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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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24. Heft
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Buss, Georg: Hugo Vogel
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https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0736

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3°6

MODERNE KUNST.

sich dagegen das Profil der mit
schwarzer Soutane und schwarzem
Barett bekleideten Gestalt ab.

Heller Schein streift das milde
Antlitz, als ob er Botschaft brächte
aus der transzendentalen Welt.

So wirkt die vorzüglich durch-
geführte lichterfüllte Kompo-
sition feierlich wie eine Apotheose
priesterlichen Friedens, obwohl
sie ganz im Natürlichen wurzelt.

Kein Wunder, daß Vogel mit
diesen und einigen andern be-
merkenswerten Bildern schnell zu
Ansehen gelangte. Seitdem ist
ein halbes Menschenaiter ver-
gangen, reich an Mühe und Arbeit,
reich auch an Erfolgen. Der
hochentwickelte malerische Sinn
trieb den Künstler an, alles in
den Bereich seines Pinsels zu
ziehen, was einer Darstellung wert
erschien. Er malte geschichtliche
Wandbilder im Berliner Rathause,
solche von bedeutendem Wurf im
Ständesaal zu Merseburg und im
Hamburger Rathause, verherr-
lichte halb allegorisch in figuren-
reichem Monumentalbilde die
gewaltige Macht der modernen In-
dustrie, ließ auf einer Riesenlein-
wand Prometheus den Menschen
das Feuer bringen, malte Dutzende
Bildnisse von Angehörigen bevor-
zugter Kreise der Gesellschaft,
schilderte mit hingebender Liebe
schlichte Dörfler und Leute aus
dem Volk, malte Szenen aus
stillen holländischen Dorfkirchen
und aus stolzen belgischen
Kathedralen, schuf warmgoldige
Madonnen, Personifikationen echt
inütterlicher Liebe, schwelgte
mit seinem Pinsel in der Pracht
der Blumen und in den Zauber-
gärten Frascatis und sang far-
bige Lieder dem Meer. Historie,

Bildnis, Genre, Landschaft, Blu-
men, Stilleben, diese ganze thema-
tische Klassifikation, die etwas
Schablonenhaftes an sich hat und

der Kunst wenig vorteilhaft gewesen ist, hat für ihn nie bestanden. Mit Recht, denn
aus der Erweiterung des Darstellungsgebietes haben sich für jedes seiner Bilder wohl-
tuende Einflüsse ergeben, die in der souveränen Beherrschung des Stofflichen und im
Fernbleiben alles Gequälten und Kleinlichen erkennbar sind. Ein großer Zug und ein
hohes Maß dekorativer Wirkung ist ihnen eigentümlich und sie sind im besten Sinne
des Wortes modern gedacht und ausgeführt. Gegenüber gewissen, auf Sensation
berechneten Experimenten hat er sich ablehnend verhalten, aber dem Gesunden und
Berechtigten in der impressionistischen Strömung sich nicht verschlossen.

Natürlich ist er in Paris gewesen, hat Bonnat bewundert, hat sogar, nachdem er
sein Lehramt an der Akademie in Berlin niedergelegt, bei Lefevre noch fleißig Akt
gezeichnet, wie er denn die französischen Ecoles libres als die für die Entwicklung
junger Talente besonders geeigneten Stätten ansieht, hat auch die alten holländischen
Meister, vornehmlich Frans Hals, studiert und auf holländischem Boden die unter dem
Einflusse der feuchten Atmosphäre sich ergebenden Lichtphänomene und deren physio-
logische Wirkung auf die Farben beobachtet, ist in Italien gewesen, hat den großen
Meistern des Quattro- und Cinquecento den Zoll der Verehrung dargebracht, den
Fresken in Florenz, Siena und Rom gehuldigt und mehr noch seinen Sinn der großen
Natur des Südens zugewandt, aber trotz der Menge mannigfacher und nachhaltiger
Eindriicke ist die eigne künstlerische Auffassung das bestimmende Element seines
Schaffens geblieben. Seine Werke tragen denn auch ein Gepräge, das sie in der Fülle
der in den Kunstausstellungen versammelten Bilder leicht erkennbar macht. ünd noch
eins: das Pariser Milieu übt sehr verlockenden Reiz aus. Dieses Sirenentum spürten
schon vor einem Menschenalter die deutschen Künstler, die bei Couture die feinste
Durchbildung der Form zu erlangen suchten. Aber mochten sie auch die empfangenen
Anregungen außerordentlich hoch bewerten, so haben sie doch ihr deutsches Empfinden
niclit beeinflussen lassen. Von Vogel gilt dasselbe. Ein Bild wie z. B. «Der Eremit“,
das ein farbiges Gedicht a'uf ländlichen Frieden und beneidenswertes Einsiedlerglück
ist, dazu die behaglichste Stimmung und einen herzerfrischenden feinen Humor atmet,

Hugo Vogel: Die Seelenmesse

vermag eben nur jemand zu
schaffen, dessen Gefühl tief im
Lande Albrecht Dürers wurzelt
und von der Fremde unange-
kränkelt blieb.

