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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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24. Heft
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Saltzwedel, Hans von: Frau Mytala, [7]: nach einer wahren Begebenheit erzählt
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https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0738

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3°8

MODERNE KUNST.

Bewußtsein, wie eng ich mich innerlich mit jener Frau verbunden fühlte —
in wie hohem Maße sich meine Gedanken fortgesetzt mit ihr beschäftigt
hatten. — Der große Schmerz, den ich über ihren Verlust empfand, wird
es mir wohl zum Bewußtsein gebracht haben; dieser und die große Leere,
die er in meinem Herzen zurückließ und die ich durch nichts auszufüllen
wußte. Ja, dieser letzteren erinnere ich mich noch deutlich. Es war genau
dieselbe Leere, die ich damals empfunden hatte, als mir meine Lieb-
lingsschwester durch denTod entrissen worden war.

In beiden Fällen sträubte sich zunäcbst mein Innerstes mit aller Macht
dagegen, den Verlust als eine gegebene Tatsache hinzunehmen; beim
Verlust jener Frau aber ist wohl noch etwas anderes hinzügekommen,
was mich aus meinem seelischen Gleichgewichte brachte, das war die Er-

lich einmal doch tat, so geschah es mit immer größerem Gleichmut. —
Schon glaubte ich, in altgewohnter wehmütiger Entsagung auch über
diesen Lebensabschnitt hinweggekommen zu sein, als ich um die Jahres-
wende herum noch einmal gewaltsam aus meinem so mühsam errungenen
Frieden aufgestört wurde: In der Kreuzzeitung stand eines Tages unter
den Familiennachrichten zu lesen:

„Meine am vierundzwanzigsten Dezember vollzogene Verbindung mit
Maria Clementine, Gräfin von Hasbach, einzigen Tochter des verstorbenen
K. K. Osterreichischen Kämmerers Grafen Kurt von Hasbach auf Schloß
Hasbach und seiner ebenfalls verstorbenen Gemahlin Maria, Freiin von
Hoheneck, zeige ich hiermit statt jeder besonderen Meldung an.

Joseph von Lankwitz, Hauptmann a. D.“

Hugo Vogel: Dcr Eremit.

Phot. Hermann Boll, Berlin.

kenntnis — oder ich möchte lieber sagen: der Schreck über die Erkennt-
nis, in welch gefährlichem Irrtum ich mich über die wahre Art meiner
Empfindungen gegen die Geliebte meines Freundes befunden hatte. Und
dieser Schreck ist für mich ein recht heilsamer gewesen. — Damals hat
er mich zunächst von allen Versuchen ferngehalten, mit den mir ent-
schwundenen Freunden wieder in Verbindung zu treten; denn sie zu
vergessen, schien mir das sicherste Mittel zur Wiederherstellung meines
seelischen Gleichgewichts zu sein. — Dieses Vergessen habe ich in der
völligen Hingabe an meinen Beruf gesucht, der mir gerade damals neue
Aufgaben stellte.

Der Kameke war endlich Major geworden, und ich hatte seine
Kompagnie bekommen. Überdies ging es sehr bald darauf ins Manöver.
Somit blieb mir wenig Zeit, über meinen Gemütszustand nachzugrübeln.

Immer seltener und seltener habe ich im Gedränge der Tage an
Freund Lankwitz uud Frau Mytala gedacht, und wenn ich es unwillkür-

Wohl nie in meinem Leben hat es in meinem einfältigen Schädel so
bunt ausgesehen, wie beim Lesen dieser wenigen Zeilen. Ich glaube, es
hat wohl mehr als eine halbe Stunde gewährt, bevor ich das Gelesene
völlig in mich aufgenommen hatte, und dann noch den ganzen übrigen
Tag hindurch, ehe es mir gelungen war, die Fülle der auf mich ein-
stürmenden Empfindungen und Gedanken sowie die sich unmittelbar daran.
knüpfenden Hoffnungen einigermaßen zu ordnen.

Die durch tiefes Mitleid neu entfachte Liebe zu dem jungen, ver-
lassenen Weibe — meiner armen, unglückseligen Frau Mytala — war
wohl die eigentliche Wurzel alles dessen, was meine Seele bis in ihre
letzten Tiefen erschütterte.

Mit meiner Freundschaft zu Lankwitz glaubte ich ein für allemaf
fertig zu sein: wer es über sein Herz zu bringen vermochte, eine so-
reine, hingebende Liebe äußerer Vorteile wegen von sich zu stoßen, war
nicht wert, mein Freund zu heißen, der hatte selber kein Herz — weder
 
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