittere Ent-
täuschungen und Schmerzen ihm auch die unbesonnene Leidenschaft der Jugend
zugefügt hatte, immer fand er in der Not die rettende und tröstende Frau, die
ihn dem Leben und seiner Mission erhielt. Und so wird es uns auch nicht
wundern, daß Wagner in all seinen großen Schöpfungen dem „Ewig-Weiblichen“
die unvergänglichsten Huldigungen und Verherrlichungen hat zuteil werden
lassen. Ja, das Grundmotiv seines ganzen Ringens und Schaffens sind die Worte:

Selig in Lust und Leid Läßt die Liebe nur sein!

Gaston Bussiere: Tristan und Isolde.

I^ichard Wagner

fm 14. Mai 1849 erließ die sächsische Polizei hinter Wagner einen Steck-
brief wegen seiner Teilnahme an der Revolution. Der treue Liszt, an
den sich der Verbannte zunächst mit der Bitte um Hilfe gewandt hatte, ermög-
lichte die Flucht, und so war es Wagner, der auf den Paß eines „Professors
Widmann“ reiste, gelungen, über Lindau nach der Schweiz zu entkommen, um
dann schließlich in Zürich sein „Asyl“ aufzuschlagen. Hier angekommen, erfüllt
ihn ganz und gar das Gefühl der Freiheit. „Mit nichts“, so schreibt er, „kann
ich das Wohlgefühl vergleichen, das mich durchdrang, als mich, den Geächteten
und Verfolgten, keine Rücksicht mehr band zu einer Lüge irgend welcher Art.
Da fühlte ich mich zum erstenmal in meinem Leben durch und durch frei,
heil und heiter.“ In Zürich sollten zunächst keine Kunstwerke entstehen, hier
wird ihnen vielmehr der Boden bereitet, auf dem sie sich später gründen sollten.
Für die damaligen Verhältnisse waren es sicherlich „umstürzlerische“ Ideen, die
dem Schriftsteller Wagner die Feder in die Hand drückten. Er kämpfte für das
Ideal einer reinen großen allgemeinen Kunst und wollte gleichzeitig einer hohen
echt menschlichen Kultur die Bahnen ebnen. Aus diesen Motiven heraus ent-
standen damals rasch hintereinander mehrere Broschüren, u. a. „Die Kunst und
die Revolution,“ „Das Kunstwerk der Zukunft“ und „Oper und Drama“. Uber
die letzte Arbeit sagt der Verfasser selbst: „Eine solche schriftstellerische Ab-
rechnung mit der W Telt und Aufklärung über mein Ideal konnte jedoch damals
in dem fast aller Ideale beraubten Vaterlande nur als die kurzweg totzu-

als Schriftsfeller.

schweigenden Ergüsse eines „seltsamen Opernkomponisten ‘ aufgenommen
werden, der im Revolutionsfieber zu den ungeheuerlichsten Phantasmorgien fort-
gerissen und dabei durch das Exil künstlerisch bereits völlig totgemacht war.“
Seine Auffassungen von der idealen Kunstform standen mit den damals herr-
schenden Begriffen natürlich in schroffstem Gegensatz und forderten die Kritik
heraus, der sich ein großes Heer persönlicher Feinde und Gegner anschloß. Zu
eben jener Zeit erschien aber auch noch ein Artikel „Das Judentum in fler
Musik“ unter dem Pseudonym K. Freigedank und rief besonders bei der liberalen
Presse, die Wagner an sich nicht feindlich gesinnt war, die lebhafteste Ent-
rüstung hervor. Auch mit dieser Arbeit sollte er sich keine Freunde werben.
Von der Gründung eines neuen deutschen Originaltheaters handeln die Flug-
schriften „Ein Theater in Zürich“ und „Über die Goethestiftung“. Abgesehen
von den späteren kleineren journalistischen Arbeiten Wagners seien hier noch
einige selbständige Abhandlungen erwähnt, die das Interesse der Zeit- und
Berufsgenossen in hohem Maße erregten: „Zukunftsmusik“ (1860), „Über Staat
und Religion“ (1864), „Über das Dirigieren“ (1869), „Über die Bestimmung der
Oper“ (1869), „Festschrift zum hundertsten Geburtstag Beethovens“ (1870). Als
„Gesammelte Schriften und Dichtungen“ sind Wagners sämtliche schrift-
stellerischen Arbeiten in zehn Bänden vereinigt. Nach seinem Tode erschien
noch ein Band „Entwürfe, Gedanken, Fragmente“ und ein dichterischer Entwurf
aus dem Jahre 1848, betitelt „Jesus von Nazareth“. P. G. A.
 
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