Das Antonius-Bild zeigt auch,
wie er althergebrachten thema-
tischen Vorwürfen, an der.en sich
schon Dutzende Künstler ver-
sucht haben, eine neue inter-
essante Seite abzugewinnen weiß.
Ebenso alte Vorwürfe sind „Der
Fischzug der Jünger“ und „Leda
mit dem Schwan". Und doch
berühren sie in Vogels Darstel-
lung neu und eigenartig. Die
Szene auf dem See Genezareth ist
mit künstlerischer Freiheit nach
der Schilderung im Evangelium
Lucä behandelt: „Und Simon
antwortete und sprach zu ihm:
Meister, wir haben die ganze
Nacht gearbeitet, und nichts ge-
fangen; aber auf dein Wort will
ich das Netz auswerfen. Und da
sie das thaten, beschlossen sie
eine große Menge Fische, und ihr
Netz zerriß. Und sie winkten
ihren Gesellen, die im andern
Schiff waren, daß sie kämen und
hülfen ihnen ziehen. Und sie
kamen und füllten beide Schiffe
voll, also, daß sie sanken.“ Mit
realistischer Kraft ist der Fischzug
in die Wirklichkeit iibertragen,
gleichwohl liegt auf der Kom-
position stille feierliche Größe.
Sie geht besonders von der Ge-
stalt des Herrn aus, von seinem
durchgeistigten Antlitz und der
gebietenden Geste seiner feinen
Hand. Des Nimbus hätte es
nicht einmal bedurft, um das
Visionäre und Überlegene dieses
Gottesmenschen fühlen zu lassen.
Und weiter die „Leda mit dem
Schwan", ein Vorwurf aus der
Antike, dem die Malerei seit den
Tagen der Renaissance überaus
hold gewesen ist. Man denkt an
die stehende Leda Leonardo da
Vincis, diese reizvolle, den Hals des Zeusvogels umfassende Gestalt, nach der später
die Bilder in der Opplerschen Sammlung zu Hannover, in der Galerie des M. de la
Roziere zu Paris und in der Galleria nel Casino Borghese zu Rom entstanden sind,
oder an Correggios ruhende „Leda mit dem Schwan im Schoße", in der das Erotische
am raffiniertesten verkörpert ist. Aber Vogels Leda ist anders, ist keuscher, ist um-
woben vom freundlichen Hauche mädchenhafter Schalkhaftigkeit. Die von Licht und
Halbschatten umspielte, meisterlich modellierte Gestalt, ein hohes Lied auf weibliche
Jugendschönheit, hockt beim Schilf am Wasser, hat beim plötzlichen Nahen des
Schwans überrascht das Köpfchen erhoben und scheint sich lächelnd zu fragen: „Was
will denn der?" So naiv und natürlich gibt sich die ganze Geschichte, daß Gedanken
an die schlimmen Absichten des Zeusvogels gar nicht aufkommen.

Eine besondere Vorliebe für das Innere von Kirchen hat Vogel wiederholt nach
Ste. Gudule in Brüssel geführt. Insbesondere muß das Chor dieses prächtigen gotischen
Baues jedes Malerherz entzücken. In köstlichen Bildern, wie „Nach der Taufe" und
„Mai-Messe“, hat er Ste. Gudule einen farbenfreudigen Tribut dargebracht. So auch in
der Seelenmesse, die bei hohen malerischen Vorzügen von tiefem Empfinden getragen ist.

Aus den stolzen Hallen der belgischen Kathedrale führt ein anderes Bild zur länd-
lichen Flur, zutn Acker, zur harten Arbeit. Auch in dem „Pflügen der Ochsen“ gibt
sich eine originelle Auffassung, ein großes, schier monumentales Gepräge kund, durch-
strömt von der Kraft, die dazu gehört, den schweren Boden in Schollen aufzureißen,
damit er nährende Frucht bringe. Gewiß, das Thema ist nicht neu, aber das Schöne,
wie es hier in Linien, Formen, Farben, Licht und Luft entgegentritt, ist eben ewig neu.

Die Berliner Gesellschaft sieht mit Recht in Vogel einen ihrer beliebtesten Porträt-
maler. Seine Bildnisse werden, zumal sie, rein malerisch betrachtet, einem eminenten
Können und einer frohen Farbenlust entsprungen sind, in späteren Tagen sehr wahr-
scheinlich mit ebensolcher Teilnahme als charakteristische Typen unserer Gesellschaft
betrachtet werden, wie wir ein gleiches gegeniiber den Bildnissen eines Reynolds und
Gainsborough mit Bezug auf die damalige englische Gesellschaft tun.
 
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